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Stadtwerke-Skandal in Potsdam: Sozialdezernentin verwickelt sich in Widersprüche

2013 hat Elona Müller-Preinesberger einen Bezügebericht für die Stadtwerke-Tochter Step erhalten. Bisher bestritt sie das.

Als Potsdams Sozialdezernentin Elona Müller-Preinesberger (parteilos) vor zweieinhalb Wochen offiziell verabschiedet wurde, gab es viel Lob und Applaus – und nur am Rande Kritik wegen ihrer Rolle in der Stadtwerke-Affäre. Einzig Grünen-Fraktionschef Peter Schüler sprach an dem Tag von „offenen Fragen“, dies bleibe der „dunkelste Fleck“ in ihrer sonst guten Bilanz. Müller-Preinesberger war über Jahre die Vorsitzende des Aufsichtsrats der Stadtwerke-Tochter Stadtentsorgung (Step) – und in dieser Tätigkeit verstrickt sie sich zunehmend in Widersprüche.

Denn bei der Step arbeitete die Ex-Prokuristin Petra V., die stets an den Gremien vorbei überdurchschnittliche Lohnzuwächse – insgesamt fast eine halbe Million Euro – zugeschanzt bekommen hatte, vor allem unter Ex-Step-Chef Holger Neumann. Bisher hatte Beigeordnete Müller-Preinesberger erklärt, sie habe erst seit Ende April 2016 Kenntnis von der Höhe der Lohnzahlungen an die frühere Vertraute des vor fünf Jahren gestürzten Ex-Stadtwerkechefs Peter Paffhausen. Erst vor drei Monaten, so die Darstellung von Müller-Preinesberger bisher, habe die Innenrevision des Stadtwerke-Verbundes sie mündlich über Ergebnisse der im Herbst 2015 begonnenen Prüfung zu V. und ihren Gehaltssprüngen informiert – die sogleich zur Suspendierung von Neumann als Geschäftsführer der profitablen Stadtwerke-Tochter Energie und Wasser Potsdam (EWP) und von Step-Technik-Chef Enrico Munder führten.

Private Dienstwagennutzung, Rentenversicherung und 20 000 Euro Jahresbonus

Doch hat Müller-Preinesberger nicht schon viel eher die Höhe der Bezüge für Petra V. gekannt? Den PNN liegt jetzt exklusiv eine Empfangsbestätigung vor, auf der Müller-Preinesberger am 15. Oktober 2013 unterschrieben hat, den sogenannten Bezügebericht 2012 für die Führungsebene der Step erhalten zu haben. In diesem streng vertraulichen, den PNN vorliegenden Papier, ist auf zehn Seiten aufgelistet, wie viel in der Step-Führungsebene verdient wird. Demnach erhielt V. – die ungewöhnlicherweise als eine Art „Schein-Prokuristin“ nur zusammen mit den anderen beiden Step-Chefs offiziell als Vertreterin des Unternehmens auftreten durfte – im Jahr 2012 Gesamtbezüge von 152 900,62 Euro. Mit dabei: private Dienstwagennutzung, Rentenversicherung und 20 000 Euro Jahresbonus.

Doch diese Informationen will Müller-Preinesberger nie erhalten haben. Die Frage der PNN, ob sie die jedes Jahr erstellten Bezügeberichte zur Gehaltsentwicklung bei der Step erhalten und zur Kenntnis genommen hat, beantwortete die noch bis Ende August offiziell bei der Stadtverwaltung angestellte Dezernentin bereits am 6. Juni mit: „Nein.“ Auch später wurde dies wiederholt. Nun fragte die PNN bei der Stadtverwaltung erneut an: „Trifft es zu, dass Frau Müller-Preinesberger den Empfang des Bezügeberichts für die Step des Jahres 2012 am 15.10.2013 mit ihrer Unterschrift bestätigt hat?“ Darauf antwortete ein Stadtsprecher: „Wir bleiben bei unserer Darstellung: In den der früheren Aufsichtsratsvorsitzenden zur Verfügung gestellten Unterlagen ist der Bezügebericht nicht vorhanden.“ Dabei sind solche Bezügeberichte über die leitenden Angestellten nach PNN-Informationen auch in anderen kommunalen Unternehmen der Stadt obligatorisch und werden dem Aufsichtsratschef vorgelegt. Auch Ex-Step-Chef Neumann hatte im Zuge der Affäre darauf gepocht, die Bezügeberichte seien an die Aufsichtsratschefin übergeben worden.

Wurde die Öffentlichkeit getäuscht?

So stellen sich angesichts der Empfangsbestätigung nun Fragen: Hat Müller-Preinesberger die Öffentlichkeit getäuscht? Und hätte die Dezernentin bei Kenntnis der Bezügeberichte nicht näher nachfragen müssen, ja womöglich die für die Step nun sehr teure Praxis der Entlohnung von Petra V. stoppen können? Denn die guten Konditionen kamen der 55-jährigen V. bei der 2015 ausgehandelten Abfindung zugute. Von Anfang 2015 bis Ende 2016 bekommt die beurlaubte V. laut dem den PNN vorliegenden Aufhebungsvertrag insgesamt 409 000 Euro ausgezahlt.

Jedenfalls stürzte die späte Aufklärung des Falls Petra V. – ihr Name fiel schon im Zusammenhang mit dem Sturz von Paffhausen – die Stadtwerke in eine schwere Krise. Nach weiteren Vorwürfen wegen Vetternwirtschaft musste auch Paffhausen-Nachfolger Wilfried Böhme zurücktreten, inzwischen hat eine Interimsführung die Geschäfte übernommen. Es liegen Abschlussberichte von zwei Kanzleien zu Konsequenzen aus der Affäre vor, die die erhobenen Vorwürfe bestätigen sollen. Die Staatsanwaltschaft Potsdam will diese Berichte prüfen, ob ein Anfangsverdacht wegen Untreue vorliegt.

Weiter sind die Kollegen aus Neuruppin. Die dortige Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Korruption ermittelt nun offiziell gegen Petra V. wegen des Verdachts der Vorteilsannahme. Denn die nach Erkenntnissen der Behörde kostenlose Planung des Baus ihres Eigenheims in einem Potsdamer Vorort hatte nach PNN-Recherchen eine Berliner Bauberatungsfirma übernommen, der V. bei der Step Aufträge verschaffte und dabei gegen Vergaberegeln verstieß. Oberstaatsanwalt Frank Winter sagte den PNN am Montag, nach ersten Ermittlungen sei unter anderem die zeitliche Nähe auffällig, in der private und dienstliche Angelegenheiten verknüpft worden seien. Ebenso hätten sich weitere Indikatoren, Häufigkeiten und Auffälligkeiten bei der Abwicklung von Verträgen, die V. für die Step mit der Firma abwickelte, ergeben: „Wir stehen aber noch am Anfang.“(mit axf/ SCH)

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