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Landeshauptstadt: Wissenschaft in Würfeln

Am Samstag öffnet die Wissenschaftsetage im Bildungsforum: Ein Überblick über Forschung in Potsdam auf 300 Quadratmetern

Innenstadt - Niemand wird von Texten erschlagen. Wer die neue Wissenschaftsetage im Bildungsforum Potsdam am Platz der Einheit besucht, muss nicht befürchten, ohne Uni-Abschluss in der Tasche überfordert zu sein. Die Ausstellung „Forschungsfenster“, die einen Einblick geben soll in die vielfältige Potsdamer Wissenschaftslandschaft, kommt mit allgemeinen bekannten Strukturen und Oberflächen daher und gibt sich leicht und modern. „Es ging uns um die Reduktion von wissenschaftlicher Komplexität“, erklärte Kurator Johannes Leicht am gestrigen Donnerstag bei einer Vorbesichtigung. Am Samstag ab 10 Uhr ist die Wissenschaftsetage dann auch für die Öffentlichkeit zugänglich.

Auf 300 Quadratmetern Ausstellungsfläche sind sieben Würfel aufgestellt. Jeder Würfel mit einer Kantenlänge von zwei bis drei Metern steht für eines der großen Themen der Potsdamer Forschungseinrichtungen: Materialwissenschaften, Geistes- und Kulturwissenschaften, Astrophysik, Geowissenschaften, Technikwissenschaften und Informationstechnologie, Humanwissenschaften und Lebenswissenschaften. Die jeweiligen Würfelseiten sind mit einer wissenschaftlichen Frage überschrieben: Antworten werden mittels kurzer Texte, Film- und Tonaufnahmen, die per Touchscreen abrufbar sind, sowie Vitrinen mit Ausstellungsstücken angeboten.

So sind die vier Seitenflächen des Würfels für die Geistes- und Kulturwissenschaften mit folgenden Fragen überschrieben: Wozu bewahren wir kulturelle Zeugnisse? Wie wurde der Koran überliefert? Kann freiwillige Armut reich machen? Wie entsteht ein neuer Dialekt? Wem die Informationen auf der Würfeloberfläche nicht genügen, der kann eine Schublade öffnen, in dem weiteres Wissen zum jeweiligen Thema bereitgehalten wird.

„Ein Würfel ist eine Form, die jeder kennt“, sagte Detlef Saalfeld: „Wir wollten keine verrückten Formen, Wissenschaft ist etwas sehr Seriöses.“ Der Design-Professor an der Potsdamer Fachhochschule hat das Ausstellungsdesign mit einer Studierendengruppe erarbeitet. Sehr auffällig ist die edle Optik der Würfel, die Saalfeld zufolge aus dem Material Corian besteht, einer Legierung aus Aluminium-Hypoxid und Acrylglas. Diese wirke „absolut clean und steril“. Dem Glas der Vitrinen sei zudem jedwedes Eisenoxid entzogen worden. Daher sei es „das durchsichtigste Glas der Welt“, erklärte der FH-Professor. Das Design der Würfel, die Beschaffenheit der Oberfläche, erscheint wie durch Apple-Geräte inspiriert – eine Assoziation, die Saalfeld bestärkt. Das iPad „ist die Gegenwart“, erklärte er, die Würfel wirkten „wie dreidimensionale iPads“. Allerdings, witzelte der Design-Experte, „wenn das in fünf Jahren out ist, hauen wir es raus und nehmen Furnier oder Nußbaum“.

Ein weiteres Merkmal der zweisprachigen Exposition – Englisch und Deutsch – ist seine Veränderbarkeit. Wie Kurator Leicht und Designer Saalfeld betonen, können die Themen künftig verändert oder an neue wissenschaftliche Erkenntnisse angepasst werden. In der ersten Ausstellungsvariante konnten Leicht zufolge nicht alle Potsdamer Wissenschaftsthemen gezeigt werden. „Es liegen noch viele Themen auf Halde“, sagte der Kurator. Neue Themen könnten dann auf neuen Würfeln aufgegriffen und dargestellt werden.

Wie Stadtmarketingchefin Sigrid Sommer sagte, hat die Erarbeitung der Ausstellung etwa 200 000 Euro gekostet. Für den Ausbau der vierten Etage der Stadt- und Landesbibliothek zur Wissenschaftsetage hätten insgesamt zwei Millionen Euro aufgebracht werden müssen. Sommer zufolge stammen 1,4 Millionen Euro aus Hochschulbaumitteln des Landes Brandenburg, die übrigen 600 000 Euro kommen als Eigenanteil von der Stadt Potsdam. Für den Betrieb der Wissenschaftsetage werden jährlich 400 000 Euro benötigt, wie Simone Leinkauf vom Trägerverein Pro Wissen informierte. 40 Prozent davon übernehme die Stadt Potsdam, den Rest bringen die Mitglieder des Vereins auf – Einzelpersonen, aber auch Forschungsinstitute.

Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) ging am Donnerstag auf die Motive für die Schaffung der Wissenschaftsetage ein. Schon 2003, dem Potsdamer Themenjahr der Wissenschaften, sei allgemein bemängelt worden, dass Potsdams immenses Wissenschaftspotenzial in der Innenstadt und der neuen Mitte so gut wie nicht erkennbar sei. „Potsdams Wissenschaft ist außerhalb der Stadtgrenzen viel bekannter als in Potsdam“, so die von Jakobs wiedergegebenen entsprechenden Äußerungen. Nach wie vor gebe es keinen einheitlichen Universitäts-Campus; mit der Fachhochschule verschwinde voraussichtlich 2018 die letzte Einrichtung der studentischen Lehre aus der Innenstadt. Umso wichtiger sei es, mit der Wissenschaftsetage nun eine Einrichtung in der Potsdamer Mitte zu begründen, die mithilft, „aus der Wissenschaft eine Marke Potsdams zu machen“. Jakobs verteidigte außerdem die von ihm getroffene Standort-Entscheidung zugunsten der vierten Bibliotheksetage. Das Bildungsforum Potsdam werde von mehr Menschen besucht „als ein Kaufhaus“. Jakobs: „Das ist der richtige Standort und auch der richtige Kontext.“

Momentan sind in der Wissenschaftsetage noch Handwerker und Studenten intensiv mit den Vorbereitungen für die Eröffnung am morgigen Samstag beschäftigt. „Wenn schon alles fertig gewesen wäre, hätte ich ein ganz schlechtes Gefühl“, so die aufmunternden Worte des Oberbürgermeisters. Auch der Masterstudent Alexander Schubert hält die Arbeiten bis zur letzten Minute nicht für ungewöhnlich: „Am Ende ist es immer knapp.“ Die größte Hürde bei der Vorbereitung sei gewesen, „den Wachschutz zu überreden, dass wir am Abend länger im Haus bleiben dürfen“.

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