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Von Gott berufen: So lebt Potsdams einziger Mönch

Guido Neumann ist Potsdams einziger katholischer Mönch. Seinen Glauben nutzt er als Kraftquelle: für sich selbst und für Hilfsbedürftige.

Von Sarah Kugler

Potsdam - Die Kutte trägt Guido Neumann nur im Dienst. Wenn er privat unterwegs ist, deutet lediglich das große Kruzifix um seinen Hals auf seine Ordenszugehörigkeit hin. Der 51-Jährige gehört zu den Aposteln der Barmherzigkeit und ist damit Potsdams einziger katholischer Mönch. Da sein Orden noch relativ jung und das einzige dazugehörige Kloster in Krakau steht, lebt Neumann in einer Wohnung in Potsdam-West, die er sich klösterlich eingerichtet habe, wie er sagt.

Zum Kirchendienst gedrängt habe ihn niemand

Internet habe er nicht zu Hause. „Nur die 200 MB mobilen Daten auf meinem Handy“, wie er lachend sagt. Dafür gebe es in der Wohnung Ikonenbilder, Seidenmalerei und Engelbilder. „Viele davon habe ich selbst gestaltet, ich probiere gerne immer wieder etwas Neues aus“, sagt Neumann. Das Mönchsdasein hat bei ihm – das wird im Gespräch schnell deutlich – nichts mit Selbstkasteiung zu tun, sondern mit Berufung. Geboren und aufgewachsen in Potsdam kommt Neumann zwar aus einer katholischen Familie, zum Kirchendienst gedrängt habe ihn aber niemand.

Sein jüngerer Bruder sei sogar Punk und Hausbesetzer gewesen, wie er erzählt. „Er ist dann auch in den Westen geflohen, ich habe gedacht, ich würde ihn für eine sehr lange Zeit nicht wiedersehen.“ Die Wende habe das zum Glück beschleunigt. Neumann selbst absolvierte zunächst eine Elektrikerlehre. Durch die Entscheidung seines Zwillingsbruders, Priester zu werden, fühlte er sich jedoch auch für den kirchlichen Weg berufen. Er holte ein kirchlich-humanistisches Abitur nach, das in der DDR nicht staatlich anerkannt war, ihm jedoch die Zulassung zum Theologiestudium ermöglichte. „Ich habe dann 1988 angefangen in Erfurt zu studieren“, sagt Neumann. „Allerdings haben mich die Anforderungen bald an meine Grenzen gebracht.“

"Ich habe eine Stimme gehört, die sanft ,Liebe mich' sagte"

Latein, Hebräisch, Griechisch, intensives Bibelstudium, viel lernen, keine Freizeit. Der heutige Mönch fühlte sich überfordert, dem Bild vom Priester als Allroundgenie kann er nicht entsprechen, wie er sagt. Er brach das Studium ab und wechselte in den sozialen Bereich. „Ich wollte aktiv etwas bewegen, am Leben von Menschen teilhaben, helfen“, begründet er den Wechsel. An der Fachhochschule Potsdam studierte er Soziale Arbeit und Sozialpädagogik. Später bildete er sich auch im Umgang mit psychisch kranken Menschen weiter, arbeitete als Sozialpädagoge in Rheinbach sowie Bonn und engagierte sich für Arbeitslose.

Doch der Ruf Gottes, wie er es selbst beschreibt, lässt ihn nie ganz los. Im Jahr 2005 gab ein Erlebnis den entscheidenden Anstoß: In einem Berliner Kloster betete er vor „dem Gnadenbild des Barmherzigen Jesus“, dessen Original sich im Sanktuarium der Barmherzigkeit Gottes in Krakau befindet. Dem Kloster, dem Neumann heute zugehört. „Ich habe in dem Moment eine Stimme gehört, die sanft ’Liebe mich’ sagte“, erzählt er. „Und das hat alles geändert.“ Für ihn war klar: Gott hat ihn ein zweites Mal berufen, diesmal zum Ordensbruder und damit zu einem neuen Leben. „Ich befand mich damals in einer elfjährigen Beziehung, war auch sehr verliebt“, erzählt er ganz offen. Trotzdem habe er keine Zweifel gehabt, sondern eine große Eindeutigkeit gespürt. Auch das Bedürfnis nach Sex – Selbstbefriedigung inbegriffen – sei verschwunden. Er habe das Gnadengeschenk der Keuschheit erhalten, sagt Neumann.

Er ist ehrenamtlich unterwegs, lebt von Erwerbsunfähigkeitsrente

Der Mönch erzählt all das ohne Pathos, ohne missionarischen Eifer. Vielmehr mit einer Rührung, die ihn immer wieder erfasst, wenn er von seinem Glauben spricht – und von der Kraft, die er daraus schöpft. Geld verdient Neumann mit dem Mönchsdasein nicht – er ist ehrenamtlich unterwegs, lebt von Erwerbsunfähigkeitsrente. „Für mich sind die Begegnungen mit Menschen, die Gespräche, die daraus gewonnenen Erkenntnisse immer wieder Wunder“, sagt Neumann und ihm treten die Tränen in die Augen. Das passiert dem sonst sehr fröhlichen, redseligen Mann noch häufiger.

Auch als er von einem guten Freund erzählt, den er während seiner Zeit als Gefängnisseelsorger kennenlernt – einem verurteilen Mörder. „Inzwischen ist er selbst als Seelsorger unterwegs“, sagt Neumann. Ihre lange aufgebaute Freundschaft könne heute nichts so leicht erschüttern, wie er sagt. „Als ich erfahren habe, dass er die AfD befürwortet, war ich schon sehr erschrocken, aber wir haben lange darüber gesprochen“, sagt der Ordensbruder, der bekennender CDU-Wähler ist. Überhaupt sei es ihm als Unterstützer der Ökumene wichtig, über alle Themen zu sprechen. „Nur so können wir Vorurteile abbauen und voneinander lernen.“ Er versuche, den Menschen vorurteilsfrei zu begegnen, engagiert sich zum Beispiel in der Aids-Hilfe.

Einen Wortgottesdienst darf der Mönch halten

Oder in der Flüchtlingshilfe: Er organisiert Möbeltransporte oder begleitet Behördengänge. „Manchmal organisiere ich auch Fahrradtouren oder gemeinsame Abende“, erzählt er. „Ich möchte, dass sich die Geflüchteten bei uns schnell heimisch fühlen.“ Die Religion spiele dabei keine Rolle. Als Gottesdienstbeauftragter hilft er außerdem in der Katholischen Gemeinde Potsdam aus, fährt in Kliniken und zu Hausbesuchen. Zwar darf er nicht alle Aufgaben eines Priesters übernehmen, einen Wortgottesdienst darf er jedoch halten. „Dann trage ich auch meine Albe“, sagt Neumann – und meint damit sein weißes Mönchsgewand.

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