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Unterwegs mit einem Vogelexperten: Vogelwanderung im Park Babelsberg: Warnung vor dem Erpel

Der Enterich ist der einzige Vogel mit Penis – aber das was nur ein Detail, worüber Vogelexperte und Umweltschützer Ernst Paul Dörfler bei einer Wanderung durch den Park Babelsberg berichtet hat.

Von Sarah Kugler

Potsdam - Es klingt alles so romantisch: Der Erpel legt sein Verlobungskleid an, wirbt um seine Damenente, dann folgt die Verlobungszeit. Dabei wirbt der Entenherr um seine Auserkorene, umgarnt sie, das Paar lernt sich kennen. Ganz sanft, ganz vorsichtig. Doch der Schein trügt. Hinter dem vermeintlichen Romantiker steckt nämlich ein ziemlich gewalttätiger Vogel. Das verriet Umweltschützer und Vogelexperte Ernst Paul Dörfler am Montagabend während einer Vogelwanderung durch den Park Babelsberg. Initiiert wurde die Veranstaltung vom Landesverband der Grünen. Dabei lag der Schwerpunkt eigentlich auf dem Thema „Klimaflüchtlinge und Dableiber“ – Vogelzug und Klimawandel. Doch Vögel zeigen sich eben nicht nach speziellen Vorgaben und so schlug Dörfler immer wieder auch einen Bogen zu Themen, die sich während der Wanderung ergaben.

Beispielsweise zum Paarungsverhalten von Enten. Die schwimmen zurzeit bereits in Paaren auf dem Tiefen See. Noch sind Männchen und Weibchen kaum zu unterscheiden, doch das ändert sich in den nächsten Wochen, wie Dörfler erzählt. „Der Erpel legt jetzt langsam sein Verlobungskleid an“, so der 67-jährige Naturschützer, dessen Buch „Liebeslust und Ehefrust der Vögel“ im Jahr 2013 erschien. „Nach und nach bekommt er grüne Federn am Kopf und bunte Abzeichen an den Flügeln.“ Ein halbes Jahr sind Entenpaare verlobt – eine Testphase für die Partner. Die eigentliche Ehe dauert dann allerdings nur einen Monat. Sind die Eier gelegt, schickt die Ente den Mann wieder fort. „Sie braucht den Erpel dafür nicht“, so Dörfler. Der wäre mit seinem bunten Federkleid viel zu auffällig beim Brüten. Allerdings ist er auch nach der Paarung immer noch voller Testosteron und geht deswegen weiter auf Weibchenjagd. Wie der Vogelexperte erzählt, rotten sich die Erpel zusammen, vergewaltigen nicht brütende Enten und treiben sie bis zur Erschöpfung über das Wasser. „Der Erpel ist der einzige Vogel, der vergewaltigen kann, da er einen Penis besitzt“, erklärt Dörfler. Bei allen anderen Vogelarten könne Sex nie ohne das Einverständnis des Weibchens stattfinden, da das Sperma lediglich von der männlichen Körperöffnung in die weibliche übertragen wird. „Sie müssen sich das wie zwei Schlauchenden vorstellen, die man aneinanderhält“, so der Vogelbuchautor. Dabei müssen beide Partner still halten, sonst klappt die Befruchtung nicht. Warum ausgerechnet der Erpel als einziger mit einem Penis ausgestattet ist, sei nicht bekannt.

Der Erpel ist nicht so harmlos wie er aussieht

Auch sonst wird Monogamie nicht bei allen Vögeln großgeschrieben, wie Dörfler erklärt. „Krähen gehen Ehen für immer ein, aber Singvögel sind nur soziale Monogamisten“, sagt er. Das heißt, sie brüten zusammen und ziehen die Jungen gemeinsam auf. Tatsache sei aber, dass die Eier eines Weibchens meist von zwei bis drei Vätern stammen. „Das ist sehr clever von ihr, denn so erreicht sie eine größere genetische Vielfalt.“ Das sichere wiederum eine größere Überlebensquote der Nachkommen – etwa bei klimatischen Veränderungen. Denen könnten sich Vögel langfristig zwar problemloser anpassen als der Mensch – ohne Auswirkungen bleiben sie aber für die Tiere nicht. Viele Kurzstreckenzieher, also Vögel, deren Winterquartiere selten weiter als 2000 Kilometer vom Brutgebiet entfernt liegen, bleiben wegen der milden Winter zunehmend in der Region. „Das Fliegen kostet Energie, jeder zweite Vogel kommt von seiner Reise nicht zurück“, so Dörfler. „Das Bleiben ist also ressourcensparend.“ Andere Vogelarten hingegen, die sonst in wärmeren Klimagebieten lebten, sind inzwischen auch nach Brandenburg gesiedelt. Etwa der Seiden- oder Silberreiher. Seit fast 20 Jahren wohnt Letzterer schon hier, den heimischen Graureiher – just in diesem Moment segelt ein Exemplar vorbei – habe aber keine der Arten verdrängt. Andere Vögel wie der Weißstorch wandern wegen des Klimas und des dadurch verursachten Schwundes von Tümpeln allerdings aus. Laut Dörfler wird es Ende des Jahrhunderts in Brandenburg keine mehr geben. Die Potsdamer Parks seien dabei mit ihren Gewässern, den Wiesen und immer blühenden Pflanzen immer noch eine Oase für Vögel – und Insekten. Deren starker Rückgang – vor allem durch das Einsetzen von Pestiziden – führe auch zu Vogelschwund. „Jungvögel brauchen Insekten, künstliches Futter können sie nicht verdauen, sie verhungern damit“, so Dörfler. In den letzten 30 Jahren habe sich die Anzahl der Vögel in Deutschland um die Hälfte reduziert.

Dann strahlt er plötzlich. Er hat „die Sensation des Tages“ entdeckt, wie er sagt: Auf einer Eibe im Babelsberger Park sitzt ein Kernbeißer, ein kleiner Vogel, der mit seinem Schnabel einen Druck von 50 Kilogramm ausüben kann. „Das ist der erste, den ich dieses Jahr sehe“, sagt der Naturschützer. Es ist also doch nicht alle Romantik verloren.

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