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Spülung. Über einen Hydranten wird aus einer Hauptwasserleitung in der Karl-Marx-Straße in Babelsberg Trinkwasser in den Gulli gepumpt. Ob es hilft, die Coli-Bakterien zu beseitigen, wird sich zeigen.

© Nestor Bachmann/ZB

Landeshauptstadt: Warnstufe bis mindestens Samstag

Gesundheitsamt rät für Babelsberg: Wasser abkochen. Mittlerweile sind die Rohre durchgespült. Ob das Problem gelöst ist, sollen neue Messwerte zeigen

Babelsberg - Entwarnung gibt es frühestens am Samstag, bis dahin gilt für viele Babelsberger Haushalte weiter: Das Leitungswasser muss vor dem Trinken abgekocht werden. Gesundheitsgefährdende Coli-Bakterien sind bei einer Probe am Montag an einem Kindergarten gefunden worden, nach den Ergebnissen der Analyse am Mittwochabend gab das Gesundheitsamt deshalb eine Eil-Warnung für Teile von Babelsberg. Dort darf Wasser aus der Leitung nicht mehr ohne Weiteres getrunken werden – es muss abgekocht werden. Betroffen sind nach Angaben der Stadtwerke 3700 Haushalte, also fast 10 000 Menschen, die in dem Gebiet leben. Eine akute Gefahr bestehe nicht, teilte das brandenburgische Gesundheitsministerium mit. Da Coli-Bakterien aber nichts im Trinkwasser zu suchen haben, werde zum Abkochen geraten.

In dem Wasser seien bei Proben coliforme Keime und Escherichia coli gefunden worden, teilte das Potsdamer Gesundheitsamt mit. Die Behörde empfiehlt daher, das Wasser vorsorglich abzukochen – sei es zum Trinken, zum Kochen, zum Zähneputzen oder zur Reinigung von Gegenständen, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen. Alle krankheitserregenden Mikroorganismen würden zerstört, wenn das Wasser für mindestens drei Minuten koche. Die chemische Keule in Form von Tabletten zur Reinigung des Wassers einzusetzen, empfiehlt Ronny Möckel nicht. Der stellvertretende Amtsarzt der Landeshauptstadt erklärte, die Keime würden durch Kochen restlos abgetötet. Die Maßnahmen seien präventiv. Für Fälle wie diesen gebe es Notfallpläne, die auf die jeweilige Situation angepasst werden. Er glaubt, dass die Situation nicht länger als 14 Tage andauert. Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass das Wasser seit Längerem belastet ist und die Babelsberger schon seit einiger Zeit davon trinken. Die Probe, in der die Fäkalkeime gefunden wurden, seien im Rahmen von Bauarbeiten am Leitungssystem in Babelsberg genommen worden, sagte Stadtwerkesprecher Stefan Klotz. Die Auswertung der Proben dauere zwei Tage, daher habe das Unternehmen erst am Mittwochabend warnen können. Am Donnerstag verteilten Mitarbeiter der Stadtwerke im betroffenen Gebiet Handzettel, um die Anwohner zu warnen. Ein Hinweis auf der Internetseite der Stadtwerke suchten verunsicherte Kunden allerdings lange vergeblich.

Um die Verunreinigung zu beheben, wurde an der Karl-Marx-Straße das Hauptrohr leergepumpt, die Wassermassen in den Gully geleitet. In der Nacht sind die Rohre durchgespült worden. Ob dies den gewünschten Erfolg bringt, zeige sich aber erst, wenn weitere Probeergebnisse vorliegen, sagte Möckel. Damit sollen auch der Umfang der Belastung näher bestimmt und der Herd der Verunreinigung gefunden werden. Es gebe mehrere Gedanken, wodurch das Wasser verunreinigt worden ist, sagte Möckel. Aber es gebe auch viele Argumente, die dagegen sprechen. „Wir haben die Ursache noch nicht gefunden.“ Ein Leck in der Leitung schloss er als Ursache aus. Der Druck der Frischwasserleitung sei derart hoch, dass selbst wenn das Rohr in Fäkalien liegen würde, keine Keime eindringen würden.

Der gleichzeitige Nachweis von Coli- Bakterien und Escherichia coli im Trinkwasser ist ein Indiz dafür, dass dieses mit Fäkalien verunreinigt ist. Das Gesundheitsministerium bezeichnete das Vorgehen der Stadt als richtig. Noch gehe es aber nur um Vorsorgemaßnahmen, die durch die vorhandenen Probewerte gedeckt seien. „Die Behörde hat sehr gut und professionell reagiert“, sagte ein Ministeriumsmitarbeiter.

Coliforme Keime und Escherichia coli können Darmkrankheiten auslösen. „Die wesentlichen Symptome sind Übelkeit, Erbrechen und Durchfall“, sagte Möckel. „Besonders gefährdet sind Menschen, die Medikamente einnehmen, die die Funktionen des Immunsystems vermindern, wie Cortison.“ Auch Zuckerkranke oder HIV- Infizierte seien gefährdet. Das Risiko, sich über das Trinkwasser anzustecken, sei hoch, „wenn man viel Leitungswasser in kurzer Zeit trinkt“, sagte Möckel. „Wer nur Leitungswasser trinkt, ist potenziell gefährdet“. Zudem seien die Erkrankten ansteckend: „Es reicht, wenn sich ein Erkrankter nach der Toilette nicht ordentlich die Hände wäscht. Der nächste greift an die Türklinke und isst danach einen Apfel, so überträgt sich der Keim. Die Inkubationszeit variiert von wenigen Stunden bis drei Tagen.“ Wer erkrankt sei, solle viel trinken – gesalzenen Tee oder eine Elektrolytlösung. Es gebe aber derzeit keine Hinweise von Erkrankten in dem Gebiet, so der Amtsarzt.

Zuletzt hatten die Stadtwerke im Jahr 2007 eine Warnung vor Coli-Bakterien herausgegeben. Damals war das Leitungswasser in Groß Glienicke über Tage hinweg verunreinigt. Derartige Fälle sind in Brandenburg und Berlin allerdings selten. In keinem Fall musste bisher eine Anlage außer Betrieb genommen werden. Nach dem jüngsten Dreijahresbericht des Bundesgesundheitsministeriums sind von 2005 bis 2007 in ein bis zwei Prozent der Überwachungsproben coliforme Bakterien festgestellt worden. Allerdings sind das auch die häufigsten Fälle von belastetem Trinkwasser. Laut Umweltbundesamt besteht durch das Auftreten coliformer Bakterien im Trinkwasser keine akute Gefahr – aber nur, wenn keine Escherichia coli gefunden werden, die Fäkalien anzeigen. In Potsdam aber ist genau dies geschehen. Deutschlandweit waren von 2005 bis 2007 weniger als 0,2 Prozent der Proben mit Escherichia coli belastet. In Brandenburg waren von 2008 bis 2010 fünf Proben auffällig.(mit tor)

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