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Landeshauptstadt: Resolution in der Aula

Potsdamer Schüler simulierten eine Woche lang die Arbeit des Europa-Parlaments

Sollen EU-Truppen nach Syrien entsandt werden? Sollen alle EU-Beamten ihre Nebeneinkünfte offenlegen? Sollen Bordelle verstaatlicht werden, um Menschenhandel vorzubeugen? Solche und andere kontroverse Fragen wurden nicht in Brüssel, sondern im Modellprojekt Europaparlament (MEP) diskutiert, das Ende Dezember im Potsdamer Helmholtz-Gymnasium tagte. Die Helmholtzschüler bereiteten sich damit auf das nationale MEP vor, das Ende Februar in Berlin stattfinden wird. Auch die 16-jährige Kyra Heidemanns aus Potsdam wird daran teilnehmen.

Zuvor jedoch simulierten die 22 Schüler eine Woche lang die Arbeit der EU, erstellten in Ausschüssen Resolutionen und stimmten darüber ab. Stilecht hatten sich die Vertreter der insgesamt sechs EU-Länder – die zuvor ausgelost wurden – im Anzug in der Aula eingefunden, stellten am Podium die Resolutionen vor und wahrten auch sonst die Regularien des echten EU-Parlaments. Leiter war der Geschichtslehrer Alexander Hutton, der allerdings nur eingriff, wenn das Geschehen aus dem Ruder lief. Größtenteils arbeiteten die Schüler selbstständig.

„Ein Drittel der Einnahmen aus der organisierten Kriminalität stammen aus dem Drogenhandel“, führt Frankreichs Vertreterin, die 15-jährige Marie-Luise Gritzbach, vom Ausschuss für organisierte Kriminalität aus. Vorschlag: Gründung eines Drogenausschusses zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Strafverfolgung bestimmter Rauschmittel. „Wenn man sagen würde, sie können legal verkauft werden, würde man den Schwarzmarkt stoppen“, argumentiert die Schülerin. „Sind Sie sich der Gefahren bewusst? Sind Sie sich bewusst, warum Drogen illegal sind?“, fragt der 14-jährige Kasimir Netzker für Griechenland. Es entspinnt sich eine Debatte, die Niederlanden werden lauter im Ton: „Sie hängen sich an einem einzigen Punkt auf und ignorieren die ganze Resolution!“, so der 15-jährige Janek Mattheus. Die Resolution wird nicht angenommen.

„Ich fand den Protest unverhältnismäßig“, beschwert sich Mattheus hinterher: „Es geht oft nur darum, den anderen schlechtzumachen.“ Als Vertreter der Niederlande hatte er für die Legalisierung von leichten Drogen argumentiert: „Man soll beim MEP ja immer die jeweilige Landespolitik vertreten.“ Auch die Ausschussvorsitzende Kyra Heidemanns musste erfahren, wie schwierig die Parlamentsarbeit ist: Als sie den Syrien-Ausschuss leitete, kam der von Dänemark und den Niederlanden unterstützte Vorschlag, EU-Truppen zu versenden. „Ich durfte natürlich nicht eingreifen, aber zum Glück wurde das nicht angenommen, da man dann erst eine EU-Armee hätte gründen müssen.“ Trotzdem schafft es die spätere Resolution zur humanitären Hilfe nicht, angenommen zu werden; unter anderem hätten damit Russland Sanktionen gedroht, falls die Waffenexporte nicht eingestellt würden.

Heidemanns hat schon früher an dem Europa-Projekt MEP teilgenommen und wurde 2012 sowohl zum nationalen MEP in Berlin als auch zum internationalen MEP im spanischen Madrid berufen: „Es war etwas unangenehm, im Madrider Parlament als Deutsche immer verantwortlich gemacht zu werden“, erzählt die 16-Jährige: „Es hieß dann immer, die Deutschen wollen austreten.“ Auch in diesem Jahr wird sie als Ausschussvorsitzende beim nationalen MEP in Berlin teilnehmen. Sie persönlich möchte später aber nicht Politikerin werden, denn: „Ich könnte nicht damit leben, dass mich alle Menschen hassen.“ Ihr Traum sei es, Chefin der Europäischen Zentralbank zu werden. Ob das weniger Ärger bedeutet, ist eine andere Frage. Erik Wenk

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