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Von Henri Kramer: Villa Wildwuchs bleibt besetzt

Erste neue Hausbesetzung seit Jahren / Jann Jakobs will Gespräch mit linksalternativer Szene suchen

Babelsberg - Potsdam hat am Wochenende die erste wilde Hausbesetzung seit Jahren erlebt. Bereits am Freitag drangen dutzende junge Potsdamer in die so genannte Villa Wildwuchs im Babelsberger Park ein. Dies berichteten Teilnehmer kurz darauf den PNN. Die Aktion stand unter dem Motto „Wir können auch anders“. Noch am gestrigen Abend waren junge Leute in dem Haus neben der Humboldtbrücke. Strom und Wasser in dem Gebäude sind wieder vorhanden, an den Zäunen des Gartens hängen große bunte Transparente.

Die Besetzung dürfte der Debatte um fehlende Räume für alternative Jugendkultur neuen Schwung verleihen. Vergangenen Mittwoch war dem Hauptausschuss einen Variantenvergleich für mögliche neue Domizile des Jugendhauses Spartacus vorgelegt worden. Dabei kündigte die Verwaltung zwar an, bald eine Lösung für den Jugendclub S13 zu präsentieren. Für die alternativen Jugendkulturangebote des Spartacus e.V. jedoch gäbe es nur die Möglichkeit, das soziokulturelle Zentrum in der Schiffbauergasse zu nutzen. Das jedoch lehnen die Spartacus-Szene, Die Andere und Die Linke entschieden ab, weil sie eine Verdrängung von Jugendkultur aus der Innenstadt befürchten.

Vor diesem Hintergrund steht die Besetzung der Villa. Stadtjugendring-Chef Dirk Harder, der zeitweise vor Ort war, sagte den PNN: „Solcher symbolische Protest ist verständlich, wenn Jugendliche keine Lösung für ein Problem absehen können.“ Die Besetzer stammen aus der linksalternativen Szene der Landeshauptstadt, mit dabei war unter anderem der frühere Spartacus-Geschäftsführer Achim Trautvetter. Auf Flyern forderten sie den Erhalt linksalternative Häuser wie dem „Archiv“ in der Leipziger Straße. Ebenso warfen die jungen Potsdamer der Verwaltung vor, zwar Geld für „Prestige- und Größenwahnprojekte“ auszugeben, aber nicht „unkommerzielle, vielfältige Kultur“. Dies sei auch bei der Villa Wildwuchs zu sehen: Das Haus am Ufer der Havel hatten bis zu Beginn des Jahres die Potsdamer Straßensozialarbeiter genutzt, jedoch hatte sich das Diakonische Werk als Träger zum Umzug entschlossen: Das Gebäude gilt als marode. Im November lehnte der Jugendhilfeausschuss die langfristige Sicherung des Objekts einstimmig ab. Für die Sanierung – unter anderem ist das Dach undicht – hatte der Kommunale Immobilien Service 200 000 Euro veranschlagt. Seit dem Auszug der Streetworker steht das Haus leer. Während der Besetzung waren zum Teil bis zu 200 Menschen vor Ort, von Samstag zu Sonntag fanden mehrere Konzerte statt, im Garten des Hauses brannte ein Lagerfeuer.

Inzwischen ist auch die Stadtverwaltung von der Besetzung informiert. Oberbürgermeister Jann Jakobs sagte gestern den PNN, er habe die Polizei zunächst angewiesen, das Haus nicht zu räumen: „Wir werden zunächst mit den Leuten das Gespräch suchen.“ Eine weitere Nutzung des Gebäudes schloss er nicht aus: Man wolle zunächst den baulichen Zustand der Villa Wildwuchs noch einmal untersuchen.

Eigentlich sollte das Haus abgerissen werden. Das Gelände gehört der Schlösserstiftung, über Pläne dafür ist bislang nichts bekannt.

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