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In die Ecke, Besen. Ab jetzt macht Brigitte Pöggel nur Urlaubsvertretung.

© A. Klaer

Landeshauptstadt: Unsichtbarer guter Geist

Brigitte Pöggel geht mit 77 Jahren in den Ruhestand Zuletzt hat sie in der Redaktion der PNN geputzt

Brigitte Pöggel ist aufgeregt. Ausgerechnet am Freitag ließ der Chef seine Bankkarte auf dem Schreibtisch liegen. „Ich hab sie weggeräumt, aber so, dass er sie finden konnte“, sagt die 77-Jährige. Und er hat sie gefunden, Frau Pöggel ist beruhigt. Das musste noch geklärt werden.

Am heutigen Freitag ist ihr letzter Arbeitstag.16 Jahre lang hat Brigitte Pöggel in den Redaktionsräumen der Potsdamer Neuesten Nachrichten für Sauberkeit gesorgt. Fünfmal in der Woche nahm sie morgens den ersten Bus rein in die Innenstadt, lief um halb fünf über den einsamen Platz der Einheit. „Angst hatte ich nicht, nur ein bisschen komisch war mir manchmal, wenn die Betrunkenen da mit ihren Bierbüchsen und so –“, sagt die kleine Frau. Und einmal schloss sie die Tür zur Redaktion auf und sah sofort, dass eingebrochen worden war, überall lag Kleingeld verstreut auf dem Boden. Seitdem achtete sie noch mehr darauf, dass alle Türen ordnungsgemäß verschlossen waren.

„Ich war gern hier“, sagt sie, „16 schöne Jahre“. Zwei Großraumbüros, kleine Büros, Teeküche, Toiletten, alles brachte sie auf Vordermann. „Am schlimmsten sind die langen Flure“, sagt sie, „wenn man da was vergessen hat, rennt man hin und her“. Ihre Routine begann mit dem Anstellen der Spülmaschine, wobei der Chef seine eigene Müslischüssel beiseite gestellt bekam. Das hat sie ihrer Nachfolgerin schon erklärt. „Denn der kommt manchmal später und da ist dann kein Geschirr mehr da.“

Ein unsichtbarer guter Geist, den nur wenige zu Gesicht bekamen. Ganz sicher war es Pöggel, die am Ende mehr wusste über die, die in den Büros arbeiten, als umgekehrt. Wer welchen Tee trank oder lieber Flaschengetränke, wer Obst aß oder lieber Süßes. Und wenn sich zu viele Kaffeetassen auf einem Schreibtisch stapelten, konnte sie sich durchaus etwas ärgern. „Aber wenn die sich so wohlfühlen...“, dachte sie immer, auch angesichts manch hoher angestaubter Papierberge. „Ist ja kein Problem, hab ich eben einen Tisch weniger abgewischt“, sagte sie sich pragmatisch. Denn wegwerfen, das war ihr klar, durfte sie natürlich nichts. Sie habe sich ja nicht mal eine einzige Zeitung genommen in all den Jahren: „Die sind doch bestimmt alle abgezählt.“

Gearbeitet hat Pöggel seit ihrem 14. Lebensjahr. Damals begann sie eine Ausbildung zur Verkäuferin im Konsum-Warenhaus. Später war sie im Bergbau angestellt, arbeitete 15 Jahre in einer Brikettfabrik. In den letzten Jahren hat sie nach dem Putzen stets erstmal zu Hause gefrühstückt und ist um neun Uhr morgens ins Bett gegangen. Jetzt ist mit dem Arbeiten Schluss. Ob sie sich auf einen normalen Schlafrhythmus freut, weil sie nicht mehr nachts raus muss? „Mal sehen. So weit hab ich noch nicht gedacht.“ spy

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