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Landeshauptstadt: Sechs Combinos überprüft

Schwerer Schaden an einer Bahn/Siemens lädt in Produktionsstätte ein

Schwerer Schaden an einer Bahn/Siemens lädt in Produktionsstätte ein Von Günter Schenke und Detlef Gottschling Die Combino-Straßenbahnen bleiben in Potsdam weiter im Depot, zu möglichen Reparaturvarianten herrscht Unsicherheit. Hersteller Siemens selbst hat gestern in München erklärt, dass die Combino-Affäre noch zu einer Erhöhung der Rückstellungen im Konzern führen wird. Doch in der Stadt Potsdam wächst der Druck auf Stadtverwaltung, Verkehrsbetrieb und Politik. Das Behindertenproblem im Nahverkehr besteht trotz des Ruf-Busses, das Fahren mit nicht mehr zeitgemäßen Fahrzeugen – nach gut fünf Jahren Niederflurbahn-Erfahrung – erregt die Gemüter. Schon im März wollte die CDU-Stadtfraktion erwirken, dass der Oberbürgermeister und die städtischen Vertreter im Aufsichtsrat der ViP in der Stadtverordnetenversammlung einen umfassenden Bericht über das Combino-Desaster geben. Auskunft verlangen sie über konkrete Sicherheitsmängel und darüber, inwieweit tatsächlich Leib und Leben der Fahrgäste gefährdet war. Der Oberbürgermeister wird aufgefordert, alles zur Beseitigung des Schadensbildes zu tun und Regressansprüche durchzusetzen. Auch darüber fordern die CDU-Verordneten einen Bericht. Zunächst hieß es, die Aufsichtsratsmitglieder seien zur Verschwiegenheit verpflichtet, bis auf der Sitzung des Bauausschusses am Dienstagabend klar wurde: Als Mehrheitseigner haben die Stadtvertreter durchaus das Recht, einen Bericht ihrer Aufsichtsratsmitglieder einzufordern. Das widerspreche nicht dem Paragrafen 104 der Gemeindeordnung, der die Verschwiegenheit regele. Allerdings: Auch die Stadtverordneten sind in dieser Sache zur Verschwiegenheit verpflichtet. Daher wird der angemahnte Bericht hinter verschlossenen Türen gegeben. So werden die Stadtverordneten über den Rückruf der gut 400 Siemens-Bahnen, zu denen auch 16 Potsdamer gehören, zwei Monate nach dem unglaublichen Vorfall erstmals einen authentischen Bericht hören. Neue Lager und Verstärkungen Stadtwerke-Sprecher Stefan Klotz sagte gestern den PNN auf Anfrage, dass man weiter abwarten wolle, was die Tests ergeben. Siemens will mit einer eigens dafür ausfindig gemachten Röntgenmethode die Risse in den Bahnen orten und entsprechend gegensteuern. Nach PNN-Informationen auf mehreren Ebenen: Zum einen hat man offenbar ein Problem mit der zu steifen Kopplung der einzelnen Bahnsegmente, die gerade in Kurven – bei Gleisverwindungen – die Wagenkästen zusätzlich belasten. Dies soll durch neue „Schwenk-Wank–Lager“ abgefangen werden. Weiter sollen die Wagenkästen verstärkt werden durch zusätzliche Portale am Anfang und Ende der Wagen-Segmente, durch zusätzliche Bleche und auch durch eine Verstärkung der Bodenplatte. Auch die Fensterwände sollen zum Schutz gegen das gefürchtete Verziehen in Fahrtrichtung verstärkt werden. Letzteres führte zu dem Horrorszenario des sich möglicherweise lösenden und herabstürzenden Daches der Bahn. Dies alles wird Siemens in der kommenden Woche am 5. Mai live vorführen, wenn zum „Anwendertreffen“ in die Produktionsstätte Uerdingen eingeladen ist. Wie Martin Weis, Geschäftsführer des Verkehrsbetriebes in Potsdam (ViP) den PNN gestern sagte, sei dieses Treffen ursprünglich schon für diese Woche anberaumt gewesen – habe sich aber womöglich wegen der gestrigen Siemens-Quartals-Pressekonferenz verschoben. Was die gestern bekannt gegebene Erhöhung der Rückstellungen angeht, zeigte sich Weis erfreut: „Wenn mehr Geld eingesetzt wird, können wir vielleicht auf eine bessere Lösung hoffen.“ Sechs Bahnen getestet In Potsdam sind von den am 12. März aus dem Verkehr gezogenen 16 Combino-Bahnen bisher sechs überprüft. Wie der ViP-Geschäftsführer gestern sagte, sei eine davon in der größten Schadensklasse: Stilllegen oder reparieren. Alle weiteren könnten nach Siemens-Auffassung – so wie in Basel – zunächst wieder in den Einsatz. Darauf aber will der ViP verzichten. Die zehn restlichen Potsdamer Bahnen werden mit der analogen Röntgen-Methode noch untersucht. Von der Einführung einer völlig neuen Combino-Bahn ist bisher nicht die Rede. Inzwischen ist auch bekannt geworden, dass selbst die in Düsseldorf fahrenden Typen, die mit Drehgestell-Fahrwerken ausgerüstet sind, dasselbe Schadensbild aufweisen: Risse an den Wagenkästen. Somit scheint der Fehler eher in der Summe der Bauteile zu finden sein als in einzelnen Baugruppen. Gestern war bekannt geworden, dass Siemens sich mit Kaufabsichten des Alstom-Konzerns trägt, der die sehr stabile Niederflurstraßenbahn „Citadis“ im französischen La Rochelle baut.

Günter Schenke, Detlef Gottschling

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