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Happy am Ende? Hans Kupfer (Uwe Kockisch) und seine Frau Marlene (Ruth Reinecke) geben einer gemeinsamen Zukunft eine Chance.

© ARD/Frederic Batier

Finale oder Fortsetzung: „Weissensee V“?

"Weissensee", "Charité", "Tannbach", "Ku'damm 59": Die ARD wie das ZDF müssen sich dringend zu weiterer Geschichtsfiktion bekennen.

Die Pressemitteilung atmet den Stolz über das Erreichte. ARD-Programmdirektor Volker Herres sagte nach dem Ende von Staffel IV der Serie „Weissensee“, er freue sich mit allen Verantwortlichen „über die sehr positive Resonanz in der Presse und über das große Publikumsinteresse an deutsch-deutscher Geschichte. Dass die fiktionale und dokumentarische Aufbereitung der Zeit zwischen Frühjahr und Herbst 1990 in Deutschland fast 30 Jahre später ein so breites Publikum erreicht, ist unbestritten großartig.“

Nach den nackten Quoten ist das Zuschauerinteresse von Staffel III zu Staffel IV von damals 4,64 Millionen Zuschauern um gut eine Million gesunken. Aber 2015 wurde auch im Herbst und nicht im hochsommerlichen Frühling 2018 ausgestrahlt. Und auch mit Staffel IV landete „Weissensee“ im Primetime-Ranking weit vorne.

Aber lassen wir die Zahlen mal die Zahlen sein. In der Pressemitteilung ist nichts von einer Fortsetzung, von einer Staffel V zu lesen, ein Hinweis darauf, dass noch nichts beschlossen ist. Das Finale von Folge 23 ließ schon den Schluss zu, dass Autor und Regisseur Friedemann Fromm die Geschichte um und um Familie Kupfer herum für „auserzählt“ hält. Viele der „losen Enden“, von denen in der TV-Erzählung die Rede war, hatten tatsächlich ein Ende. Falk Kupfer, der geläuterte Stasi-Bösewicht, hat sich geopfert, Dunja Hausmann ist mit Selbstmord aus dem Leben geschieden, die Eltern Hans und Marlene Kupfer sehen wieder gemeinsamer Zukunft entgegen.

Der Figurenbesatz in der Serie war so reich, so vielfältig und komplex, um die Perspektiven dieser Geschichte weiter aufzublättern. Und die deutsch-deutsche Geschichte ging auch nach 1990 weiter und weiter und weiter. Aber: Nur Weitermachen ist nicht die Herausforderung, sie ist größer. Jede Fortsetzung muss das Niveau halten, auf der Ebene der Verzahnung von Historie und Fiktion, auf der Ebene von Regie und einem Schauspielerensemble, wo keine Darstellerin/kein Darsteller abfallen darf, weil sonst die dargestellte Figur mit abfällt. „Weissensee“ hat sich als fiktionale, emotionale wie intellektuelle Großtat der Produzenten, der Redaktionen, aller Verantwortlichen und Beteiligten bewährt. Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung enorm schwierig, weil mit der Gefahr belastet, dass es nicht weiter-, sondern abwärts geht. Der „Weissensee“-Zuschauer ist über die vier Staffeln zum „Weissensee“-Experten geworden, er kann nicht nur nach Gut und Böse unterscheiden, sondern auch nach Gut und Schlecht unterscheiden. Also, liebe ARD: Glück auf bei der Entscheidung.

Das Volumen einer solchen TV-Anstrengung beschwört immer die Frage nach Finale oder Fortsetzung herauf. Bei „Charité“ wird die zweite Staffel produziert, es geht in die Nazi-Zeit mit Ferdinand Sauerbruch als Person und Personifikation eines schwankenden Mitläufertums. Und dann? „Babylon Berlin“, der internationale Serienerfolg von Pay-TV Sky und öffentlich-rechtlicher ARD, soll unbedingt weitererzählt werden. Aktuell kämpft das Sollen mit dem Unbedingt.

Das ZDF kämpft gerade mit sich selbst. „Ku’damm 59“ und „Tannbach: Schicksal eines Dorfes“, das erste erstklassige Drama-Queen-TV, das andere schicksalsschweres Drama Ost und West der Mauer, bei beiden Erzähllinien steht die Entscheidung noch aus, ob sie weiter durch die (deutsch-deutschen) Zeitläufte gezogen werden.

Gezogen werden müssen. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen hat sich mit seiner Historienfiktion ein Alleinstellungsmerkmal und eine Qualitätsmarke erschaffen, die einen Abbruch nachgerade verbieten. Was dafür nicht alles nicht gezeigt werden müsste! Joachim Huber

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