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Von Jan Kixmüller: Schnell reagieren

Das Tsunami-Frühwarnsystem des Potsdamer GeoForschungsZentrums nimmt am 11. November seien Betrieb auf

Nach vier Jahren Aufbauzeit ist es nun so weit: Am kommenden Dienstag wird in Indonesien im Beisein des indonesischen Staatspräsidenten und Vertretern der Bundesregierung der Startknopf für den Probebetrieb das Tsunami-Frühwarnsystem gedrückt. Das Potsdamer GeoForschungsZentrum (GFZ) hatte direkt nach dem verheerenden Tsunami in Ostasien vom 26. Dezember 2004 von der Bundesregierung den Auftrag zur Entwicklung des Warnsystems erhalten. Bereits drei Wochen nach der Katastrophe, die über 220000 Menschen das Leben kostete, konnte eine Arbeitsgruppe das Konzept für GITEWS (German Indonesian Early Warning System for the Indian Ocean) vorlegen. Das Bundesforschungsministerium hat das Warnsystem mit 45 Millionen Euro finanziert, die Mittel stammen aus der Flutopferhilfe der Bundesrepublik Deutschland.

„Weil das GFZ seit 1992 das Gebiet Südostasiens geowissenschaftlich erforscht, konnte es seine Resultate unmittelbar in die Forschung einfließen lassen und schnell reagieren“, erklärt der neue Vorstandsvorsitzende des GFZ Prof. Reinhard Hüttl den Wettbewerbsvorteil der Potsdamer Geoforscher. In Zukunft will das GFZ, mittlerweile zum „Deutschen Geoforschungszentrum“ avanciert, das Frühwarnsystem auch in anderen gefährdeten Regionen wie dem Mittelmeer und dem Atlantik installieren.

Primäre Aufgabe des Warnsystems soll sein, die Zahl der Opfer zu minimieren. „Ein Frühwarnsystem hätte 2004 die Zahl der Todesopfer erheblich verringert“, schätzt Jörn Lauterjung vom GFZ. Das Warnsystem besteht aus land-, ozean- und satellitengestützten Instrumenten, die durch ein Warnzentrum sowie Ausbildungs- und Trainingsmaßnahmen ergänzt werden. Vereinfacht gesagt kombiniert das System seismische Daten der Erdbewegungen mit denen von Meeresbojen, die Hinweise auf die Entstehung einer tödlichen Welle sammeln. Denn nicht jedes Seebeben führt zu einem Tsunami. Gekoppelt werden diese Daten mit Messungen des Wasserpegels an den Küsten, mit GPS-Messungen zur Verschiebung der Erdkruste und den Ergebnissen von Drucksensoren am Meeresboden.

Satelliten stellen die GPS-Ortung sicher und sorgen für blitzschnelle Kommunikation. Die Frühwarnung errechnet ein Computer aus den Daten. Über die Medien würde dann zur Evakuierung aufgerufen. Herzstück des Frühwarnsystems ist ein Warnzentrum, in dem alle Sensordaten zusammenlaufen. Ein eigens vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickeltes Entscheidungsunterstützungssystem fasst alle Daten zusammen und gibt dem diensthabenden Verantwortlichen einen Überblick. Anfang dieses Jahres wurde ein Prototyp des Systems in Indonesien installiert. Seine Kapazität konnte das neue System bereits mehrfach unter Beweis stellen. So wurde bei einem Beben bei Bengkulu am 12. September 2007 die Stärke von 8,0 und die Lage des Bruchbeginns innerhalb von nur vier Minuten bestimmt.

Schon bei dem Beben 2004 war das GFZ weltweit die erste Station, die das Beben gemessen hatte. Allerdings hatten die Messgeräte auf dem Telegrafenberg die Stärke nicht genau bestimmen können. Und auch bei einem exakten Ergebnis, hätte man nicht gewusst, ob ein Tsunami folgt. Dazu muss eben auch gemessen werden, ob die Platten der Erdkruste sich vertikal oder horizontal verschieben. Nur bei Verschiebungen in vertikaler Richtung am Meeresboden, können die Flutwellen entstehen. Bei dem Beben von 2004, das mit einer Magnitute von 9,3 der zweitstärkste bisher gemessene Bruch der Erdkruste war, hatte sich in 30 Kilometern Tiefe eine Kontinentalplatte auf einer Länge von 100 Kilometern neun Meter weit unter eine andere geschoben.

Genau solche, äußerst gefährlichen Verschiebungen von Erdplatten, soll das neue System nun messen können. Hinzu kommen die Daten von den Veränderungen der Meeresoberfläche. Nur durch all diese Daten zusammen lässt sich letztlich feststellen, ob wirklich ein Tsunami ausgelöst wurde. Ebenso wichtig wie eine profunde Warnung ist es laut GFZ, nach einem starken Beben auch Entwarnung geben zu können – um Massenpanik zu vermeiden.

Wie wichtig ein solches Frühwarnsystem gerade in der Region des Indischen Ozeans ist, hat gerade erst eine Studie eines Forscherteams der Universität Pittsburgh gezeigt. Demnach haben sich in Thailand und Indonesien Indizien dafür gefunden, dass sich eine ähnliche Katastrophe wie im Jahr 2004 vor 550 bis 700 Jahren abgespielt haben muss. Es könne zwar nun passieren, dass man 100 Jahre in Alarmbereitschaft ist und nichts passiert, gibt Prof. Rainer Kind vom GFZ, der das Warnsystem mitentwickelt hat, zu bedenken. Doch wenn etwas passiert, dürfte nach einer erfolgreichen Testphase des Systems eine schnelle und umfassende Warnung möglich sein.

Dass es lange ruhig bleibt, ist kaum zu erwarten. Indonesien liegt in einer seismologisch äußerst aktiven Region, dem so genannten Ring aus Feuer. Erst vor knapp zwei Wochen hat wieder ein mittelstarkes Erdbeben der Stärke 5,5 Teile Indonesiens erschüttert. Ein Tsunami blieb diesmal glücklicherweise aus.

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