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Landeshauptstadt: Szenario: Tanklastzug rast in Straßenbahn

Große Unglücksübung an Langer Brücke für November 2007 geplant / Besonders Verkehr macht Sorgen

Innenstadt – Das Szenario ist apokalyptisch: Ein Schiff kollidiert mit einem Stützpfeiler der Langen Brücke, weil die 300-köpfige Besatzung Vergiftungssymptome zeigt. Gleichzeitig ereignen sich auf der Brücke mehrere Auffahrunfälle, weil Autos vor Schaulustigen ausweichen müssen. Dabei rast ein Tanklastzug der Bundeswehr in eine Tram und bleibt dann zur Hälfte im Geländer der Brücke stecken. 50 zum Teil schwer verletzte Menschen befinden sich in der entgleisten Bahn. 5000 Liter Diesel fließen in die Havel

Für einen Katastrophenfall dieser Art während der Hauptverkehrszeit ist Potsdam zur Zeit nicht ausreichend gerüstet. Dies zeigen die Ergebnisse einer theoretischen Analyse von Stadt, Feuerwehr, Polizei, Bundeswehr und weiteren Einsatzpartnern vor Ort, die gestern im Alten Rathaus unter dem Titel Planuntersuchung „Roter Adler 2006“ vorgestellt wurden. Um die Sicherheitskräfte von Stadt und Umland auf solche Unglücksfälle vorzubereiten und Schwachstellen zu erkennen, soll voraussichtlich im nächsten November eine gemeinsame Übung an der Langen Brücke stattfinden: Mit Teilen des beschriebenen Schreckensszenarios.

Besondere Sorgen bereitet den Verantwortlichen die Verkehrssituation in Potsdam. „Bei einem Unglück dieser Art wäre die Stadt verkehrstechnisch tot, weil mehr als 350 Menschen von der Unglücksstelle wegtransportiert werden müssten“, sagte Jörn Preuß, Stabsleiter der Polizei im Schutzbereich Potsdam. Oberbürgermeister Jann Jakobs verwies zudem auf die zwei Havelübergänge in der Innenstadt, die im Ernstfall einen Einsatz behindern könnten. „Diese beiden Brücken sind unsere neuralgischen Punkte in der Stadt, an denen es auch keine echte Lösung gibt“, räumte Jakobs ein, der im Unglücksfall in der Stadt die oberste Entscheidungsbefugnis hätte. Lobend erwähnte das Stadtoberhaupt allerdings das Konzept der Feuerwehr, bei der Anfahrt zu einem größeren Schadensfall die entgegengesetzten Spuren zu befahren, damit die von vorn kommenden Autos rechtzeitig zur Seite fahren und nicht die Spur blockieren können.

Gleichzeitig kritisierte Landesbranddirektor Henry Merz, dass in Potsdam wie im gesamten Bundesland ein Defizit junger Notfallärzte vorhanden sei. „Diesen Job möchten nur wenige machen“, so Merz. Zudem sei die Ausstattung der schnellen Einsatzkräfte in Potsdam für einen Katastrophenfall nicht ausreichend. Oberbürgermeister Jakobs machte dagegen deutlich, mit möglichen neuen Anschaffungen im Bereich der Sicherheitstechnik bis nach der Übung im nächsten Jahr zu warten: „Wenn dann Ausgaben dringend erforderlich sind, werden wir die Finanzierung zu klären haben.“

Zu einem weiteren Problem des Katastrophenschutzes in der Landeshauptstadt wird nächstes Jahr die Ausdünnung der Bundeswehrstandorte im Land Brandenburg, wie Oberst Axel G. Loewe vom Verteidigungsbezirkskommando 84 ausführte. „Ab 2007 fehlen rund 3000 Soldaten in der Region, die im möglichen Unglücksfall mithelfen könnten“, sagte Loewe. Allerdings würde dies nicht die Fähigkeit der Streitkräfte zur Hilfe an sich verringern, einzig die Schnelligkeit des Einsatzes würde dann vermindert. „Für vorhersehbare Katastrophen wie Überflutungen können sie weiter auf die Armee zählen“, so Loewe. Für kurzfristige Einsätze stünden dann aber beispielsweise schwere Räumfahrzeuge wie Bergungspanzer nicht mehr so schnell wie bisher zur Verfügung.

Diese Arbeitsbedingungen für Potsdams Sicherheitskräfte sollen in einem Jahr nur mit Vorwarnung geprobt werden. Die Bürger würden vorher über die anstehende Katastrophenschutzübung informiert, sagte Jakobs. Über seine „positiven“ Erfahrungen mit einer solchen Übung konnte gestern der Havelländer Katastrophenschutzchef Henning Kellner berichten. In Nauen sei unter dem Siegel „Roter Adler“ im vergangenen Jahr das Verhalten bei einem Zugunglück geprobt worden – mit 600 Teilnehmern.

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