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Landeshauptstadt: Vokabeln in den Babybrei gemischt

Kita „BussiBär“ in Babelsberg hat seit vier Jahren eine zweisprachige Gruppe: Sprechen, Singen, Spielen in Deutsch und Englisch

Kita „BussiBär“ in Babelsberg hat seit vier Jahren eine zweisprachige Gruppe: Sprechen, Singen, Spielen in Deutsch und Englisch Von Nicola Klusemann Bunt beklebte „Rabbits“ und „Eggs“ aus Pappe hängen an dünnen Fäden von der Decke. Fast jedes Kind in der Kita BussiBär weiß, dass das auf Deutsch Hasen und Eier heißt. In der zweisprachigen Gruppe der Babelsberger Einrichtung werden die englischen Vokabeln quasi unter den Babybrei gemischt und bereits den Kleinsten eingeflößt. „Toni, take a cup“, bittet die Erzieherin Karin Häcker. Das knapp ein Jahr alte Kind steuert mit unsicherem Schritt den flachen Schrank an, dessen Schubfächer mit Kunststoff-Geschirr halb offen stehen. Der kleine Kerl greift eine der roten Tassen und trägt sie zum Tisch herüber. Tonis Muttersprache ist Deutsch, Englisch seine Zweitsprache. „Säuglinge nehmen die Fremdsprache mit Leichtigkeit auf“, hat die ausgebildete Russisch- und Englisch-Lehrerin erfahren. Die enorme Wissbegierde der Neugeborenen mache das Lernen kinderleicht. Der Spracherwerb sei erst in den späteren Lebensjahren mit hartem Büffeln verbunden, weiß Karen Häcker. Die zweifache Mutter bedauert, dass sie ihre eigenen Kinder nicht mehrsprachig erzogen hat. Damals habe sie sich nicht getraut, auch aus Angst die Kleinen zu überfordern. Heute spreche sie zum Beispiel schon beim Wickeln mit ihren Schützlingen schönstes Oxford-Englisch – so hat sie es gelernt. Die einfachsten Vokabeln hat die Deutsche selbstverständlich im Kopf. Fehle ihr doch mal ein Wort, habe sie zur Sicherheit immer ein Wörterbuch dabei. Sie spricht, spielt, singt den ganzen Tag englisch. Ihre Kollegin ist für den deutschsprachigen Part zuständig. Auf diese Weise folgt jedem fremdsprachigen Satz gleich die deutsche Übersetzung In den Ferien gehen Wörter verloren Die Idee, eine zweisprachige Gruppe zu gründen, geschah auf Anregung eines Vaters, der seine große Liebe zum Englischen an seine und andere Kinder weiter geben wollte. Gestartet wurde vor vier Jahren mit einem Dutzend Kinder. Von den insgesamt 70 Kindergartenkindern der Einrichtung in Trägerschaft des AWO-Kreisverbandes sind mittlerweile 25 in der Sprachgruppe. Die meisten haben deutsche Eltern, nur ein paar kommen aus den Vereinigten Staaten von Amerika, England oder Indien. Gleich nach den Osterferien merke man, dass in der Sprachtraining freien Zeit einige Wörter verloren gegangen seien, bedauert die Kindergärtnerin. Wichtig für ein gutes Sprachgefühl wäre es, wenn zu Hause auch Englisch gesprochen werde, wünscht sich Karen Häcker. Verlangen könne man das von den Eltern natürlich nicht. Geflüsterte Fehler sind keine Spielzeit für die Kleinen, Beschäftigung für die Großen. Konzentriert sitzen die Fünf- bis Sechsjährigen am Tisch, in den ausgewaschenen Margarinedosen vor ihnen befinden sich Stäbchen in verschiedenen Farben und Längen. Auf Englisch fordert die Erzieherin die Kinder auf, alle grünen Stäbe herauszusortieren, dann zu zählen. „Louder, Svenja.“ Das Mädchen haucht die englischen Zahlen. Je leiser sie spricht, um so kleiner ist die hörbare Fehlerquote. Geflüsterte Fehler sind keine. Ihre Nachbarin Jule hingegen posaunt die englische Zahlenreihe nur so heraus. Kunststück – ihre Eltern sind US–Amerikaner. Der sechsjährige Robert hat sich darauf spezialisiert, die in der fremden Sprache gestellten Fragen auf Deutsch zu beantworten. „Das geht uns selbst beim Spracherwerb ähnlich“, hat die Kita-Erzieherin Verständnis. Am Anfang verstehe man mehr, als man sagen könne. Mit dem Zählen klappt es aber bei dem Jungen gut – sowohl in Englisch als auch auf Deutsch schafft er es mühelos bis zur Zwölf. Neben der Sprache werde den Kindern selbstverständlich auch das gängige Vorschulwissen vermittelt wie das Lesen der Uhr, Farben, Tiernamen, Körperteile und auch geometrische Figuren. „What is that“, hält die Kindergärtnerin eine Pappe nach oben. „Ein roter Kreis“, antwortet Robert ganz richtig. „In English“, fordert ihn Karen Häcker auf. Die anderen Vorschulkinder überlegen mit. Keinem will das verflixte Wort einfallen. Dann versucht die Erzieherin es anders. Sie schildert, dass sie zum gemeinsamen Lied singen immer alle auffordere, einen – dann lässt sie eine Kunstpause – zu bilden. „Circle“, entfährt es dem Sechsjährigen. Dafür bekommt Robert ein dickes Lob. Keine Fortsetzung in der Schule Genug gepaukt. Jetzt dürfen auch die älteren Sprachtalente zum Toben nach draußen in den Garten. Die Kita BussiBär in der Karl-Marx-Straße liegt direkt am Ufer vom Griebnitzsee. Karen Häcker, die nach ihrer Ausbildung als Lehrerin auf Kita-Erziehung umsattelte und schließlich im Zuge der großen Entlassungswelle von Kindergärtnerinnen Mitte der 90er Jahre auf der Straße stand, ist dankbar für die BussiBär-Idee. Mit ihrer Sprachausbildung brachte sie die besten Voraussetzungen für die ausgeschriebene Stelle mit. Aus England hat sie sich dann zusätzlich Literatur geordert, um zu erfahren, wie man die ganz Kleinen in einer Sprache unterrichtet. Es geschieht vor allem spielerisch. Die AWO-Kindertagesstätte ist ihres Wissens nach die einzige in der Landeshauptstadt, die zweisprachige Erziehung anbiete. Zumindest in dieser Konsequenz. Es gebe wohl vereinzelt Englisch-Stunden in Kindergärten, wo vor allem gesungen werde und ein paar Wörter vermittelt würden. Das aufwändige BussiBär-Projekt sei aber einzigartig. Um so mehr bedauert die Kindergärtnerin, dass ihre Arbeit keine so rechte Fortsetzung erfahre. Sie wünscht sich regulären Englisch-Unterricht an Grundschulen ab der 1. Klasse. Tatsächlich gebe es – wenn überhaupt – nur Fremdsprachen-AGs am Nachmittag. Zu wenig, um die erworbenen Englisch-Kenntnisse zu erhalten.

Nicola Klusemann

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