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Kunst für Demenzkranke in Potsdam: Sich noch mal an den Alten Fritz erinnern

In drei Potsdamer Museen werden demnächst Führungen für Menschen mit Demenz angeboten.

Potsdam - Gefühle brauchen kein Gedächtnis. Wer das Gefieder einer Mandarinente berührt oder das Winterfell eines Wolfs, der spürt etwas, der erlebt etwas. Auch, wenn er das konkrete Erlebnis am nächsten Tag möglichweise wieder vergessen hat. Deshalb ist ein Museumsbesuch, zum Beispiel des Naturkundemuseums, eine gute Idee auch für Menschen, die an Demenz oder sogar Alzheimer erkrankt sind. Das sind in Potsdam etwa 3000 Menschen. Für sie soll es bald besondere Angebote geben.

Am gestrigen Donnerstag wurde ein Pilotprojekt des Brandenburger Museumsverbands vorgestellt. In Zusammenarbeit mit dem Kompetenzzentrum Demenz des Landes soll es in den kommenden Monaten im Naturkundemuseum, dem Barberini und dem Potsdam Museum Führungen für Demenzkranke geben. Anschließend soll die Praxis ausgewertet und ein Leitfaden für andere Museen entwickelt werden. „Es gibt in ganz Brandenburg etwa 380 Museen“ sagte die Geschäftsführerin des Museumsverbands, Susanne Köstering. „Auch dieser Bevölkerungsgruppe wollen wir kulturelle Teilhabe ermöglichen.“ Doch während es in anderen Großstädten längst Angebote für diese Zielgruppe gibt, tat sich in Brandenburg bisher nichts.

„Wir können auch Reh- und Elchlaute vorspielen“

Das soll sich nun ändern. Das Land fördert das Projekt „Museumserlebnis für Menschen mit Demenz“ mit 25 000 Euro aus dem Budget der sogenannten Pflegeoffensive des Sozialministeriums. Köstering und Brigitte Neumann vom Kompetenzzentrum Demenz hoffen, dass es nach dem Auslaufen fortgesetzt wird und Nachahmer findet. Ein Selbstläufer sei es nicht. Die Arbeit mit diesen Menschen ist anspruchsvoll und manchmal schwierig - aber das kann man lernen, sagt Neumann. So sind Schulungen in den interessierten Museen geplant. Die beiden Kunsthistorikerinnen, die das Projekt betreuen, haben bereits Erfahrung im Umgang mit Demenzkranken. Sie werden die ersten Führungen selber durchführen und dann die Museumsmitarbeiter anleiten.

Die Führungen in den Museen wurden jeweils neu konzipiert. Bei den etwa ein- bis eineinhalbstündigen Veranstaltungen werden jeweils nur wenige Schwerpunkte gesetzt. Vor allem Gegenständliches soll eine Rolle spielen. Im Naturkundemuseum werden es Tierpräparate sein, die man auch berühren kann. „Wir können auch Reh- und Elchlaute vorspielen“, sagte Museumspädagogin Annette Theobald.

Ohne Hektik und Perfektionismus

Im Potsdam Museum wird ein bekanntes Porträt des Alten Fitz, das mancher wiedererkennen könnte, gezeigt, ebenso die Replik eines Vorderladers der Langen Kerls - etwas zum Anfassen. Im Barberini sei das mit dem Anfassen etwas schwieriger, sagte Kunsthistorikern Louise May. „Da müssen wir Ersatzgegenstände benutzen und beispielsweise einen Hut, wie man ihn im Gemälde entdecken kann, rumgehen lassen.“

Alle Museen sind komplett barrierefrei, auch mehrere Rollstühle oder Rollatoren seien kein Problem, hieß es. Die Gruppen sollten höchstens zwölf Personen umfassen, inklusive Betreuer. Der Eintritt ist mit 3 Euro pro Person sehr günstig.

Carmen Starke ist Betreuerin im Sankt Franziskus Heim in Bornstedt. Dort habe man durchweg gute Erfahrungen mit Ausflügen gemacht. „Wir haben einen kleinen Bus, in den sechs Bewohner, zwei Betreuer und Rollis passen, das geht gut“, sagte Starke. „Und wir suchen immer neue Angebote.“ Denn die Wirkung eines solches Ausflugs, und sei es nur um die Ecke zum Museum, sei nachhaltig. Das betonte auch Brigitte Neumann. „Es geht ja nicht vordergründig um das Museum, sondern um das Erlebnis an sich. Man tut etwas Besonderes, man weckt Gefühle und Erinnerungen auf. Das ist eine wohltuende Wirkung, die noch Stunden oder sogar Tage anhalten kann.“

Für die Praxis hat Neumann ein paar Tipps: Wer mit Demenz-Patienten arbeitet, müsse sich von Hektik und Perfektionismus verabschieden, so Neumann. Sie brauchen auch eine andere Ansprache, am besten auf der emotionalen Ebene. „Wenn jemand spontan ein Gemälde anfassen will, hilft kein Argumentieren. Ich reiche dann meine Hand und sage: Fass lieber mich an, das ist viel schöner.“

Auch für Angehörige entlastend

Die ersten Führungen sind schon gut gebucht, sagte Susanne Köstering. Ab sofort liegen die entsprechenden Flyer in Beratungsstellen, dem Bürgerservice und Apotheken aus. Das Angebot richtet sich nicht nur an Heimbewohner, sondern auch an Menschen, die zu Hause betreut werden. Auch für Ehepartner und Angehörige kann ein gemeinsamer Museumsausflug ein schönes Erlebnis jenseits des oft belastenden Alltags sein.

In Potsdam gibt es für Demenzkranke noch weitere Angebote. Im Treffpunkt Freizeit findet regelmäßig das Alzheimer-Tanzcafé statt, eine wunderbare Sache, sagte Carmen Starke. Das Sinfonieorchester Collegium Musicum veranstaltet zwei Mal im Jahr ein kostenloses barrierefreies Sinfoniekonzert, zu dem auch Menschen in Rollstühlen und mit umfassendem Betreuungsaufwand eingeladen sind und bei dem es nicht stört, wenn mal jemand hustet oder laute Geräusche macht. Die Reihe „Konzerte für Demenz“, die es 2017 in Potsdam gab, sei leider eingestellt worden, so Starke.

Die erste Führung im Potsdam Museum findet am 25. April um 14.30 Uhr statt, im Barberini am 16. April um 14 Uhr, im Naturkundemuseum am 23. April um 14.30 Uhr. Anmeldungen und Infos unter Tel.: 0162 819 28 52 und erlebnismuseum.brandenburg@gmx.de

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