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Weniger ist mehr. Bereits kleinste Mengen Alkohol haben die Ernährungsforscher aus Rehbrücke in Verdacht, an der Krebsentstehung beteiligt zu sein.

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Eine neue Studie zeigt ein erhöhtes Krebsrisiko durch Alkohol. Ernährungsforscher empfehlen Verzicht

Nicht allzu lange ist es her, dass die Mediziner eine überraschende Empfehlung aussprachen: Moderater Alkoholkonsum sei nicht nur gesund, sondern sogar besser, als gar keinen Alkohol zu trinken. Mal waren es die Phenole und Flavonoide im Rotwein, mal der Alkohol selbst, der sich positiv auf Herzgefäßerkrankungen auswirken sollte. So schmeckte das Feierabendbier gleich noch besser. Doch damit dürfte nun Schluss sein. Denn Potsdamer Ernährungsforscher haben herausgefunden, dass Alkoholkonsum signifikant mit einem erhöhten Risiko für bestimmte Krebserkrankungen zusammenhängt.

Nach Ergebnissen der europaweit vorgenommenen Studie unter Beteiligung des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung in Bergholz-Rehbrücke (DIfE) steigert schon das tägliche Glas Wein oder Bier das Krebsrisiko deutlich. Dies betreffe das Risiko für Krebserkrankungen der Leber, der Brust, des Darms sowie in Mund-, Rachen-, und Speiseröhre. Ein Großteil der Erkrankungsfälle sei auf einen übermäßigen Konsum zurückzuführen. Die Wissenschaftler haben nun ihre Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe des British Medical Journal veröffentlicht.

„Schon die kleinsten Mengen Alkohol können bei regelmäßigem Konsum zu Krebserkrankungen führen“, sagte Madlen Schütze, Erstautorin der Studie und Epidemiologin am DIfE den PNN. In Deutschland würden nach Ergebnissen der Studie jährlich 22 388 Krebsneuerkrankungen bei Männern und 6561 bei Frauen auf den Konsum von Alkohol zurückzuführen sein. „Dabei ist ein Großteil der Krebsfälle durch einen täglichen Konsum von über zwei Gläsern bei Männern und über einem Glas bei Frauen bedingt“, so Schütze. Dass in der Forschung nach wie vor ein positiver Effekt des Alkohols bei Herz- Kreislauferkrankungen diskutiert wird, sieht Schütze kritisch: „So hält sich der hartnäckige Glaube des gesundheitsfördernden Effekts des täglichen Glas Weins“. Dem hingegen hätten auch hier einige Studien gezeigt, dass bei hohem Konsum – mehr als zwei Gläser pro Tag bei Männern und ein Glas pro Tag bei Frauen – eine gesundheitsschädliche Wirkung zu beobachten ist. „Unterm Strich ist Alkohol immer schädlicher, als dass er schützend wirkt“, so die Ernährungsforscherin. Auf das Krebsrisiko bezogen empfiehlt Schütze gar ganz auf Alkohol zu verzichten. Jede Alkoholmenge erhöhe das Krebsrisiko, warnt sie.

Auch eine gesundheitsförderliche Wirkung von Alkohol bei Krebs, die immer mal wieder postuliert wird, schließt Madlen Schütze aus. Selbst schützende Effekte der Antioxidantien, etwa im Rotwein, würden ganz klar durch den Alkohol wieder zunichte gemacht. „Das sollte man besser mit Traubensaft machen“, so die Forscherin. Grund für die Giftigkeit des Alkohols ist, dass er im menschlichem Stoffwechsel beim Abbau in der Leber zu einem sehr schädlichen Zwischenprodukt führt: Acetaldehyd. Der Stoff gelangt über den Blutkreislauf an sehr unterschiedliche Stellen des Körpers, wo er schädigend wirken kann. Zusammen mit Zigarettenrauch steigere sich die krebserregende Wirkung sogar noch, da der Alkohol die schädlichen Stoffe aus dem Zigarettenrauch löse.

Die negative Wirkung des Alkohols werde auch nicht dadurch aufgehoben, dass Wasser dazu getrunken wird. Auch wenn der Alkohol zum Essen getrunken wird, sei er nicht weniger schädlich. Zwar gebe es Studien, die zu dem Schluss kommen, dass Alkohol zum Essen besser sei. Allerdings beruhe dieser Effekt darauf, dass im Rahmen eines Essens meist weniger Alkohol getrunken werde.

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hält zurzeit für gesunde Frauen beziehungsweise Männer immerhin eine tägliche Aufnahme von nicht mehr als zehn beziehungsweise 20 Gramm Alkohol pro Tag für akzeptabel. Eine Menge von 20 Gramm Alkohol ist beispielsweise enthalten in einem halben Liter Bier, einem Viertelliter Wein oder 0,06 Liter Weinbrand. Die Ernährungsforscher betonen allerdings, dass diese Angabe nicht als Empfehlung verstanden werden dürfe, jeden Tag Alkohol zu trinken. Wie gesagt, sie halten jedes Glas für zu viel.

„Nach unseren Ergebnissen wären bereits sehr viele Krebsfälle vermeidbar, wenn die Empfehlungen der Gesundheitsorganisationen berücksichtigt würden“, sagte Madlen Schütze. „Unsere Resultate betonen damit, wie wichtig es ist, die aktuellen Maßnahmen zur Verringerung des Alkoholkonsums in Europa und Deutschland noch weiter zu verstärken“, ergänzte Manuela Bergmann, die im Rahmen eines an die EPIC-Studie angeschlossenen europäischen Projekts eine Arbeitsgruppe leitete, die sich mit den Gesundheitsfolgen des Alkoholkonsums befasste.

Der Alkoholkonsum ist für etwa einen von zehn Krebsfällen bei Männern und einen von 33 Krebsfällen bei Frauen verantwortlich. Dieses Ergebnis basiert zum Großteil auf den Daten von 363 988 männlichen und weiblichen EPIC-Studienteilnehmern aus Dänemark, Frankreich, Griechenland, Deutschland, Italien, den Niederlanden, Spanien und Großbritannien. „Wir konnten zeigen, dass durch den hohen Alkoholverzehr in Europa, auch in Deutschland, ein Großteil – mehr als die Hälfte – der alkoholbedingten Krebsfälle durch einen Konsum über den empfohlenen Obergrenzen zustande kommt“, fasst die Epidemiologin Schütze zusammen.

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