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Landeshauptstadt: Wider den Container

Andernorts steht sie unter Denkmalschutz, in Potsdam wird sie abgerissen: die Variant-Halle

In vielfältigen Erscheinungs- und Nutzungsformen prägte sie die DDR-Landschaft: als Kino, Kaufhalle, SeRo-Annahmestelle, als Kinderferienlager und Unterkunft beim Trassenbau, sogar als Kirche wollte man sie nutzen. Die Rede ist von der Raumerweiterungshalle „Variant“, wegen ihrer signifikanten Form auch „Ziehharmonika“ genannt. In Magdeburg und Berlin sind einige Variant-Hallen heute Orte der Kunst, Sub- oder DDR-Kultur für eine quirlige Szene mit Treffpunkten wie der „Nordbar“ oder dem „Intershop“ in der Ehrenbergstraße. In Brandenburg an der Havel wurde schon Mitte der 1990er Jahre eine Doppelhalle dieses Typs unter Denkmalschutz gestellt.

In Potsdam mangelt es offenbar nicht nur an einem alternativen Nutzungskonzept, sondern auch an Interesse und Phantasie für den Umgang mit dem unbequemen „Raumwunder“. So wird derzeit eines der wenigen erhaltenen Exemplare, das stark vernachlässigt in der Schlaatzstraße steht, abgerissen. Ein Stück DDR- Alltagskultur und DDR-Architekturgeschichte wird damit entsorgt – ab in den Container.

Die Variant-Halle ist von dem Schweriner Maschinenbauingenieur Klaus Both entwickelt und im VEB Metallbau Boizenburg/Elbe von 1966 bis 1978 gefertigt worden. Auf kleiner Fläche transportabel, aber innen erstaunlich ausdehnbar galt sie als Gegenentwurf zum Container. Sie war eine aluminiumverkleidete Stahlleichtkonstruktion, deren markante Form sich allmählich aus einer Rundbogenhalle und einem kantigen Ferienbungalow ausgeprägt hatte. Die charakteristischen abgerundeten Ecken, die auch konstruktiv die neuralgischen Punkte darstellten, übernahm Both dabei nach eigenen Aussagen aus dem Brückenbau.

Hinter der gebogenen Frontseite in Form eines Wohnwagens bilden in der Regel acht Raumelemente, die sich teleskopartig ineinander schieben lassen, die transportable Halle. Das menschliche Körpermaß bestimmte die Höhe des kleinsten Elements, die Transportfähigkeit die des größten. Der Grundrahmen, der zugleich als „Fundament“ und Stützkonstruktion dient, ließ den Einsatz von schweren Baugeräten wie Kränen entbehrlich werden. Mittels eines Tiefladers konnte sie in einem Stück transportiert werden.

Anknüpfend an die Idee des „wachsenden Hauses“ der zwanziger Jahre bot die Variant-Halle die architektonische Lösung für zeitweilige Raummängel verschiedenster Art. Sie steht für den typisierten, in Funktion und Größe flexiblen Raum der Moderne und für eine besondere Form der experimentellen Konstruktion. Wegen des Verbots, Aluminium in großem Maßstab zu verwenden, ist die Produktion der Halle Ende der 1970er Jahre eingestellt und durch einen containerähnlichen Typ ersetzt worden.

Wie die Raumerweiterungshalle in die Schlaatzstraße gelangt ist, darüber lassen sich nur Vermutungen anstellen. Die sowjetische Armee hatte einen größeren Posten dieses Typs bestellt und teilweise nach Abzug der Truppen mitgenommen. Nun macht der ehemalige Messe- und Exportschlager der DDR wild wachsenden Bäumen und Sträuchern Platz. Die eigentliche Idee, die des leicht auf- und abzubauenden sowie umsetzbaren Raumes, wird mit dem Abriss, der die Potsdamer Design- und Architekturlandschaft um ein spannendes Stück ärmer werden lässt, ignoriert.

Die Verfasserin ist Architektur- und Kunsthistorikerin und Mitautorin des Architekturführers Potsdam, der in diesem Jahr im Reimer-Verlag erscheinen wird.

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