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Auf dem Schlachtfeld geboren. Bis 1919 war das DRK ausschließlich für den Sanitätsdienst zuständig. In der DDR (r.u.) herrschte Zentralismus, trotzdem baute das DRK Potsdam die Wasserwacht aus, die in den 60er-Jahren auf Schlauchbooten unterwegs war (großes Bild). Joachim Müller (r.o.) ist Präsident des Potsdamer DRK-Kreisverbandes

© J. Müller, S. Gabsch

150 Jahre DRK Kreisverband Potsdam/Zauch-Belzig: Vor allem sozial

Der DRK Kreisverband Potsdam/Zauch-Belzig feiert am Freitag sein 150-jähriges Bestehen. Seine Gründung verdankt er Augusta von Sachsen-Weimar Eisenach.

Von Sarah Kugler

Leise ist es in den Behindertenwerkstätten Potsdam. Und das, obwohl überall gearbeitet wird: Draußen harken Mitarbeiter Laub zusammen, drinnen wird geschraubt, gestapelt, sortiert. Etwa 200 Menschen mit Behinderung finden in der Babelsberger Einrichtung des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) Beschäftigung, sind sozial integriert. Besonders die soziale Komponente ist Joachim Müller wichtig. Er ist seit 50 Jahren beim Deutschen Roten Kreuz tätig, seit drei Jahren der Präsident des DRK-Kreisverbandes Potsdam/Zauch-Belzig e.V., in dessen Zuständigkeitsgebiet die Werkstätten fallen und der heute in Potsdam sein 150-jähriges Bestehen feiert.

„Zu verdanken haben wir das alles Augusta“, sagt Müller. Mit „alles“ meint er den Aspekt der sozialen Arbeit, dem das DRK sich verschrieben hat. Und mit Augusta ist Augusta von Sachsen-Weimar Eisenach gemeint, die Ehefrau von Kaiser Wilhelm I. Sie gründete im Jahr 1864 den Vaterländischen Frauenverein vom Roten Kreuz, der sich um verwundete und erkrankte Soldaten kümmerte. „Sie verabscheute Krieg“, sagt Joachim Müller. „Dafür hat sie sich sehr intensiv um die Waisen gekümmert.“ Auch ein Fundament, auf das der Kreisverband bis heute aufbaut: Am Stern betreibt es ein Kinderheim. Drei Jahre später, am 2. Oktober 1867, gründete sich dann der Potsdamer Zweigverein. Im deutsch-französischen Krieg folgten die ersten Einsätze der Frauen: Sie errichteten im Schlosspark Sanssouci ein Behelfslazarett. 1907 dann die Gründung der ersten Sanitätskolonne vom Roten Kreuz, die ausschließlich Männern die aktive Mitwirkung erlaubte. Bis einschließlich des Ersten Weltkrieges war das DRK ausschließlich für den Sanitätsdienst zuständig, wie Müller erklärt. „Erst ab 1919 gab es dann die Erweiterung auf Einsätze in Friedenszeiten“, sagt der 65-Jährige.

Die hielten allerdings bekannterweise nicht lange an und es begann die „unsägliche Zeit“, wie Müller sie nennt. Als die Nazis an die Macht kamen, begann ein Gleichschaltungskurs des DRK mit der SS. Das Präsidium saß in Potsdam, genauer gesagt in Griebnitzsee – im heutigen Universitätsgebäude. Ab Mitte der 1930er-Jahre waren fast alle Posten von SS-Männern besetzt. „Viele der Ärzte führten medizinische Versuche an Menschen durch“, sagt Müller. Auch die Einkleidung der Schwestern wurde hier durchgeführt. Es folgte eine kurze Einweisung, dann wurden sie in die Einsatzgebiete geschickt. Diese dunklere Periode des DRK hallt nach: Das Rote Kreuz wurde in den Nürnberger Prozessen als faschistischer Verein deklariert und verboten. Erst 1949 wurde es in der Bundesrepublik wieder zugelassen, in der DDR sogar erst drei Jahre später. Am 23. Oktober 1952 gründete sich das Rote Kreuz in Potsdam als Körperschaft des öffentlichen Rechts neu. An der Struktur änderte sich vorerst nicht viel, wie Müller sagt: „Letztendlich ging es hier dann weiter mit einer zentralistischen Leitung.“

Trotzdem hätten sich die einzelnen Bereiche gut entwickelt. Die Wasserwacht etwa sei sehr viel besser aufgestellt gewesen als im Westen. Im Hinblick auf die Erste-Hilfe-Ausbildung hatte das DRK in der DDR sogar eine Monopolstellung, weil es keine anderen Träger gab. „Nach der Wende begann dann der Wettbewerb“, so der Kreisverbands-Präsident. Viele gut ausgebildete Leute seien abgewandert. Mit der Wende kam aber auch endlich der eigene privatrechtliche Verein: Am 4. April 1990 erfolgte der Eintrag in das neue Potsdamer Vereinsregister. Bis zu diesem Zeitpunkt umfasste das Kreisverbandsgebiet ausschließlich die Landeshauptstadt Potsdam. 1990 trat der damalige Kreisverband Potsdam-Land dem Kreisverband bei, im September 1993 folgte die Fusion mit dem damaligen Kreisverband Belzig.

In Belzig ist heute auch der Hauptsitz des Vereins, Müller plant aber wieder eine stärkere Fokussierung auf Potsdam, wie er sagt. „Hier herrschen natürlich größere Wettbewerbsbedingungen, aber wir wollen in verschiedene Bereiche wie etwa die Tagespflege wieder stärker investieren.“ Schon jetzt ist der Kreisverband vielfältig aufgestellt: Neben den Behindertenwerkstätten ist er für die Fahr- und Rettungsdienste sowie die ambulante Pflege zuständig. In Potsdam sind laut Müller vor allem die Wasserwacht sowie der Bereitschafts- und Sanitätsdienst präsent. Besonders stolz hebt er die vielen Ehrenamtler – 181 waren es 2016 – hervor, die in den verschiedenen Einrichtungen arbeiten. Für sie wünscht er sich mehr Anerkennung. Schließlich seien sie eine der wesentlichen Säulen der DRK-Arbeit. Ohne sie wäre etwa die Arbeit in der ehemaligen Flüchtlings-Erstaufnahmestelle in der Heinrich-Mann-Allee nicht möglich gewesen. Ein großes Projekt für die nächste Zeit ist der Neubau des Kinderheims Am Stern. Modern soll es werden, mit Einzelzimmern und freundlicher Architektur. Leise wird es dort allerdings wohl nicht zugehen.

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