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Getroffen oder nicht getroffen? Der Babelsberger Motor-Boxtrainer Ralph Mantau blickt fragend zu einem Trainerkollegen. Vor allem bei Auswärtskämpfen finder er nicht alle Kampfrichterentscheidungen nachvollziehbar.

© I. Höfgen

Sport: Schlagender Heimvorteil

In der Box-Bundesliga schafft es kaum eine Staffel, auswärts zu gewinnen. Auch Motor Babelsberg macht die Erfahrung: Zu Hause wird gejubelt, in der Fremde an so manchem Kampfrichter-Votum verzweifelt

Es hatte etwas vom täglich grüßenden Murmeltier. „Kommen Sie mal auswärts mit“, sagte Ralph Mantau zu Journalisten immer wieder am Telefon. Dem Trainer des Box-Bundesligisten Motor Babelsberg fiel es auf Dauer schwer, am Sonntag zu erklären, was er bei den Auswärtskämpfen am Samstag gesehen hatte. Er sah oft gute Leistungen seiner Boxer, bessere als die des Gegners, aber gewonnen hat seine Staffel keinen der diesjährigen Kämpfe. Weder in Straubing noch in Seelze. Am vergangenen Samstag unterlag seine Staffel wie berichtet auch mit 9:12 beim Nordhäuser SV, der damit erstmals in der Geschichte Deutscher Meister wurde.

Motor Babelsberg war mit seinem Auswärtspech in der auf vier Teams geschrumpften Liga nicht allein. Auch Straubing und Seelze war kein Auswärtserfolg vergönnt. Stärker noch als in der vergangenen Saison scheint sich damit ein Vorteil etabliert zu haben, gegen den sich schwer anboxen ließ. „Einen Heimvorteil gibt’s, klar. Aber wollen wir das? Ich will's nicht“, sagte Mantau am Samstag in Nordhausen. Von fünf engen Kämpfen gingen vier an Nordhausen, vor zwei Monaten war das noch anders. 11:10 siegte Motor im heimischen Toyota-Autohaus. Die Motor-Fans jubelten und träumten nicht ohne Grund davon, oben mitzuboxen.

Das wollte auch Peter Mullenberg wieder. Der Niederländer boxte vier Jahre lang für den Serienmeister Velbert, der in dieser Saison nicht mehr meldete. Vier Jahre lang, erzählt er, gab es auch enge Kämpfe – aber letztlich gewann der 26-jährige Soldat, der 2014 Militärweltmeister wurde, seine Kämpfe für Velbert. Vielleicht, sagt Mullenberg, punkten die Kampfrichter eher fürs Heimteam. Vielleicht, sagte er auch, sieht man immer für den eigenen Verein den Treffer, während der Schlag des Gegners vielleicht doch in der Deckung landete. „Du hast vielleicht andere Augen“, sagt Mullenberg, der in Nordhausen einer von zwei Motor-Siegern war.

Einen Heimvorteil hält auch Andreas Dietrich-Scherfling, der Trainer der siegreichen Nordhäuser, für möglich. Wenn die Kämpfe auf Augenhöhe ablaufen, könne es sein, dass der Heimkämpfer einen Vorteil hat. Auch er war bei Auswärtsentscheidungen „manchmal anderer Meinung“. Er schiebt das allerdings auf die „Vereinsbrille“ und geht davon aus, dass das Kampfgericht absolut neutral ist.

Nordhausen war in einer Hinsicht die Ausnahme der diesjährigen Liga – sie holten vor neun Tagen in Straubing den bisher einzigen Auswärtserfolg. Das 11:8 war allerdings von einigen unschönen Nebengeräuschen begleitet. Kurzfristig setzte der Deutsche Boxverband einen Lehrgang an, sperrte deshalb drei Straubinger Boxer. Auch Nordhausen musste auf vier Boxer verzichten. Nach den Kämpfen wurde auf der offiziellen Internetseite der Straubinger ungewöhnlich deutlich Kritik an einigen Entscheidungen der Kampfrichter geübt. Der Sieg entschied die Meisterschaft zugunsten der Thüringer. „Die Heimkämpfe müssen gewonnen werden, aber welche Mannschaft gewinnt auswärts zumindest einen Punkt“, umschrieb Andreas Dietrich-Scherfling die Saisontaktik. Er habe viele Kämpfe auf Augenhöhe gesehen. „Es kam darauf an, wer die bessere Tagesform hat und wer seine Wunschformation aufbieten kann“, sagte der Nordhäuser Coach. Mit Nordhausen setzte sich letztlich die Staffel durch, die den weitaus größten Rückhalt in ihrer Region genoss. In die dortige Ballspielhalle, die in ihrer Dimension der Potsdamer Sporthalle Heinrich-Mann-Allee mit einer zusätzlichen Tribüne hinter einem Tor entspricht, passen offiziell 1200 Zuschauer. Und vierstellige Zuschauerzahlen waren keine Seltenheit in Thüringen. Das sorgt für erheblich größere Einnahmen unter anderem beim Bierverkauf, zumal es für Hungrige lediglich Bockwürste zu kaufen gab. „Ihr wart die dritte Hand im Ring“, lobte der Hallensprecher am Ende die feiernden Zuschauer

Motor-Trainer Ralph Mantau hätte wohl gern auch etwas anderes. „Ich will kein Recht, ich will Gerechtigkeit“, sagte er am Samstag. Der letzte Kampf der Motor-Boxer in dieser Saison ist am 10. Januar 2015 gegen den BC Straubing. „Klar, wir wollen gewinnen“, sagt Mantau, der schon jetzt ein Saisonfazit zog. „Unsere Erwartungen haben sich lange nicht erfüllt.“

Ingmar Höfgen

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