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Potsdams neues Wohnviertel in Krampnitz: Ringen gegen den Verfall

Seit Jahren wartet Potsdam darauf, dass in Krampnitz Wohnungen gebaut werden. Nun geht die Potsdamer Bauverwaltung gegen die Käufer der Kaserne Krampnitz vor – um die Sanierungspläne für das Areal zu retten.

Krampnitz - Eingestürzte Dächer, Schutt in allen Räumen, hässliche Graffiti an den Wänden und drohender Schimmelbefall: Die denkmalgeschützten Gebäude auf dem Gelände der ehemaligen Kaserne Krampnitz verwahrlosen zusehends. Dabei will die Stadt über ihren kommunalen Entwicklungsträger und mithilfe noch zu findender Investoren dort in den nächsten Jahren einen Stadtteil für bis zu 3800 Menschen aufbauen, die Millioneninvestitionen auch über steuerlich einträgliche Abschreibungen bei der Sanierung der Denkmale refinanzieren. Doch dieser Plan für das 1930 errichtete und später von den Sowjets genutzte Kasernengelände droht zu scheitern, wenn die Gebäude weiter verfallen – sodass am Ende nur der Abriss bleibt oder die Sanierung zu teuer wird.

Nun greift die Bauverwaltung unter ihrem Dezernenten Matthias Klipp (Grüne) zu harten Maßnahmen gegen die früheren Käufer des Areals – Gesellschaften, vertreten durch die TG Potsdam –, von denen sich die Stadt behindert sieht. Stadtsprecher Jan Brunzlow bestätigte auf PNN-Anfrage: „Die Stadtverwaltung hat in den vergangenen Wochen für drei denkmalgeschützte Gebäude sogenannte Sicherungsverfügungen gegen die TG erlassen – um so sicherzustellen, dass diese Gebäude endlich baulich gesichert werden.” Nach PNN-Informationen will die Stadt zugleich ein Enteignungsverfahren anstrengen, um Zugriff auf den von ihr geplanten neuen Stadtteil zu erlangen.

Mit einem nach wie vor umstrittenen Immobiliengeschäft hatte die TG das Gelände 2007 erworben, derzeit wird am Oberlandesgericht (OLG) Berlin-Brandenburg juristisch über den Rückkauf der Flächen durch das Land gefochten – mit zuletzt allerdings guten Aussichten für die TG (siehe Kasten). Auch die Sicherungsverfügungen der Stadt werden vermutlich vor Gericht landen. TG-Sprecherin Petra Reinholz kündigte gegenüber den PNN an, das Unternehmen werde gegen die „rechtswidrigen“ Anordnungen der Stadt Rechtsmittel einlegen.

Welche Gebäude sind besonders bedroht?

Eine der Verfügungen gilt für das sogenannte Fähnrichsheim, früher der zentrale Treffpunkt der Unteroffiziere. Dafür gibt der Fachbereich Bauaufsicht und Denkmalpflege der TG nach PNN-Informationen unter anderem auf, einsturzgefährdete Bereiche im Dach- und Deckenbereich zu sichern – etwa durch Stützkonstruktionen oder eine Entwässerung, damit kein Regen eindringen kann. Ebenso soll die TG Türen und die vielen kaputten Fenster vor Ort verschließen, Schutt im Haus beräumen sowie Pflanzen entfernen, die das Mauerwerk schädigen. Vor Ort sieht man in einem der großen, einst repräsentativen Gemeinschaftsräume des Fähnrichsheims, wie sich – vermutlich durch Nässe im Oberboden – bereits Deckenteile gelöst haben. Das Amt mahnt auch eine bessere Lüftung an, um Pilz- und Schimmelbefall abzuwehren.

Für die Maßnahmen im Fähnrichsheim gibt die Stadt genau 90 Tage Zeit. Geschieht das nicht, droht ein Zwangsgeld von insgesamt 9600 Euro. Die TG sei als einstiger Käufer zum Erhalt des Gebäudes als Teil der zu schützenden Kaserne verpflichtet – dieser Aufgabe aber bisher nicht nachgekommen, so die Auffassung der Stadt. TG-Sprecherin Reinholz weist das zurück: „Die betreffenden Gebäude wurden in den letzten beiden Jahren gesichert, einer Sicherungsverfügung bedarf es daher nicht.” Die Bauverwaltung hält nach PNN-Informationen dagegen: Etwa wegen der Nässe durch das kaputte Dach sei die Tragfähigkeit der Wände und Decken des Gebäudes insgesamt bedroht, wodurch auf mittelfristige Sicht eine irreparable Schädigung der Bausubstanz zu erwarten sei.

Ähnliche Verfügungen sind für das Krampnitzer Torhaus und das Offiziers- Kasino ergangen – dessen riesiger Ballsaal 2006 als Filmkulisse für „Mein Führer“ mit Helge Schneider diente. Heute bestimmen in dem Bau Unrat und Scherben das Bild, sind an vielen Wänden großflächige Graffiti angebracht. Der Chef der kommunalen Bauholding Pro Potsdam, Bert Nicke, der auch den von der Stadt gegründeten Entwicklungsträger für die geplante Sanierung des Areals leitet, sagte den PNN auf Anfrage: „Angesichts der Schäden wissen wir nicht, wie viele Winter solche Bauten noch überstehen.”

