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Im Visier. Die Zentrale der Potsdamer Stadtentsorgung (Step) in der Drewitzer Straße.

© Andreas Klaer

Stadtwerke-Skandal: Korruptionsverdacht in Potsdam: „Wir dachten, wir seien weiter“

Potsdam ist seit 2010 Mitglied bei Transparency International. Die Antikorruptions-Experten beobachten den neuen Stadtwerke-Skandal, den die PNN aufgedeckt haben, mit Sorge. Dabei steht inzwischen Aussage gegen Aussage.

Potsdam - Es ist erst einige Wochen her, da machte die Schlagzeile über Korruption im Rathaus die Runde. Eine Mitarbeiterin der Sozialverwaltung unter Elona Müller-Preinesberger (parteilos) habe Wohnberechtigungsscheine an Flüchtlinge verkauft, so der Verdacht – weswegen die Stadtverwaltung, wie in solchen Fällen üblich, Strafanzeige stellte und die Staatsanwaltschaft einschaltete.

Auch im neuen, von den PNN aufgedeckten Stadtwerke-Skandal gibt es laut der Einschätzung der Kanzlei Ignor & Partner aus Berlin „zahlreiche Anhaltspunkte“ für eine Straftat – konkret einen Untreueverdacht gegen Holger Neumann, den suspendierten Chef der Energie und Wasser Potsdam (EWP), der früher auch die Stadtentsorgung (Step) führte. Er soll überhöhte Gehälter, Prämien und Zulagen an die frühere Prokuristin Petra V. an den zuständigen Gremien vorbei gewährt haben.

Stadt und Stadtwerke stellen keine Strafanzeige

Doch anders als im oben genannten Fall haben weder die Stadt als Gesellschafter der Stadtwerke noch das kommunale Unternehmen selbst bisher Strafanzeige gestellt. Allein aufgrund der PNN-Berichterstattung prüft die Potsdamer Staatsanwaltschaft seit Montag, ob sie Ermittlungen aufnimmt.

Dabei sehen die von den Stadtverordneten im Jahr 2012 verabschiedeten sogenannten Compliance-Regeln für kommunale Unternehmen vor, dass bei Regelverstößen in „schwerwiegenden Fällen“ eine Strafanzeige erstattet werden sollte. Auch die Anwältin von Neumann, Heide Sandkuhl, erklärte gegenüber den PNN, wenn es tatsächlich strafrechtliche Sachverhalte zu Lasten ihres Mandanten geben würde, könne man der Landeshauptstadt Potsdam kaum raten, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Sandkuhl: „Wenn berechtigte Ansprüche bestehen würden, würde der Vorschlag, untätig zu bleiben, auf eine Untreue durch die Amtswalter hinauslaufen.“ Auf PNN-Anfrage erklärten zwei weitere Juristen, eine unterlassene Strafanzeige könne eine Amtspflichtverletzung bedeuten. Zudem könne eine Verurteilung vor Gericht die Chancen steigen lassen, auf zivilrechtlichem Wege erfolgreich auf Schadenersatz zu klagen, so die Juristen.

Potsdam ist seit 2010 Mitglied bei Transparency International

Als „absurd“ bezeichnete auch Gisela Rüß von der Anti-Korruptionsorganisation Transparency International (TI) die Empfehlung in dem im Auftrag der Stadtwerke erstellten Prüfbericht der Kanzlei Ignor & Partner, auf eine Strafanzeige wegen Untreue gegen den derzeit freigestellten EWP-Manager Neumann zu verzichten. Ohnehin wird der Umgang mit der Affäre in Potsdam von TI verfolgt, die Stadt Potsdam ist seit 2010 Mitglied in dem Transparenzverein. In der Folge hatte sich Potsdam von TI intensiv über Konsequenzen aus der ersten Stadtwerke-Affäre vor fünf Jahren beraten lassen, unter anderem wurden Regeln für mehr Transparenz und Compliance – also Regeltreue – in den kommunalen Unternehmen erarbeitet.

Nun werde aber deutlich, dass ein Teil der in Potsdam handelnden Personen „offensichtlich noch nicht die Sensibilisierung für die notwendige Compliance in dem schwierigen Netzwerk der städtischen Betriebe hat“, sagte die für Potsdam zuständige TI-Vorstandssprecherin Rüß, die frühere Antikorruptionsbeauftragte des Landes. Zwar habe Potsdam in den letzten Jahren einen „erheblichen Schritt“ in die richtige Richtung gemacht. „Aber wir dachten, wir seien weiter“, so Rüß mit Blick auf die aktuellen Vorwürfe. Eine Meinung hat Rüß auch zu dem Umstand, dass die Step- und EWP-Aufsichtsratschefin Müller-Preinesberger nach eigenen Angaben über Jahre hinweg keine Kenntnisse von den überhöhten Zahlungen an Petra V. bekommen hat. Dazu Rüß: „Ich weiß nicht, ob ich das glauben soll – aber mir sind in den letzten Jahren häufiger Aufsichtsratsvorsitzende begegnet, deren Kenntnisstand geringer war, als ich es für möglich gehalten hätte.“

Was Müller-Preinesberger wusste oder nicht wusste, ist tatsächlich eine Frage. Im Zwischenbericht zu den Vorgängen der Kanzlei Raue, Stand 25. Mai, beharrt Neumann darauf, dass die Bezügeberichte der Step – in denen V. als leitende Angestellte samt Bezügen aufgeführt ist – auch den zuständigen Aufsichtsratschefs übergeben worden seien. Müller-Preinesberger ließ am Mittwoch erneut ausrichten, sie habe diese Berichte nicht erhalten. Über einen den PNN vorliegenden Bericht zu den Bezügen von Petra V. der Wirtschaftsprüfer von Beeh & Happich vom 15. März sei sie einen Monat später, am 12. April, mündlich durch die Stadtwerke informiert worden. Das sei auch Grundlage für die weiteren Prüfungen durch die Kanzleien Ignor & Partner sowie Raue im Auftrag der Innenrevision der Stadtwerke gewesen – deren Berichte schließlich an die Öffentlichkeit gelangten.

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Es braucht klare Standards und Regeln bei kommunalen Unternehmen, dass sich solche Schlagzeilen, wie aktuell über die Stadtwerke, nicht wiederholen können. Ein Kommentar >>

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