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Etwa 40 Mitarbeiter streiken Tag und Nacht vor dem Gelände des Verkehrsbetriebes in Babelsberg.

© Andreas Klaer

Streik im Nahverkehr in Brandenburg: "Wir halten durch"

Ein Ende des Streiks im Nahverkehr ist nach wie vor nicht in Sicht. Rund 40 Mitarbeiter streiken vor den Toren des Verkehrsbetriebes in Babelsberg. Ein Besuch vor Ort.

Potsdam - Wenn es regnet, wird es eng für die Männer. Dann rücken die etwa 40 Kollegen und manchmal auch Kolleginnen zusammen unter dem Pavillon und wenigen Schirmen. Für Besucher lassen sich Jörg Sprecher und Steffen Krause was einfallen. „Wir gehen rüber unters Bushäuschen der Haltestelle“, schlägt einer der beiden Busfahrer vor. Dort hält zwar kaum ein Bus, aber es ist trocken. „Ick hab gehört, hier wird gestreikt“, witzelt Jörg Sprecher. Seit 1978 ist er in Potsdam Busfahrer und jetzt Streikleiter.

So richtig ist ihm am gestrigen Donnerstagnachmittag aber nicht zum Lachen, auch nicht den anderen streikenden Bus- und Tramfahrern, die den Haupteingangs zum Depot der Potsdamer Verkehrsbetriebe besetzt halten. Vor wenigen Stunden hat der Kommunale Arbeitgeberverband Brandenburg (KAV) eine Pressemitteilung rausgeschickt. Ein neues Angebot werde es nur geben, wenn der Streik ab Montag ausgesetzt wird. Eine Frechheit, ein Witz, Erpressung, finden die Streikenden. Man kauft doch kein Auto, ohne es sich vorher anzusehen! Sie werden das Tor erst frei machen, nachdem sie ein akzeptables Angebot erhalten haben. Egal, wie lange das dauert.

Mehr als 100 Kollegen machen mit

Seit mehr als einer Woche halten sie bereits aus. Insgesamt weit mehr als 100 Kollegen: Busfahrer, Tramfahrer und einige aus der Werkstatt machen mit. Es geht ums Geld, um gar nicht so viel, finden sie, aber selbst das will ihnen der Arbeitgeber, der Potsdamer Verkehrsbetrieb, nicht zugestehen. 120 Euro brutto mehr pro Monat, für alle durch die Bank, auch die, die nicht in der Gewerkschaft sind. Gleicher Lohn für alle, das sehe sogar der Arbeitgeber so. Doch der habe eine wesentlich kleinere Gehaltserhöhung angeboten. Davon würde ja kaum etwas übrig bleiben, sagen die Fahrer. Sie, die Gewerkschaftler, wollen außerdem eine Anerkennung für den Aufwand, den sie betreiben. Dass sie für alle kämpfen, bei Wind und Wetter hier draußen, Verdienstausfall hinnehmen, Verdi-Mitgliedsbeiträge zahlen. Es könne nicht sein, dass nur einige sich engagieren und sich alle bedienen, sagen sie. Der Potsdamer Arbeitgeber sieht das anders. Dabei wären sie schon mit ein paar wenigen Hundert Euro Urlaubsgeld zufrieden.

Wer in Brandenburg Busfahrer ist, lebt von kleinen Brötchen. 1800 Brutto beträgt das Einstiegsgehalt. Nach 24 Jahren im Dienst, sagt Sprecher, ist man bei 2200 angekommen. Plus Feiertagszuschläge von 50 bis 100 Euro im Monat. In anderen Bundesländern verdient man bis zu 500 Euro mehr. Über wahrscheinlich sechsstellige Jahresgehälter der Geschäftsführer regen sie sich schon nicht mehr auf.

Potsdamer bringen Getränke und Suppe vorbei

Aber es ärgert sie, dass in den vergangenen Tagen kein Potsdamer Politiker vorbeigekommen ist. „Keiner von den Linken oder der linken SPD“, sagt einer. Und als Potsdams Finanzdezernent Burkhard Exner am Nachmittag durchs Tor fuhr, zur Aufsichtsratssitzung, konnte er auch nicht grüßen oder gar anhalten. „Dabei sind wir doch ein kommunaler Betrieb!“ Die Männer sind enttäuscht.

Solidarität erfahren sie derzeit von ganz anderer Seite. Potsdamer Bürger fahren vorbei und hupen, bringen Getränke, Kaffee, Gulaschsuppe. Holz für die Feuerschale, da sitzt die Nachtschicht, eingewickelt in Decken. Die Ehefrauen werden gelobt, sie backen Kuchen und machen das alles mit. Auch die Familien müssen schließlich damit klarkommen, dass das nächste Monatsgehalt sehr schmal wird. 2 bis 2,5 Prozent vom Bruttogehalt zahlt Verdi als Streikunterstützung. „Ich hab mich mal erkundigt, eine Art Notfallfonds für jemandem, bei dem es ganz eng wird, gibt es nicht“, sagt Jörg Sprecher.

Ohne Notfahrplan wäre der Streik schon vorbei

Natürlich reden sie darüber, viel gibt es sonst nicht zu tun zwischen Straße und Tor. In den letzten Tagen haben sie sich intensiver kennengelernt, als es sonst in diesem Job möglich ist. Sie werden durchhalten, sagen sie. Auch wenn durch die Hintertür die Streikbrecher ein- und ausgehen. Ein bisschen können sie die sogar verstehen, die Zeitarbeiter würden von den Geschäftsführern oft massiv unter Druck gesetzt. Dabei wäre der Streik wahrscheinlich schon längst beendet, wenn es keinen Notfahrplan gebe. Ob sie manchmal nicht doch die Potsdamer verstehen, die über den langen Streik sauer sind? „Das müssen Sie doch nicht uns, sondern die Geschäftsführung fragen“, sagt Sprecher. Wenn es so weitergeht, wird es irgendwann gar keine Busfahrer mehr geben. In Deutschland fehlen jetzt bereits 10 000.

Der Notfallfahrplan des ViP >>

Liniennetz während des Streiks >>

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