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Entspannter Geburtstag. Brigitte Reinisch kümmert sich meist um andere, die Potsdamer kennen sie von ihrer Arbeit im Seniorenbeirat. Heute feiert sie mit Vertretern der Stadt.

© Andreas Klaer

Seit 20 Jahren engagiert für Potsdam: Stillsitzen nur ausnahmsweise

Seit mehr als 20 Jahren ist Brigitte Reinisch in der Seniorenarbeit aktiv und wurde 2015 mit dem Ehrenamtspreis der Stadt Potsdam ausgezeichnet. Heute wird sie 80 Jahre alt und wird mit Jann Jakobs frühstücken.

Auf den Schnee könnte sie gut verzichten. „Das Wetter ist nicht meins“, sagt Brigitte Reinisch. Zu nass, zu glatt für eine alte Dame, die nicht mehr so gut zu Fuß ist. Dabei muss sie am Nachmittag noch unbedingt zum Friseur, denn am heutigen Donnerstag wird sie 80 Jahre alt. Und erwartet viel Besuch, Vertreter vom Seniorenbeirat, dem sie seit mehr als 20 Jahren angehört und zeitweise vorstand, Verdi-Gesandte und Potsdams Oberbürgermeister. „Herr Jakobs hat sich für 10.30 Uhr angekündigt. Ich mache ihm ein kleines Frühstück. Kanapees mit Lachs und Schinken. Vielleicht koche ich ihm auch ein Ei“, sagt Brigitte Reinisch. Sie freut sich. „Wir können gut miteinander, wir arbeiten ja schon ewig zusammen.“

Natürlich arbeitet Brigitte Reinisch schon lange nicht mehr, ist längst Rentnerin. Zu tun hat sie trotzdem. Etwa 100 Stunden im Monat engagiert sie sich ehrenamtlich, wenn es denn reicht. „Man kann das so schlecht zusammenzählen, die Sitzungen, die Besuche, die Telefonate“, sagt Reinisch. Eine ihrer wichtigsten Aufgaben ist seit 18 Jahren die Organisation der Seniorenwoche im Stern-Center. Bei der sich Vereine, Verbände und Träger, alle, die im weitesten Sinne Angebote für ältere Menschen vorhalten, präsentieren. Die Veranstaltung ist eine kleine Erfolgsgeschichte, wird sehr gut von den Potsdamern angenommen. Auch das Center-Management unterstützt sie dabei sehr. Im Juni findet die 23. Seniorenwoche statt, gerade telefoniert Reinisch mit der Weissen Flotte, um den Dampfer-Ausflug, der zum Rahmenprogramm gehört, zu planen. Wichtig: Das Schiff muss barrierefrei sein, für Menschen mit Rollstühlen und Rollatoren. „Die MS Paretz ist da besser als die Sanssouci“, sagt Reinisch.

Weiterhin ist sie für die Akademie Zweite Lebenshilfe aktiv, hat eine Weiterbildung zur Pflegebegleiterin gemacht. Elf Jahre organisierte sie das Lauffest zu Gunsten der Stiftung Altenhilfe, besorgte Kuchenspenden von Potsdamer Bäckern für den Basar. Und sie ist Mitglied von Verdi und der Volkssolidarität. Für all ihr Tun wurde sie 2015 von der Stadt Potsdam mit dem Ehrenamtspreis ausgezeichnet. Gefreut hat sie das, nur die Rede war ihr etwas peinlich, das viele Lob. Was sie auch im Stadthaus ab und zu hört. „Ach Frau Reinisch macht das? Na, dann klappt das schon“, so heißt es dann.

Geboren wird Brigitte Reinisch in Premnitz, geht acht Jahre zur Schule, lernt anschießend im dortigen Chemiefaserwerk Technische Zeichnerin. Nach Potsdam kommt sie 1968, weil ihr Mann, Angehöriger der NVA, hierher versetzt wird. In den für Armeeangehörige errichteten Blocks in Potsdam-West bekommen sie eine Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung. „Mehr gab es damals nicht für Familien mit zwei Kindern“, sagt sie. Noch immer wohnt sie dort. Von Anfang an ist sie für Nachbarn da, kümmert sich, fragt nach, hilft aus. Die Volkssolidarität ehrt sie 1976 mit der „Goldenen Nadel für gute Nachbarschaft“. „Ich bin kein Mensch, der in seinen vier Wänden still sitzen kann“, sagt sie. Beruflich verändert sie sich in Potsdam. Arbeitet für den Reiseveranstalter Jugendtourist als Reiseleiterin und lernt noch einen neuen Beruf, wird Facharbeiterin für Gaststättenleitung. Das Café am Filmmuseum wird 1981 unter ihrer Regie eröffnet. „Das war damals viel gemütlicher, weißes Holz mit Grün“, sagt sie schwärmerisch. Später arbeitet sie in der Gaststätte Charlottenhof. Die heute ja leider zerfalle.

1982 stirbt ihr Mann, wird erst wochenlang vermisst, dann tot aufgefunden. Eine Tragödie, über die sie nur leise spricht. Bis heute weiß sie nicht, was damals passierte. Ihr Mann war als Major aus der Armee ausgeschieden und arbeitete beim Fernmeldewesen. Vielleicht sollte er für die Stasi spionieren und wollte nicht, aber sie weiß es nicht genau. Damals bleibt sie mit den zwei Kindern allein, die Arbeit lenkt sie ab.

Heute sind es die vielen ehrenamtlichen Tätigkeiten, die sie auf Trab halten. Ein bisschen muss sie aber doch auf sich aufpassen, seitdem sie vor fünf Jahren einen Schlaganfall hatte. Fünf Wochen saß sie im Rollstuhl, sie weiß, wie es ist, darauf angewiesen zu sein. Dann rappelte sie sich auf, pflichtbewusst. Die nächste Seniorenwoche musste schließlich organisiert werden. Undenkbar, dass Arbeit liegen bleiben könnte.

In Potsdam wurde schon viel für Senioren getan, und dass es zwei Wohngemeinschaften für Demenzkranke gibt, findet sie gut. Wichtig ist, dass die Stadt bezahlbare Wohnungen für alte Menschen vorhält. „Es gibt viele Senioren, die nur eine kleine DDR-Rente bekommen, manche sind richtig arm“, sagt sie. Dass Potsdams Sozialdezernentin Elona Müller-Preinesberger aufhört, überrascht sie sehr. Sie findet das gar nicht gut. „Die Frau hat viel für Potsdam getan, fand immer die richtigen Worte. Ich schätze sie sehr“, sagt Reinisch. Sie selbst will noch lange weitermachen. Ehrenamt hält jung, habe ihr Jakobs einmal gesagt. Wenn sie Zeit für sich hat, liest sie gern und macht Busreisen, Weimar ist ihre Lieblingsstadt. Und jetzt am Wochenende feiert sie mit ihrer Familie Geburtstag, in einem Restaurant in Babelsberg. „Einfache Küche – aber es kommt darauf an, dass es schmeckt“, sagt sie. Eine ehemalige Gaststättenleiterin weiß das.

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