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Hans-Joachim Kuke ist Vorstand vom Potsdamer Stadtschloss-Verein.

© Andreas Klaer

Interview mit dem Chef des Potsdamer Stadtschloss-Vereins: „Wir brauchen noch fünf Millionen Euro für die Skulpturen“

Hans-Joachim Kuke ist Vorstandsmitglied des Stadtschloss-Vereins. Wir haben mit ihm über das 20-jährige Vereinsjubiläum und seine Ziele gesprochen.

Von Peer Straube

Herr Kuke, der Stadtschloss-Förderverein feiert am Freitag sein 20-jähriges Bestehen mit dem Aufstellen einer Spendenbox im Innenhof des Landtags. Sie sind praktisch von Anfang an dabei und haben angesichts der bewegten Entstehungsgeschichte bestimmt Dutzende Anekdoten parat. Erzählen Sie uns bitte die schönste.

Es ist vielleicht keine Anekdote, aber das beeindruckendste war für mich das Richtfest des Landtagsschlosses im November 2011. Die Menschen strömten aus allen Richtungen, aus allen Ecken zum Alten Markt.

10 000 sollen es gewesen sein.

Ja, und das war für mich sicher der emotionalste Moment, denn manchmal hab’ ich mich schon gefragt, ob ich eigentlich spinne.

Wieso?

Na, man investiert ja freiwillig einen großen Teil seiner Freizeit in den Wiederaufbau eines Gebäudes mit einer barocken Fassade und wusste da nicht immer, ob das die Menschen in Potsdam überhaupt interessiert. Aber an diesem Tag, dem 24. November 2011, hatten wir den Beweis. 

15 Jahre lagen zwischen Vereinsgründung und der Fertigstellung des Schlosses als neuer Brandenburger Landtag. Das ist eine vergleichsweise kurze Zeit. Mal ehrlich, haben Sie gedacht, dass es so schnell gehen würde?

Ja und nein. Mir waren die Widerstände schon bewusst und die Argumente, dass wir Geld für Kitas brauchen und nicht für den Wiederaufbau von Barockgebäuden. Aber die Bedeutung kultureller Identität sollte man nicht unterschätzen. Und dann passierte ja noch so viel Unvorhergesehenes, Positives...

Was meinen Sie konkret?

Na, wer konnte damals ahnen, dass nur wenige Monate nach der Vereinsgründung ein Spender kommen würde, der das ganze Fortunaportal bezahlt.

Sie meinen den TV-Moderator und Wahl-Potsdamer Günther Jauch, der die Einnahmen aus einem Werbevertrag für die Zementindustrie für den Wiederaufbau des Portals zur Verfügung stellte.

Ja. Und dann fasste der Landtag schon 2005 den Beschluss, dass das neue Landesparlament auf dem Alten Markt entstehen sollte, in den historischen Um- und Aufrissen des Alten Schlosses. 

Diese Formulierung ließ aber viel Spielraum für Interpretationen. 

Eigentlich nicht, nein. Aber das Land, namentlich der damalige Finanzminister Rainer Speer...

...ein erklärter Gegner des Schlosses...

hat versucht, das aufzuweichen. Man merkte das in den Gesprächen sehr schnell, dass er das ablehnte und den Ruf nach einer historischen Fassade als überaus lästig empfand.

Nun waren die modernen Entwürfe für den Schlossstandort Gerüchten zufolge aber so scheußlich, dass auch Speer sie nicht gebaut sehen wollte. 

Vom Hörensagen kann ich das bestätigen, die Gremien tagten ja damals alle hinter verschlossenen Türen und an einem geheimen Ort – das Gegenteil einer demokratischen Planungskultur. Die Ergebnisse dieses Wettbewerbs sind ja bis heute nicht veröffentlicht worden und liegen wohl in einem Schweizer Safe. 

Dennoch war Speer mit seiner Skepsis nicht allein, der Wiederaufbau des Schlosses war stets umstritten. Erst als sich die Bürgerinitiative Mitteschön gründete, stieg der Druck auf das Land, den Landtag mit der historischen Fassade zu bauen.

Das stimmt.

Warum hat der Schlossverein das nicht allein hinbekommen, genug Potsdamer für Knobelsdorff zu mobilisieren?

Hat er das nicht? Es gab die Meinungsumfrage, die Stadtschlosskalender, die Zeichnungsscheine, die Stadtschlossaktien, die Fundamentsteinrettung, die Kunstauktion für die Minerva. Es gab den Spendencontainer auf dem Alten Markt, und da haben die Mitglieder schon geworben und gestritten. Aber wenn Sie das so empfinden, müssen wir uns natürlich alle an die Nase fassen. Vielleicht war der damalige Vereinsvorstand ein bisschen zu berlinlastig.

Sie selbst sind ja auch Berliner! Man könnte ja auch die Frage stellen, warum denn nicht Potsdamer den Schlossverein gegründet haben.

Nein, fünf von sieben Gründungsmitgliedern waren Potsdamer, die Initiative kam aus Potsdam! Viele, die Mehrzahl der Mitglieder sind ebenfalls Potsdamer. 

Für die Gesichter des Vereins galt das aber nicht. 

