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Scholz und Geywitz in Potsdam: Schaulaufen für den Vorsitz

Bei einer Wahlkampfveranstaltung in der Villa Bergmann präsentieren sich Vizekanzler Olaf Scholz und Landtagsabgeordnete Klara Geywitz den Potsdamern. 

Potsdam - "Nein“, sagt der stellvertretende SPD-Chef, Bundesfinanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz am Mittwochabend in der Villa Bergmann den PNN mit einem verschmitzten Lächeln. Wann er die Potsdamer SPD-Landtagsabgeordnete Klara Geywitz gefragt habe, ob sie mit ihm für den Vorsitz der SPD kandidieren wolle, werde er nicht verraten. Auch nicht, wann er Kanzlerin Angela Merkel (CDU) darüber informierte: „Es gehört zur Geschäftsgrundlage, darüber zu schweigen.“

Auch Geywitz behält das kleine Geheimnis für sich. Als sie aber rund 160 Zuhörer in der Gründerzeitvilla am Tiefen See begrüßt, gewährt sie, immerhin, einen kurzen Einblick in ihr Seelenleben. „Wow!“, habe sie gedacht, als Scholz, den sie seit Jahren aus dem SPD-Bundesvorstand kennt, sie bat, mit ihm anzutreten, wenn Mitte Oktober die Mitglieder über die Bewerber abstimmen.

Schaulaufen für den Vorsitz

Das Treffen war lange verabredet worden, bevor die Kandidatur des Tandems bekannt wurde. Geywitz kämpft schwer darum, ihr Landtagsmandat am 1. September zum vierten Mal direkt zu gewinnen. Scholz, den sie seit langem aus dem SPD-Parteivorstand kennt und der in Potsdam wohnt, wollte ein bisschen helfen. Überraschend wird der Abend zu einem Schaulaufen für den SPD-Vorsitz.

Stolz sitzt Geywitz, 43 Jahre jung und bundespolitisch noch ein Leichtgewicht, nun in der Beletage der Villa neben Scholz, dem 18 Jahre älteren Schwergewicht. Der frühere Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD) moderiert den Abend, er hat es leicht, weil der Anteil der Gäste mit Sympathien für die Sozialdemokraten an hundert Prozent grenzt. 

Kein Salatblatt sein

Am Mittwochmittag, als Scholz und sie sich in Berlin der Bundespressekonferenz vorstellten, hatte Geywitz mit dem ihr eigenen Witz versichert, sie wolle kein „Salatblatt“ sein. Ein paar Stunden später zeigt sie in Potsdam, dass sie das ernst meint. Selbstbewusst und eloquent präsentiert sie sich neben Scholz.

Sie stampft auf, als es um die desolate Lage der SPD geht. Scharf kritisiert sie den Umgang mit der früheren Partei- und Fraktionsvorsitzenden Andrea Nahles, die erschöpft von endlosen Streitereien mit Parteifreunden Anfang Juni von allen Ämtern zurückgetreten war. „Unser Markenkern ist soziale Gerechtigkeit“, sagt Geywitz. „Wenn wir dann aber selbst mit eigenen Leuten nicht solidarisch umgehen, fragen sich die Leute: Kann man das so machen?“ Ihr habe Nahles „Leid getan“. Sie scheint Scholz, der nebenbei ihren „klaren Kopf“ lobt, aus dem Kreis der Täter auszuschließen. Sie habe „Olaf als feinen Kerl kennengelernt“, als jemand, „der sich nicht in kleinen Zirkeln hinsetzt und schlecht über andere redet“. 

Es geht um Google und Apple

Moderator Albrecht Gerber wirft ihnen die Bälle zu, Geywitz und Scholz setzen aus ihren Erfahrungsbereichen Akzente. Der Finanzminister spricht über sein „großes Ärgernis“, dass sich Unternehmen wie Google und Apple „mit Tricks davor schützen können, Steuern zu zahlen wie andere“. Sein Ministerium habe einen Vorschlag für eine Minimalsteuer entwickelt und mit Japan und Frankreich abgestimmt: „Im Sommer oder Herbst nächsten Jahres werden wir uns einigen.“ 

Geywitz, dreifache Mutter, sorgt sich, weil in den nächsten Jahren starke Lehrer-Jahrgänge in Rente gehen – und freut sich darüber, dass die Potsdamer Uni die Zahl der Lehramtsstudenten erhöht hat. Dann wieder Scholz: Er sieht Deutschland für eine neue Wirtschaftskrise gut gerüstet. Nach seiner „gefühlten Pi-mal-Daumen-Berechnung“ koste eine Krise 50 Milliarden Euro. „Das muss man können“, sagt Scholz. „Wir können’s“.

Die Stimmung in der Villa passt so gar nicht zu den desolaten Umfragewerten der Partei. Immer, wenn die beiden Kandidaten über klassische SPD-Themen wie soziale Gerechtigkeit und eine Willkommenskultur sprechen, kommt starker Beifall auf. Es ist, als würden sich die Genossen vor der Landtagswahl noch einmal am Lagerfeuer wärmen. 

Carsten Holm

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