zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Teuer oder teuer

Potsdam hat die Wahl: Millionen für eine Tramstrecke in Richtung Campus am Jungfernsee ausgeben – oder Fördergelder in Millionenhöhe zurückzahlen

Die geplante Verlängerung der Straßenbahn von der Viereckremise zum neuen Plattner-Campus am Jungfernsee könnte für die Stadt in doppelter Hinsicht kostspielig werden. Es geht um die mögliche Rückzahlung von etwa 10,7 Millionen Euro Fördermitteln. Die Summe hatte das Land Brandenburg zwischen den Jahren 1998 und 2000 an Potsdam gezahlt, bestätigte das brandenburgische Infrastrukturministerium auf PNN-Anfrage. Damit finanzierte Potsdam einen Teil des Tramnetzausbaus in den Norden.

In jenen Jahren wurden die Strecken zur Kirschallee und zur Viereckremise ausgebaut – als Erschließung der damaligen Bundesgartenschau. Noch nicht gebaut ist hingegen der zweite Abschnitt des Nordastes – also die Verlängerung von der Viereckremise zum Jungfernsee. Für alle Streckenteile gilt aber der gleiche Planfeststellungsbeschluss.

Und genau das könnte für die Stadt nun teuer werden. „Es wird von einer Aufnahme des Straßenbahnbetriebes für den zweiten Bauabschnitt des Nordastes ins Bornstedter Feld spätestens im Jahre 2020 ausgegangen“, erklärte Ministeriumssprecher Lothar Wiegand. Im Klartext: Fährt bis dahin keine Tram zum Jungfernsee, muss die Stadt bis zu 10,7 Millionen Euro zurückzahlen. Das weiß auch die Stadtverwaltung: „Der aktuelle Förderbescheid sieht eine Inbetriebnahme des vollständigen Nordastes bis 2020 vor“, bestätigte Stadtsprecher Stefan Schulz auf PNN-Anfrage.

Sechs Millionen Euro soll die 1,2 Kilometer lange Strecke kosten. Doch um die Verlängerung zu bauen, hatte die Stadt mit Geld geplant, das es nun in dem Umfang gar nicht gibt. Durch einen Beschluss des Brandenburger Kabinetts wurde wie berichtet die Finanzierung infrage gestellt. Denn Potsdam soll ab 2014 jährlich rund 900 000 Euro weniger Fördermittel für Investitionen in den Nahverkehr bekommen. Wie die Stadt mit den Mindereinnahmen umgeht und was das für die Tram zum Jungfernsee bedeutet, ist noch unklar. Andere Fördermöglichkeiten sind bisher nicht aufgetaucht.

Die Straßenbahn soll am Jungfernsee den entstehenden Plattner-Campus an den öffentlichen Nahverkehr anbinden. Neben einen Forschungs- und Entwicklungstandort mit dem SAP-Innovationszentrum sollen dort 80 bis 90 Villen und rund 60 Eigentumswohnungen der Luxusklasse gebaut werden. Insgesamt sind Investitionen von rund 350 Millionen Euro geplant. Vorab hatte die Stadt dem Investor eine Anbindung des Areals an das Straßenbahnnetz versprochen. Allerdings erst „bei einer ausreichenden Siedlungsdichte“.

Nicht nur der Ausbau, sondern auch die Sanierung von Tramstrecken steht vor dem Hintergrund der Mittelkürzungen jedoch auf dem Prüfstand. Ab dem Jahr 2015 sollte eigentlich die Tramstrecke in der Heinrich-Mann-Allee saniert werden. Hier wurden die Gleise zuletzt vor 21 Jahren erneuert. 15 Millionen Euro sollte dieses Projekt kosten. Für elf Millionen Euro sollten die Gleise am Leipziger Dreieck umgebaut werden. Die komplizierte Streckenführung der Wendeschleife quer über die Kreuzung mit der Friedrich-Engels-Straße sorgt dort immer wieder für Staus. Beide Vorhaben seien nicht vollständig gesichert, heißt es dazu mittlerweile aus der Stadtverwaltung.

Der Ausbau von Tramstrecken ist Teil von Potsdams Verkehrskonzept, dessen überarbeitete Form derzeit den Stadtverordneten vorliegt. Der Anteil der im Privatauto zurückgelegten Wege innerhalb der Stadt soll demnach bis zum Jahr 2025 von 32 Prozent – dem Vergleichswert von 2008 – auf 24 Prozent sinken. Die städtischen Verkehrsexperten rechnen dadurch mit einer Reduzierung des klimaschädlichen Kohlenstoffdioxids um neun Prozent. Wenn es Potsdam nicht gelinge, das Verkehrsaufkommen von Privatautos mindestens einzufrieren, werde die Lebensqualität in der Landeshauptstadt leiden, sagte Potsdams Stadtentwicklungsdezernent Matthias Klipp bei der Vorstellung des Konzepts im November.

Tatsächlich gibt es durchaus Möglichkeiten, mit geringerer oder ganz ohne Landesförderung zu bauen. Das ist derzeit direkt vor dem Rathaus zu beobachten: Die Friedrich-Ebert-Straße wird zwischen Helene-Lange-Straße und Kurfürstenstraße erneuert. Für sieben Millionen Euro saniert die Stadt die Straße, der Verkehrsbetrieb ViP baut neue Gleise sowie eine barrierefreie Haltestelle. Gleichzeitig tauscht der kommunale Energieversorger Energie und Wasser Potsdam (EWP) die maroden Wasserrohre aus.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false