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Die Saisoneröffnung des Fanfarenzug in 2019.

© Andreas Klaer

Saisoneröffnung des Potsdamer Fanfarenzugs: Trompeten und trommeln vor dem Computer

Der Potsdamer Fanfarenzug hat sich in Corona-Zeiten neue Formate erschlossen. Zum 60-jährigen Vereinsjubiläum ist ein Wettbewerb geplant und der Verein sucht dringend Nachwuchs. 

Von Birte Förster

Potsdam - In Nullkommanichts, wie von Zauberhand, steht eine Spielerin plötzlich in weißer Uniform da. Mit der Fanfare in der Hand, bereit zum Musizieren. Vor gerade einmal einer Sekunde hatte sie noch ihre gewöhnliche Alltagskleidung getragen. Dann nimmt sie eine weitere Uniform in die Hand, wirft sie scheinbar ins Nichts – und schon erlebt an einem anderen Ort ein anderer Spieler eine ähnliche Verwandlung. Das alles ist natürlich nur digital möglich und in einem Youtube-Video des Potsdamer Fanfarenzugs zu sehen. Die Not durch die Coronakrise hat die Mitglieder des Fanfarenzugs erfinderisch gemacht. 


Da die Saisoneröffnung Anfang Mai nicht wie gewohnt stattfinden konnte, haben sich die Mitglieder des Fanfarenzugs etwas Neues einfallen lassen. Eigentlich wollte die Truppe vom Bassinplatz aus durch die Brandenburger Straße marschieren. Nun musste jeder für sich zu Hause die Saisoneröffnung zelebrieren – und doch wurde es zu einem gemeinschaftlichen Erlebnis: Jedes Mitglied drehte zu Hause ein kurzes Video, am Ende wurden die einzelnen Szenen zusammengefügt. Der Wurf der Uniform leitet darin jeweils zum nächsten Spieler über. So geht es weiter, bis alle über 80 Musiker des Fanfarenzugs eingekleidet sind und ihr Instrument in den Händen halten. Das digitale Ereignis kam gut an. Knapp 1400 Mal wurde das Youtube-Video bislang aufgerufen. „Das freut uns total“, sagt Anja Knüpfer, die musikalische Leiterin des Fanfarenzugs. 

Geübt wurde erst vor dem Bildschirm, später in kleinen Gruppen draußen

Wochenlang konnte die Truppe während des Lockdowns nicht in ihren gewohnten Stätten im Treffpunkt Freizeit und im Sportpark Luftschiffhafen trainieren. Eine geplante Irlandreise zum Musikfestival und Wettbewerb Celtic Horizon Open konnte nicht stattfinden. Digital ging es trotzdem weiter. Neben dem Video zur Saisoneröffnung wurden Übungsvideos für Bläser, Trommler und die Schrittreihenfolge aufgenommen. Einzelne Gruppen trafen sich über das Internet-Videoportal Zoom, um gemeinsam zu proben oder um die Noten zu besprechen. „Da waren wir ziemlich kreativ und haben viel anbieten können“, sagt Knüpfer. Sogar das gesamte Team konferierte auf diese Weise, um zusammen die Choreografie durchzugehen. „Die Leute haben toll mitgemacht“, berichtet die Leiterin erfreut. 
Wegen der Krise und der schwierigeren Trainingsbedingungen sei in der Truppe das Gefühl entstanden, „dass wir ein Stück weit enger zusammengerückt sind“, sagt Knüpfer. Umso mehr freuen sich alle, dass sie sich nun wieder ganz „in echt“ treffen dürfen. Erst übten die Musiker in kleinen Gruppen im Außenbereich des Treffpunkts Freizeit. Seit zwei Wochen dürfen alle zusammen wieder am Luftschiffhafen die Choreografie trainieren. „Das ist nach der langen Zeit sehr schön“, meint Knüpfer. 


Nun ist der reguläre Trainingsbetrieb durch die Sommerferien erst einmal unterbrochen. Das vergangene Wochenende verbrachten alle noch einmal zusammen im Trainingslager, um an der neuen Musikschau zu arbeiten. Gelegenheit, diese einem Publikum vorzuführen, hat die Truppe in diesem Jahr allerdings kaum. Am 3. Oktober, zum Tag der deutschen Einheit, folgt das Ensemble einer Einladung des Fanfarenzugs Strausberg und zeigt dort in diesem Jahr zum ersten Mal sein Programm. Dabei wird es wohl auch bleiben. „Sonst wären wir gerne in Potsdam aufgetreten“, sagt Knüpfer. 
Für die nächsten Jahre steht nun noch einiges auf dem Programm, 2021 sogar zwei Weltmeisterschaften. Einig müssen sich die Mitglieder nur noch darüber werden, an welchem der beiden Wettbewerbe sie teilnehmen möchten. Die Wahl besteht zwischen der World Championship im niedersächsischen Rastede, ausgetragen von der World Association of Marching Show Bands (WAMSB), und dem World Music Contest (WMC) im niederländischen Kerkrade. Zu beiden Turnieren können sie laut Knüpfer aus zeitlichen Gründen nicht fahren.

Fanfarenzug sucht dringend Nachwuchs

Und dann beginnen auch schon langsam die Vorbereitungen für das Vereinsjubiläum: Im Jahr 2023 feiert der Fanfarenzug, der 1963 gegründet wurde, seinen 60. Geburtstag. Der Verein plant dazu eine große Feier, zu der auch andere Vereine eingeladen werden sollen. Außerdem wollen die Mitglieder zu dem Anlass einen nationalen Wettbewerb in Potsdam ausrichten. „Das würde uns freuen, wenn wir das hinkriegen“, sagt Knüpfer.  Angesichts des Programms für die kommenden Monate und Jahre bringt die musikalische Leiterin noch ein ganz anderes Thema zur Sprache: „Wir suchen dringend Nachwuchs“, betont sie. In den 1990er-Jahren hatte der Verein laut Knüpfer 200 Musiker, die Wettbewerbsstärke lag bei 100 Mitgliedern. Zuletzt seien es aber immer weniger geworden. Viele gingen nach der Schule weg. Mittlerweile ist der Fanfarenzug deutlich geschrumpft – auf nur noch etwa 80 Musiker zwischen neun Jahren und Mitte 40. Für Wettbewerbe stehen aktuell nur noch 52 Spieler zur Verfügung. „Wir würden uns weiterhin gern in dieser Stärke präsentieren“, sagt Knüpfer. 

Wer erst Mitglied des Fanfarenzuges geworden ist, bleibt oft über zehn Jahre Teil der Truppe. Manche sogar noch länger, wie Knüpfer berichtet. Und zum Teil generationsübergreifend, wenn auch die Kinder von Mitgliedern dazustoßen. „Die, die wir gewinnen können, sind lange treu dabei." Wer Mitglied im Verein SG Fanfarenzug Potsdam werden möchte, kann sich auf der Internetseite informieren. Das Mindestalter für eine Aufnahme beträgt neun Jahre. 
 

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