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Landeshauptstadt: Zimmer mit Aussicht

Das familiengeführte Potsdamer Hotel Monte Vino wird als eines der besten in Europa empfohlen. Ein Besuch auf dem Weinberg

Es ist einer dieser letzten, unentschiedenen Tage zwischen Spätsommer und Herbst. Die Sonne scheint ganz anständig, doch auf dem Höhenzug des Potsdamer Weinbergs weht es frisch und die Gartenliegen hinter dem Hotel Monte Vino sind verwaist. Hotelchef Antonius Aaldering schaut hinunter auf die Stadt, der Ausblick vom Grundstück in der Gregor-Mendel-Straße ist einzigartig. Seit Kurzem findet man sein Hotel auf Platz acht der Übernachtungstipps in Europa – gelistet auf der Internetseite des Reiseführers „Lonely Planet“. „Natürlich ist es eine tolle Lage, aber daran allein kann es nicht liegen“, sagt Aaldering.

Der Hotelier ist, was das Geschäft betrifft, ein alter Fuchs. Die Eltern hatten ein Hotel in Holland, er selbst später zwei große, eins in Holland und eins in Deutschland. Doch irgendwann wollte er keine Massenabfertigung mehr, kam in den 90er-Jahren nach Potsdam und führte zunächst das Hotel am Luisenplatz. 2007 übernahm er dann wieder ein eigenes Haus. Das Objekt in dieser einzigartigen Lage, fußläufig von Stadtzentrum und Schloss Sanssouci, das musste einfach funktionieren, dachte er sich – in so einer schönen Stadt mit so vielen Schlössern. Er machte aus der Villa von 1890 sowie dem Gästehaus, errichtet 2000 als Schulungszentrum der Ruhrkohle AG, ein kleines, aber feines Hotel. Konnte seine Frau überzeugen, zunächst ein Probejahr in Potsdam zu verbringen, fand eine internationale Schule für die Kinder. Sie blieben. In dem Familienbetrieb arbeiten mittlerweile zehn Angestellte – der Chef zählt sich selbst mit. Das Hotel mit 26 Zimmern ist gut nachgefragt, bis zu 90 Prozent, im Winter zu 50 Prozent, eine gute Quote, findet Aaldering. Unter den Gästen sind viele Geschäftsleute, aber auch Touristen, Paare und Familien. In den Bewertungsportalen loben die Gäste die familiäre Atmosphäre, den Service, die schönen Zimmer. Und dass man vom Chef begrüßt und zum Zimmer gebracht wird.

Das ist sein Konzept, sagt Aaldering. Er wollte kein großes Haus mehr, sondern eines, wo man den Gästen noch begegnet. In der Tat fühlt man sich in der alten Villa wie in einem Zuhause. Warme Teppiche, erstandene alte Möbel und viel Kunst an den Wänden, das schafft Wohnlichkeit. Direkt hinter dem Empfangstresen hängt ein großformatiges Bild des holländischen Künstlers Armando, Landsmann von Aaldering – und Wahlpotsdamer wie er. Auch historische Schiffsmodelle, Landkarten und Globen im Antik-Look erinnern an die Herkunft der Familie Aaldering.

Vom Eingangsbereich aus gelangt man in eine kleine Bar, gediegener Schick mit schweren Stilmöbeln. Gegenüber ein „Herrenzimmer“ – wo gibt’s das sonst noch? – hier darf geraucht werden. Der mächtige Tisch inmitten von Polstergestühl legt nahe, dass hier nicht nur geplaudert wird. Gleich neben dem Empfang liegt das Arbeitszimmer von Aaldering senior und junior, kürzer können Wege nicht sein. Der Chef wohnt sogar im Hotel, denn Arbeit und Privates könne man nicht trennen, sagt er. Von der Veranda aus kann er die Straße überblicken, sehen wer kommt, wer geht. Neulich sei er bis drei Uhr morgens wach geblieben und wartete auf Gäste aus Slowenien. „So was passiert eben“, sagt er lächelnd.

Sein Arbeitsplatz, so scheint es, ist eben nicht nur sein Schreibtisch, sondern überall. Er geht regelmäßig durch die Zimmer, durch den Garten. Auf die Kleinigkeiten kommt es an, sagt er, beispielsweise eine ungewöhnliche Snackauswahl, eine zum aktuellen Tag aufgeschlagene Fernsehzeitung, Busfahrplan und Restaurantempfehlungen. Dass alles sauber ist, die Matratzen nicht durchgelegen sind und jeder Gast eine frische Auflage bekommt, das sei selbstverständlich. „Keiner mag das Gefühl, dass es nachts an ihm krabbelt“, sagt er. Sein Haus beschäftige fest angestellte Zimmermädchen, die eben nicht nur zwölf Minuten für einen Raum haben. „Dann wird das Zimmer eben zehn Euro teurer, aber auch tiptop“, sagt er. Er wolle keine Kompromisse mehr machen. Dass anderswo über Mangel an Personal für Hotelgewerbe und Gastronomie gejammert werde, kann er nicht verstehen. „Man muss die Leute vernünftig bezahlen. Dann findet man auch welche.“

Dem Haus tut auch gut, dass hier eine Familie Hand in Hand arbeitet. Sein Sohn werde das Haus übernehmen, er sei topfit, sagt der 65-Jährige. Seine Frau betreue den Kräutergarten, wo jetzt noch immer Tomaten wachsen. Sie kümmert sich auch um das von den Gästen als legendär beschriebene Frühstücksbuffet, kocht Marmeladen, backt Kuchen. Bäcker Braune produziert exklusiv für das Hotel „Garnisonbrot“, schwere Laibe voller Nüsse und Trockenobst. Wie Schätze lagern sie, in Tuch eingeschlagen, im kühlen Keller.

Zu den Zimmern, die keine Nummern, sondern Namen von Schlössern und Orten der Region tragen, kommt man leider nur über Treppen – barrierefrei ist das Haus nicht. Gern hätte Aaldering einen Fahrstuhl angebaut, doch vom Denkmalamt gab es dafür keine Genehmigung.

Doch wer kommt, ist meist begeistert. Der kleinteilige Garten mit den Treppen und verschlungenen Wegen zum Hang hinauf, zu Grillplatz und Pavillon, von wo aus man Potsdam auf den Kopf spucken könnte, all das könnte dazu verleiten, das Hotel erst gar nicht verlassen zu wollen. „Sie müssen erleben, wie es hier abends aussieht, wenn alles beleuchtet ist“, schwärmt der Chef. Empfehlen könne er weiterhin den Aufstieg auf den Turm der Villa. 100 Stufen sind es bis zum fünften Obergeschoss, aus dem sich dann eine Wendeltreppe schraubt. Oben liegt ein Fernglas für Fernsehsüchtige. Ein junger Mann habe dort seiner Freundin einen Heiratsantrag machen wollen, erinnert sich Aaldering . Ob die Gefragte Ja gesagt habe, wisse er nicht. „Aber sie sind glücklich heruntergekommen.“

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