Inzwischen hat sich das aber geändert. Im aktuellen Vorstand gibt es, mich eingeschlossen, nur noch zwei Berliner. Aber, um noch einmal auf Ihre ursprüngliche Frage zurückzukommen: Mitteschön ist eine Initiative und konnte daher im Gegensatz zu einem Verein, der strengeren Regularien unterliegt, viel lauter und anarchischer auftreten. Dennoch haben Sie Recht: Man kann man dem Schlossverein vorwerfen, dass von ihm damals nicht allzu viel zu hören war.

Dann kam Hasso Plattner und mit seiner Spende für die historische Schlossfassade änderte sich alles. Wie haben Sie davon erfahren?

Durch einen Anruf. Auch wir als Verein und Mitteschön haben versucht, an Herrn Plattner heranzukommen, sodass er von vielen Seiten davon erfahren hat, dass es ein Problem gibt. Und dann hat Matthias Platzeck...

...der damalige SPD-Ministerpräsident...

...wohl einen Anruf von Plattner bekommen und ein Zug, der mit Volldampf in die falsche Richtung fuhr, ist zum Glück doch noch um 180 Grad gedreht worden.

Ein Zug, der mit Volldampf in die falsche Richtung fuhr, ist zum Glück doch noch um 180 Grad gedreht worden.

Hans-Joachim Kuke

Der nächste Ärger drohte mit dem Dach aus Zink. Wieder musste Plattner helfen. 

Da kann sich aber auch der Schlossverein den Orden mit an die Brust heften, weil wir die öffentliche Debatte mit losgetreten haben. Es gab auch eine Demo am Alten Markt. Und dann muss sich Herr Plattner wieder gemeldet haben. Es ging ja um das Gesamterscheinungsbild. Stellen Sie sich mal die Nikolaikirche ohne ihr markantes, von Grünspan überzogenes Kupferdach vor. 

Seit Jahren sammelt der Schlossverein Geld für die Restaurierung und, wo die Originale verloren sind, für die Anfertigung von Kopien der Attikaskulpturen. Sieben stehen bereits – und doch wirkt das Dach noch immer recht kahl. Warum ist es so schwer, Mäzene für die Figuren zu finden?

Ich glaube, dass vielen Menschen gar nicht klar ist, wie wichtig diese Figuren sind – einerseits durch ihre Verzahnung mit dem Himmel, also das Durchbrechen der Vertikalen und andererseits entwickeln die etwas mehr als lebensgroßen Figuren eine Beziehung zum Betrachter am Boden. Dadurch entsteht Lebendigkeit. Ein bisschen kann man das schon am Westgiebel sehen, alles wirkt plötzlich etwas höher und leichter. 

Und warum ist es so schwer, potenzielle Mäzene davon zu überzeugen, dem Schloss diesen Zauber zurückzugeben?

Nun warten Sie es mal ab. Man kann natürlich immer besser sein und wir stehen mit den Schönen und Reichen leider nicht auf Du und Du. Aber ich finde, wir können auf die 650.000 Euro, die der Verein bislang gesammelt hat, durchaus stolz sein. Und die halbe Million Euro, die die Cornelsen-Stiftung zur historischen Gestaltung der Engelstreppe spendet, ist doch auch ein schöner Erfolg. 

Das Corps de Logis, die große Treppe auf der Rückseite des Schlosses, wirkt auch nicht sonderlich barock. Wollen Sie dafür auch Geld sammeln?

Natürlich. Die wunderbaren Skulpturen, etwa die Lampenträger und die Sphingen, müssen dort wieder hin. Das geht aber nur sehr langfristig. Bei den Lampenträgern schien uns der Landtagsarchitekt, Peter Kulka, auch offen zu sein. 

Wann kommen die nächsten Figuren aufs Dach?
Am 18. Juni werden die Skulpturen der Ariadne und des Theseus, eines Helden mit einer Lanze, auf dem östlichen Kopfbau in der Humboldtstraße aufgestellt.

Und danach?
In der Pipeline haben wir noch die vierte Trophäe vom Fortunaportal, da ist das Modell fertig. Gebraucht wird aber noch ein Mäzen, der die nötigen Kopien der fehlenden Teile in Stein bezahlt. Das kostet rund 50 000 Euro. 

Sie werden auch für Kopien der Attika-Figuren sammeln müssen, die auf dem Dach der Berliner Humboldt-Uni stehen – und dort wohl auch bleiben werden.

Sicher müssen wir auch dafür Mäzene suchen. Im nächsten Jahr will die Uni sie – ohne sie abzunehmen – restaurieren. In diesem Zuge könnten Sicherungskopien aus Gips angefertigt werden, nach deren Vorbild dann Kopien aus Stein hergestellt werden können. Trotzdem bleibe ich dabei: Die Originale gehören nach Potsdam, weil sie keinerlei Bezug zum Gebäude der Universität haben. Wir werden das Gespräch mit dem neuen Berliner Landeskonservator suchen. Wir glauben, dass wir die besseren Argumente für Potsdam haben!

Wie viel Geld ist noch erforderlich, um den Skulpturenschmuck zu komplettieren?

Alles in allem dürften es wohl um die fünf Millionen Euro sein.

Wann, glauben Sie, wird das Schloss äußerlich vollendet sein?

Ich bin kein Prophet – vielleicht in 20 Jahren?

Das Interview führte Peer Straube.

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