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Arvid Bauriegel absolviert bei der Potsdamer Firma Bausetra eine Ausbildung zum Mechatroniker für Nutzfahrzeuge.

© Thilo Rückeis

Arbeitsmarkt in Potsdam: Wenn Azubis zur Rarität werden

Rund 850 Ausbildungsplätze sind in Potsdam noch unbesetzt. Wie die Firmen um Nachwuchs kämpfen. 

Potsdam - Sieben Azubis haben Anfang August ihre Ausbildung als KFZ-Mechatroniker für Nutzfahrzeuge bei der Potsdamer Firma Bausetra begonnen. „Wir haben die Auszubildenden gefunden, die wir wollten. Aber nur mit enormem personellem und monetärem Aufwand“, sagt Geschäftsführer Bastian Neuendorf. Vor einigen Jahren noch hätte sich die Firma mit drei Standorten, die Bau- und Nutzfahrzeuge verkauft, vermietet, wartet und repariert, aus einer Vielzahl von Bewerbern die besten Kandidaten aussuchen können. „Die Situation hat sich um 180 Grad gewendet“, beschreibt Neuendorf. Heutzutage sei er froh, wenn er überhaupt noch jemanden finde. „Wer halbwegs was kann, geht studieren. Viel bleibt für das Handwerk nicht übrig.“

Also wirbt Bausetra bei Ausbildungsmessen, mit Anzeigen, Tagen der offenen Tür und beklebten Fahrzeugen für sich. Neuendorf wünscht sich eine Aufwertung von Ausbildungen. Auch, dass ein Meister mehrere tausend Euro koste, während viele Studiengänge keine Gebühren kosten, kritisiert er. Seine Firma braucht die Azubis dringend, sagt der Geschäftsführer, denn der Arbeitsmarkt sei leergefegt. „Wenn ältere Mitarbeiter in den Ruhestand gehen, bleibt uns nur, selbst Nachwuchs großzuziehen und dann zu übernehmen.“

Fachkräftemangel in vielen Branchen

Knapp 1700 Ausbildungsstellen in Potsdam wurden seit Oktober bei der Agentur für Arbeit gemeldet. Rund 850 der Plätze sind nach Angaben einer Sprecherin aktuell noch unbesetzt. Es ist ein Problem, das viele Branchen betrifft, über das Firmen in ganz Deutschland klagen: Fachkräftemangel. „In Potsdam stehen etwas weniger Bewerber einem steigenden Ausbildungsstellenportfolio gegenüber. Statistisch verschärft das das Problem“, erläutert Silke Berlin, von der Jugendberufsagentur Potsdam. Besonders betroffen sind laut Statistik der Arbeitsagentur die Bereiche Produktion und Fertigung, Handel und Tourismus, Buchhaltung und Verwaltung. 

Aus Sicht der Leiterin des Bereichs Studien- und Berufsberatung kommen mehrere Faktoren zusammen. Zum einen herrsche in der Landeshauptstadt eine hohe Gymnasiumsdichte, immer mehr Schüler:innen strebten das Abitur an. Und wer das Abi hat, will danach oft studieren. „Dabei sind die Perspektiven nach einer Ausbildung glänzend“, betont Berlin.

Kaum Praktika in der Pandemie

Zum anderen wirke die Pandemie nach. „Wir sind noch gefangen in den Coronabedingungen“, so die Beraterin. Es habe nur wenig Möglichkeiten für Praktika gegeben, wenig Gelegenheit, sich auszuprobieren. „Das führt dazu, dass viele Absolventen nur schwer Entscheidungen treffen können.“ Viele junge Menschen fürchteten sich ob der enormen Vielfalt an Berufen und Ausbildungen davor, das falsche zu wählen. „Dabei kann man sich immer noch umorientieren, es ist keine Entscheidung fürs Leben“, ermutigt Berlin. 

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Branchen mit körperlicher Tätigkeit hätten es besonders schwer. Sie nennt das Beispiel einer Umzugshilfe, bei der sich kein einziger potenzieller Azubi beworben hätte. Auch die Gastronomie, die von vielen als unsicher wahrgenommen werde, habe es schwer. „Für die Unternehmen kann das existenzbedrohend sein“, so Berlin. Manche Firmen werben durch Extras um Nachwuchs. So bietet das städtische Wohnungsunternehmen Pro Potsdam seinen Azubis unter anderem ein Ticket für den Nahverkehr und ein Büchergeld. 

Netzwerke und Kooperationen

„Die Suche ist generell schwierig“, bestätigt auch Mario Gappa, der sich bei der Potsdamer Firma Vcat Consulting um Vertrieb und Marketing kümmert. Das Unternehmen, das jährlich ein bis zwei Mathematisch-Technische Softwareentwickler ausbildet, setzt vor allem auf Kooperationen. Es präsentiert sich regelmäßig in einem Gymnasium in Kleinmachnow, unterstützt Sportvereine und nimmt an Netzwerktreffen teil. „Wir führen die Schüler schon frühzeitig an unsere Firma heran und zeigen ihnen, dass es diesen Beruf gibt und was dahintersteckt“, betont Gappa. 

Auch Beraterin Berlin rät den Firmen dazu, Praktika oder Ferienjobs anzubieten, damit die jungen Menschen frühzeitig in die Berufe hineinzuschnuppern können. Doch sie hat nicht nur von trüben Aussichten zu berichten. „Gerade anspruchsvolle Ausbildungen gewinnen an Attraktivität“, berichtet sie. Das betreffe etwa den Bereich erneuerbare Energie. Auch duale Studiengänge würden nachgefragt. Und: „Der Pflegebereich erfährt gerade einen kleinen Boom.“ Durch Corona seien die Berufe in aller Munde. Auch die Zusammenführung mehrere Pflegeberufe zu einer gemeinsamen, generalistischen Ausbildung als Pflegefachfrau oder -mann seit 2020 habe geholfen. „Wir haben verstärkt Ausbildungsverträge in der Pflege abgeschlossen“, so Berlin. 

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