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Übergriffe auf Flüchtlinge in Potsdam: „Rassistische Sprüche und Schubser“

Potsdam ist nicht Heidenau. Dennoch registriert der Verein Opferperspektive in Potsdam mehr Mobbing und subtile Beleidigungen gegen Flüchtlinge. Wie sich das äußert, schildert Beraterin Anne Brügmann im PNN-Interview.

Fast jeden Tag gibt es derzeit Gewalt gegen Flüchtlinge. Frau Brügmann, wie ist die Lage in Potsdam bei rechten Übergriffen?

Potsdam ist zunächst nicht Heidenau. Die Stadt ist nicht im Fokus und Flüchtlinge haben es hier ziemlich gut. Aber es gibt einzelne Brennpunkte wie etwa den Schlaatz. Dort gab es dieses Jahr mehrere Fälle rechter und rassistischer Gewalt, auch in einem Flüchtlingsheim.

Was ist da genau passiert?

Ein Flüchtling war auf dem Heimweg vom Fußballtraining. Zunächst gab es rassistische Sprüche gegen ihn, dann Schubser. Er rannte auf das Gelände der Unterkunft, weitere Angreifer kamen hinzu und prügelten auf ihn ein. Der Wachschutz griff nicht ein. Letztendlich konnte sich der Asylbewerber in Sicherheit bringen.

Eigentlich ist es doch in Potsdam relativ ruhig. Stimmt das?

Ganz klar ist der Rassismus auch bei vielen Menschen in Potsdam in den Köpfen. Wir haben gerade viel zu tun mit Mobbing und rassistischen Anfeindungen gegen Flüchtlinge, die in Wohnungen untergebracht sind. Da wird der Kinderwagen angezündet oder die Tür mit Bauschaum zugeklebt. Es gibt viele subtile Beleidigungen. Eine Kenianerin kommt mit ihren Kindern aus der Wohnungstür und gerade dann kommt auch der Nachbar mit seinen Hunden. Das wirkt dann bedrohlich. Einer Frau wurde ständig der Briefkasten aufgebrochen. In einem besonders krassen Fall wurde eine Frau mit einem Messer bedroht und nachts in ihrer Wohnung verprügelt. Und solche Vorfälle ereignen sich vor allem am Schlaatz. Da verliert man den guten Glauben.

Was kann dagegen getan werden?

Was gut in Potsdam läuft, ist das Netzwerk. Wir finden immer Ansprechpartner, etwa bei der stadteigenen Bauholding Pro Potsdam. Rassistische Gewalt wird nicht abnehmen, solange die Flüchtlingssituation als Problem herbeigeredet wird. So richtig überraschend kommen die Flüchtlinge ja gar nicht. Auch in Potsdam weichen wir von vielen Unterbringungsstandards ab.

Ist der Schlaatz rechts?

Nein, wir bekommen nur mit, dass einzelne Nachbarschaften rechts sind. Aber es gibt insgesamt kein offensives Willkommen, keine freundlichen Blicke. Und wir bekommen hier nur die Spitze des Eisberges mit. Die Dunkelziffer ist hoch.

Wird Rassismus normal?

Diese Wohnungsfälle beschäftigen uns in der Beratung sehr. Das Schwierige dabei ist, dass es bei Übergriffen im Hausflur kaum Zeugen gibt. Wir haben es dabei mit Alltagsrassismus zu tun. Das ist das klassische Argument „ich habe nichts gegen Ausländer, aber ...“.

Das Gespräch führte Stefan Engelbrecht

ZUR PERSON: Anne Brügmann ist Beraterin beim Potsdamer Hilfeverein Opferperspektive. Der Verein unterstützt Betroffene, Angehörige und Zeugen rechter Gewalt und rassistischer Diskriminierung.

Stefan Engelbrecht

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