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Aus dem GERICHTSSAAL: Prostituierte ohne Unrechtsbewusstsein?

Rollstuhlfahrer um 2100 Euro geprellt / Gutachten über Schuldfähigkeit der Sonderschulabgängerin vonnöten

Aus dem GERICHTSSAALRollstuhlfahrer um 2100 Euro geprellt / Gutachten über Schuldfähigkeit der Sonderschulabgängerin vonnöten „Ich kann nicht rechnen“, gesteht Sandra S. * (32) verschämt vor Gericht. Deshalb wisse sie auch nur ungefähr, wie hoch ihre Schulden seien. „Ich glaube, so rund 20 000 Euro.“ „Meine Mandantin besitzt den Abschluss der 7. Sonderschulklasse“, wirft Rechtsanwalt Hans-Jürgen Kernbach erklärend ein. Er ist es auch, der nach eineinhalbstündiger Verhandlung anregt, die vorbestrafte Prostituierte psychologisch begutachten zu lassen – ein Vorschlag, dem Richterin und Staatsanwalt zustimmen. Sollte der Sachverständige zu dem Schluss kommen, Sandra S. sei für ihre Taten voll verantwortlich, droht ihr neben einer empfindlichen Sanktion wegen Betruges zudem der Widerruf zweier offener Bewährungen. Die Liebesdienerin (Stundenlohn 100 Euro) müsste eventuell für mehrere Jahre ins Gefängnis. Sandra S. – so der Staatsanwalt – bot erotische Dienstleistungen in einer Zeitung an. Ein junger Rollstuhlfahrer vom Schlaatz bekundete Interesse. Die Frau stattete ihm am 8. Februar 2004 einen Hausbesuch ab. Sie nahm zunächst die EC-Karte des Behinderten in Empfang, um von seinem Konto absprachegemäß 350 Euro abzuheben. Statt erhoffter schöner Stunden wurde der Potsdamer von Sandra S. allerdings um 2100 Euro geprellt – Geld, dass die Frau zum Begleichen ihrer nötigsten Verbindlichkeiten nutzte. „Mein Ex-Freund riet mir, einfach mehr von dem Konto abzuheben“, berichtet Sandra S. Er habe ihr die entsprechenden Beträge vorgegeben, die sie an den Automaten von Mittelbrandenburgischer Sparkasse und Deutscher Bank eintippte. Am nächsten Tag habe sie den Behinderten aufgesucht, ihm die Karte zurückgegeben und ihr Tun gebeichtet. „Ich habe ein Schuldanerkenntnis unterschrieben“, erzählt die Angeklagte. Sie werde die Summe nun abarbeiten. Wolfgang H. (55) will allerdings Bares sehen. Der Inhaber einer Elektro-Firma wurde von Sandra S. am 17. Februar mit der Installation einer Satellitenanlage – Kosten: 309 Euro – beauftragt. Ein Kollege führte den Auftrag aus. Gezahlt hat die Angeklagte bis heute nicht. Sandra S. windet sich. „Ich sagte dem Mann, er soll am nächsten Tag noch mal kommen. Dann würde ich Geld haben. Aber keiner ließ sich sehen.“ Der als Zeuge geladene Mitarbeiter entgegnet, er habe mehrfach versucht, seine Forderungen geltend zu machen, sei von der Angeklagten anfangs vertröstet, dann allerdings gar nicht mehr empfangen worden. Auch auf eine schriftliche Mahnung habe sie nicht reagiert. „In den nächsten Tagen wird sich der Gutachter bei Ihnen melden“, wendet sich die Vorsitzende an die Angeklagte. „Kommen Sie dann bitte nicht auf die Idee, ihn nicht hereinzulassen. Es steht eine Menge für Sie auf dem Spiel.“ (*Name geändert.) G. Hohenstein

G. Hohenstein

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