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Weihnachtsbotschafter. Gisbert Näther, Hornist und Komponist, und Bernhard Bosecker, Trompeter, (v.l.) sind zwei der fünf Potsdamer Turmbläser. Seit mehr als 20 Jahren spielen sie im Advent klassische weihnachtliche Musik für die Potsdamer.

© Andreas Klaer/promo

Landeshauptstadt: Vom Himmel hoch

Die Auftritte der Potsdamer Turmbläser im Café Heider sind eine feste Adventstradition. Das Spielen auf Türmen begann im Mittelalter. Damals ging es auch um Brandschutz

Turmbläser war ein gefährlicher Job. Und ein einsamer. Er lebte alleine im Zimmerchen eines Kirchturms oder der Stadtmauer. Das Essen wurde ihm gebracht, in einem Korb zum Heraufziehen. Oben, Wind und Wetter ausgesetzt, hatte er, bevor es flächendeckend Kirchturmuhren gab, stündlich Signal zu geben. Und vor allem immer nach Feinden Ausschau zu halten. Oder einer Feuersbrunst. Dann musste Signal geblasen werden. Ein Wächter, der das verschlief, weil er vielleicht zu viel getrunken hatte gegen die Einsamkeit, der wurde hart bestraft. „Meist sogar geköpft“, sagt Bernhard Bosecker.

Glück für ihn, dass diese Zeiten längst vorbei sind. Bosecker ist einer der fünf Potsdamer Turmbläser. Vor Feuersbrünsten müssen sie nicht mehr warnen. Die fünf Blechbläser, die im kommenden Jahr ihr 40-jähriges Bestehen feiern, machen Musik zur Unterhaltung, der Musik wegen. Neben Bosecker, Trompete und Leitung, ist Gisberth Näther, der Horn spielt, dabei, Dieter Bethke an der Posaune, Tilmann Henning spielt Tuba, Jan Birkner Trompete und Flügelhorn.

Ihre historischen Kollegen spielten anfangs noch auf Tierhörnern, erzählt Bosecker, weil die Trompeten mit dem edlen Klang dem Adel vorbehalten waren. Die Hansestädte waren die ersten, die vom Adel eine teure Lizenz für die Benutzung von Fanfaren und Trompeten erkauften. Die Turmbläser wurden bald Stadtpfeifer genannt, hatten eine eigene Zunft und spielten immer öfter gemeinsam, bei festlichen Anlässen, zur Eröffnung von Messen und Festtagen. Immer vorausgesetzt, eine Erlaubnis vom König lag vor, sonst wurden empfindliche Strafen verhängt. Immer mehr Komponisten schrieben jetzt auch spezielle Turmbläser-Musik.

In Potsdam habe es jedoch kaum bürgerliche Musikkapellen gegeben. Nur die königliche Hofkapelle, die zu besonderen Anlässen auftrat, freilich meist mit Militärmusik. Als sich 1978 die fünf Musiker, die sich aus dem Defa-Filmorchester und dem Orchester des Hans Otto Theaters kannten, zusammentaten, waren sie schnell gefragt, auch wenn es in Potsdam kaum Türme gab, die sich als Spielorte eigneten. Aber man konnte genauso gut zu ebener Erde spielen. Längst sind die Turmbläser über Potsdam hinaus bekannt.

Und doch gibt es Termine, die ihnen besonders am Herzen liegen. Dazu zählen die Auftritte an den Adventssonntagen auf dem Balkon des Café Heider – seit mehr als 20 Jahren. Zunächst im Auftrag des Berliner Vorstadtvereins, dann auf Bestellung des Café Heider. Diese eine Stunde klassischer adventlicher Bläsermusik am Rande des Weihnachtsmarkttrubels gehört für viele Potsdamer unbedingt in die Adventszeit. Es ist auch ein Touristenmagnet: Viele Reiseveranstalter planen die Konzerte in ihre Touren als festen Bestandteil ein.

Das weiß auch René Dost, der 2016 das Café Heider übernahm. Die Turmbläser sollen weiterhin jeden Adventssonntag bei ihm auftreten. Neu ist, dass sie nicht bereits um 17 Uhr sondern erst um 19 Uhr spielen sollen. „Die Resonanz ist am Nachmittag nicht so gut, dann sind viele noch auf dem Weihnachtsmarkt“, sagt Dost. Die Turmbläser sehen die Zeitverschiebung mit etwas Besorgnis. Gerade für Weihnachtsmarktbesucher und Familien mit kleineren Kinder sei die Nachmittagszeit gut geeignet gewesen. „Das Platz war immer rappelvoll“, sagt Bosecker. Man sei gespannt, wie es weitergeht, ob das Publikum die neue Zeit annimmt. Am Café Heider soll es jedenfalls wie immer Glühwein geben, sagt Dost, und dazu eine Scheibe Christstollen vom Haus.

Weil in diesem Jahr vierter Advent und Heiligabend auf einen Tag fallen, soll auch an diesem Sonntag die Turmmusik stattfinden, ebenfalls um 19 Uhr. „Als Alternative zum Kirchgang oder für einsame Herzen“, sagt Heider-Betreiber Dost. Das Café hat bis Mitternacht geöffnet, der Bedarf ist da, es gebe schon viele Reservierungen.

Die Turmbläser sind es gewöhnt, auch an Festtagen, zu Weihnachten und zwischen den Jahren, zu arbeiten, sagt Bosecker. Sie tun es gerne. „Die Menschen wünschen sich wieder die traditionelle, klassische Weihnachtsmusik, auch wenn viele nicht mehr zwischen Advents- und Weihnachtsliedern und Kirchenchorälen unterscheiden können“, sagt Näther. Umso wichtiger sei ihre Mission. Etwa 100 Lieder haben sie im Repertoire, überwiegend deutsche und europäische Stücke. Es freut sie sehr, wenn sie dann sehen, wie im Publikum Großeltern mit ihren Enkeln zuhören und mitsingen. „Manchmal verteilen wir auch Textzettel“, sagt Näther, „weil viele nur noch die erste Strophe können.“ Auf Wunsch und wenn die Stimmung im Publikum es nahelegt, spielen sie auch amerikanische Weihnachtsmusik, Jazz oder Swing, sagt Näther. „Aber ,Stille Nacht’ mit Pop-Touch – das geht gar nicht.“

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