Von Guido Berg: Wahl bis WM: Was 2010 Potsdam bringt Die Stadt kann ein dickes Millennium-Baby feiern und an ihre „Sternstunde der Menschheit“ erinnern

Das Jahr 2010 ist zwar nicht das „Jahr der Jubiläen“ wie 2009, als mehr oder weniger alles einrundete und nullte, was Rang und Namen hatte: Schiller, Darwin, Humboldt ... Doch auch dieses Jahr muss kein Korken in der Flasche bleiben, Anlässe zum Feiern gibt es ausreichend.

Zunächst einmal werden die Millennium-Babys zehn Jahre alt – Kinder, wie die Zeit vergeht. Dazu sind sicher auch die Potsdamer Stadtwerke zu rechnen, die 2010 zweistellig werden. Am 6. Oktober 2000 ist die Bildung der Stadtwerke notariell beurkundet worden. Welche Band von Weltrang für Potsdams dickes Millenniums-Baby ihre Gitarrenriffs durch den Lustgarten schmettern wird, ist bis dato unbekannt. Der 20. Jahrestag der Potsdamer Städtepartnerschaft mit Perugia könnte ein schöner Anlass für eine Italien-Reise sein. Wer als Potsdamer ein guter Verlierer ist, der lässt sich die Feierlichkeiten an der Ruhr nicht entgehen und besteigt im 175. Jubiläumsjahr der Deutschen Eisenbahn einen Zug nach Essen und fährt in die Kulturhauptstadt 2010.

Wer nicht verschmerzen kann, dass Potsdam nicht Kulturhauptstadt geworden ist, der tröste sich mit dem Gedanken, dass das wahrhaft wichtige Ereignis zumindestens des Sommers 2010 ohnehin nicht in Europa stattfindet – sondern in Südafrika. Vom 11. Juni bis zum 11. Juli ist die Welt aus Leder; in dieser Zeit dreht sich alles um die Fußballweltmeisterschaft. Wenn die deutsche Elf aufläuft, werden sicher viele Potsdamer mitfiebern. Um die Weltmeisterschaft gespielt wird im übrigen auch in Potsdam: Bei der Weltmeisterschaft der „Marching Show Bands“. Zwischen dem 25. Juli und dem 1. August 2010 werden bis zu 35 Orchester in der Stadt erwartet. Heißer Anwärter auf den Titel ist der Potsdamer Fanfarenzug, der seinen Heimspielvorteil sicher zu nutzen weiß. Sportlich hoch her geht es auch im Winter, wenn die Bob-Piloten um den Potsdamer Anschieber Kevin Kuske zur Winterolympiade in Vancouver in die Spur gehen.

Ein spannendes Jahr wird 2010 für das politische Potsdam: In 25 märkischen Kommunen wird ein neues Stadtoberhaupt gewählt, darunter in Beelitz und Werder. In Potsdam muss sich Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) den politischen Herausforderern stellen. Und auch das ist in der ehemaligen innerdeutschen Grenzstadt Potsdam ein ganz besonderes politisches Datum: Am 3. Oktober wird die deutsche Einheit 20 Jahre alt. Zentral gefeiert wird in Bremen, wo 28 Tage lang – die Mauer stand 28 Jahre – eine 3,40 Meter hohe Mauer aus Leinwänden den Marktplatz symbolisch teilt. Beste politische Geschichte wird in Potsdam geschrieben, wenn in diesem Jahr an der Schlossstraße 1 Baufreiheit geschaffen wird zum Bau der neuen jüdischen Synagoge.

Von den Großen der Geschichte, die 2010 Jubiläen feiern, haben die wenigsten eine direkte Beziehung zu Potsdam. Aber immerhin: Johann Sebastian Bach wurde vor 325 Jahren geboren – und er war auch Gast in Potsdam. Dabei findet im Mai 1747 nach Ansicht Stefan Zweigs in Potsdam eine der „Sternstunden der Menschheit“ statt. Preußenkönig Friedrich II. gab Bach ein musikalisches Thema vor und dieser schuf daraufhin das „Musikalische Opfer“, ein musikalisches Werk der Extreme. Die Potsdamer Bachtage ehren des Kapellmeisters 325. mit einem Konzert „Bach in Sanssouci“ am 20. März im Schlosstheater im Neuen Palais. Musikalisch ist aber 2010 nicht alles barock: Am 16. September steigt in der Schinkelhalle die „Electronic Boogie 2010“, vielleicht das Event der elektronischen Musik in Potsdam überhaupt.

Ein Großer ohne jede Frage ist auch Lew Tolstoi, dessen 100. Todestag am 20. November gedacht wird – in einer Zeit, in der die Menschheit immer noch um „Krieg und Frieden“ ringt. Ohne Frage wird Potsdam, Stadt der Alexandrowka wie der Literatur, den russischen Weltliteraten in vielerlei Hinsicht ehren.

2010 ist aber auch das Elvis-Presley-Jahr, das Frédéric-Chopin-Jahr und das Robert-Koch-Jahr. Es ist einem 1984 gedrehten Fortsetzungsfilm von Stanley Kubriks „2001: Odyssee im Weltraum“ zufolge außerdem „Das Jahr, in dem wir Kontakt aufnehmen“. Wir dürfen gespannt sein.