Welche Folgen hat der Verfall?

In schlechtem Zustand sind laut Nicke alle 80 denkmalgeschützten Gebäude auf dem Gelände. Einige Doppelhäuser, in denen Wohnungen entstehen sollten, seien „wohl nicht mehr zu halten”. Die Kosten, um die Gebäude zu erhalten, beziffert er auf rund fünf Millionen Euro. Auch durch Vandalismus sei auf dem großflächigen Gelände erheblicher Schaden entstanden. Dazu teilte die Pro Potsdam auf Anfrage mit: „Bei einem weiteren Verfall der Gebäude könnten die Einnahmen aus Veräußerungen sinken.” So müssten höhere, derzeit nicht exakt prognostizierbare Sanierungskosten eingeplant werden, wenn der Zustand der Gebäude sich verschlechtere. Insgesamt sollen 70 Millionen Euro investiert werden, die weitere Entwicklung sollen private Bauträger übernehmen. Zugleich würden die verfallenden Bauten immer mehr zum Sicherheitsrisiko für künftige Sanierungsarbeiten, so Nicke. Der Verfall zieht zumindest Filmproduzenten an: Erst 2014 wurde die Science-Fiction-Reihe „Tribute von Panem” in Krampnitz gedreht.

Wie reagiert die TG Potsdam?

Auf die Verfügungen antwortet die TG mit Vorwürfen gegen die Stadt. Mit den Anordnungen werde zwar ein Zwangsgeld angedroht, so TG-Sprecherin Reinholz – allerdings drohe die Stadt nicht damit, die Sicherungsmaßnahmen notfalls selbst durchzuführen. „Dies zeigt, dass es der Stadt Potsdam nicht darum geht, die Denkmäler zu sichern, sondern die TG-Gesellschaften finanziell in die Knie zu zwingen.” Zudem habe die TG bisher nur einen Anspruch auf Übertragung des Areals erworben – eigentlicher Eigentümer sei aber das Land, mit dem die TG wie erwähnt im Rechtsstreit um die Kaserne liegt. Reinholz: „Das Land hat solche Anordnungen nicht erhalten.”

Das Potsdamer Rathaus verweigere sich einem konstruktiven Dialog, so der Vorwurf der TG-Sprecherin. Die umfassende Sanierung der Gebäude werde ohnehin durch die Stadt verhindert, nachdem eine 2008 geschlossene Rahmenvereinbarung zur Sanierung gekündigt worden sei. Der aktuelle Plan der TG sehe vor, mit 355 Millionen Euro Investitionen Wohnraum für 4000 Menschen zu schaffen. Die TG sei auch bereit, die von der Stadt festgelegte Entwicklungsplanung zu realisieren. „Wir haben das mehrfach gegenüber der Stadt erklärt, ohne dass dies zur Kenntnis genommen worden ist.” Die von Baudezernent Klipp erklärte Absicht der Stadt, die TG im Notfall zu enteignen, sei rechtlich nicht möglich, so Reinholz. Und: „Die Landeshauptstadt kann die Entwicklung von Krampnitz nicht in Konfrontation mit der TG durchführen.” Zugleich hieß es von der TG, man habe für die Umsetzung der Pläne einen neuen Investor aus Sachsen gefunden, der auch mit Kasernenprojekten erfahren sei.

Dagegen sagte Pro-Potsdam-Chef Nicke, die TG lege „ein widersprüchliches, nicht nachvollziehbares Verhalten an den Tag“. Ein Entwicklungsziel der TG für das Areal sei zumindest für ihn nicht erkennbar. So habe die TG per Verfügung beim Landgericht – erfolglos – beantragt, dass die städtische Bauholding das Gelände nicht für die nötigsten Sicherungsarbeiten betreten dürfe. TG-Sprecherin Reinholz sagte, man habe im Februar der von der Pro Potsdam angekündigten Fällung von 500 Bäumen widersprochen. Bei dieser Maßnahme sei es nicht um den Schutz von Gebäuden gegangen, sondern um die Vorbereitung von Planungsarbeiten – daher seien die außerhalb der Fällperiode erfolgten Fällungen nicht erforderlich gewesen, so Reinholz: „Keiner dieser Bäume stellte eine Bedrohung für Verkehrsflächen oder Gebäude dar.“ Dagegen sagte Nicke, Pflaster und Dachflächen seien durch Baumbewuchs überwuchert gewesen – dies habe der Entwicklungsträger beseitigt, Genehmigungen hätten vorgelegen. Nicke weiter: „Die Reaktion der TG Potsdam macht deutlich, dass sich diese weder mit den Tatsachen vor Ort beschäftigt noch dialogbereit ist. Es ist deshalb wichtig, dass die Stadt Potsdam schnell die Verfügungsgewalt über das Areal erlangt.“

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