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Villa Arnim in Potsdam: Premiumlage mit Nachteil

Die Villa Arnim wird für 1,89 Millionen Euro verkauft. Für Privatpersonen ist sie aber zu laut und zu groß – als Bürogebäude zu repräsentativ. Zu wem passt der Nobelsitz des Industrieclubs Potsdam?

Der alte Wein windet sich an der Mauer entlang, der tiefer gesetzte Garten liegt verwaist. Rosen kriechen auf den Wegen; einzig die Beetumfassungen aus Buchsbaum halten den Wildwuchs im Zaum.

Seit einem halben Jahr steht die Villa Arnim zum Verkauf. Die gesamte Anlage in der Weinbergstraße, sagt Christopher Clemens von Bormann Immobilien am Kurfürstendamm, sei seit ihrem Bau um 1860 weitestgehend unverändert. Damals hatte Ferdinand von Arnim, Baumeister des Königs, sich seinen Wohnsitz in unmittelbarer Nähe zum Schlosspark Sanssouci gebaut. Ein Höhepunkt des Oeuvres des Schinkel-Schülers und prägend für die darauffolgende Villenarchitektur der gesamten Stadt wird die Villa Arnim gerne bezeichnet: streng-geschlossen die Bauform, aber mit großer Freude am Detail. Von Arnim schuf in und um Potsdam noch weitere Bauten, etwa die Friedenskirche oder die Schweizerhäuser in Klein Glienicke.

Vielen ist die Gegend zu laut

Wenn auch in die Anlage seines Wohnhauses selbst kaum eingegriffen wurde, so doch in ihre Umgebung. Die Schopenhauerstraße ist hinzugekommen – und damit das Problem für Immobilienbesitzer und Makler wie Clemens. Im Auftrag einer schwedischen Familie, die größtenteils Mehrfamilienhäuser besitze, soll er die Villa als sortimentfremdes Objekt mit seinen 500 Quadratmetern Wohnfläche auf einem Areal von 1800 Quadratmetern veräußern. Für 1,89 Millionen Euro.

Der Verkauf stocke, sagt Clemens. Etwa aller zwei Wochen führe er Besichtigungen des Anwesens durch, für Gewerbetreibende und Privatpersonen gleichermaßen. Letzteren aber sei die Schopenhauerstraße, eine der Hauptverkehrsadern zwischen der Innenstadt und dem Potsdamer Norden, schlicht zu laut, so Clemens. „Wir hatten hier schon wohlhabende Leute, die meinten, wenn die Schopenhauerstraße nicht wäre, wäre die Villa für eine Million Euro mehr weg.“ Der Immobilienmakler ordnet deswegen sein Objekt in die Kategorie Premiumlage mit Wermutstropfen.

So würde wohl auch Hans-Peter Rheinheimer die Villa Arnim bezeichnen. Aber aus anderen Gründen. Rheinheimer war lange Jahre Vorstandsvorsitzender des Industrieclubs Potsdam. Für die Vereinigung, der zu Rheinheimers Zeiten rund 100 Firmen und Institute angehörten – von der Deutschen Bank bis zum Hasso Plattner Institut – war die Villa Arnim zehn Jahre lang der angemessene Ort für Empfänge, Vorträge, Diskussionsabende.

Das Haus atmet Selbstbewusstsein

Anders als Clemens schwört Rheinheimer auf die Lage: Als der Kaufmann nach fast dreißig Jahren Südamerika zum ersten Mal die Stadt besuchte, war es genau diese Ecke, wie er sagt, also Schopenhauer- und Weinmeisterstraße, die ihn veranlasste, nach Potsdam zu ziehen und die Villa als Repräsentanz des Industrieclubs zu mieten: „Ich traute meinen Augen nicht“, sagt der heute 75-Jährige. Wie sich die Anlage in den Park gegenüber Friedenskirche und Obelisk einfüge. Es sei die Lage, sagt er, die den Wert der dominanten Repräsentanz ausmache. Das Haus atme ein Selbstbewusstsein, unerreicht von heutiger Architektur, sagt Rheinheimer, der damals auch den Verein „Fördergesellschaft für den Wiederaufbau der Garnisonkirche Potsdam“ initiierte.

Die Villa wurde 2003 für den Industrieclub hochwertig saniert. Auf Spendenbasis sollten wertvolle Einrichtungsgegenstände das Interieur der Villa ergänzen. „Die Qualität der Dekoration war erstklassig.“ So kostbar, dass der damalige Ministerpräsident Matthias Platzeck darum bat, dass mangels eigener angemessener Räumlichkeiten der Empfang für den Prinzen von Monaco im Industrieclub stattfinden möge.

Ende 2013 konnten die Nachfolger Rheinheimers allerdings die Miete für das Haus nicht mehr aufbringen. „Man kam unter die Grenze“, sagt Rheinheimer. Und der damalige Vermieter, das Wohnungsunternehmen Semmelhaack, sei nur beschränkt bereit gewesen, entgegenzukommen. „Eine schmerzliche Geschichte“ nennt Rheinheimer die Auflösung des Domizils.

Mindestens eine halbe Million zusätzlich investieren

„Es ist schon ein Liebhaberobjekt“, sagt Christopher Clemens von Bormann Immobilien. Er meint allerdings damit: Eine halbe Million Euro zusätzlich müsse der Käufer mindestens investieren, wolle er es privat nutzen. Im Erdgeschoss fehlt es an sanitären Einrichtungen und das Obergeschoss hat den Bürocharme der Consultingfirma, die zuletzt dort Räume nutzte.

„Ich sehe hier auf lange Sicht keine Privatperson“, sagt Makler Clemens. Vielleicht eine Stiftung, ein Gastronom. Diesen käme immerhin die zentrale und parknahe Lage zugute. Als Bürogebäude findet Rheinheimer die Villa ungeeignet, da viel zu herrschaftlich. Auch sei der Bedarf für Repräsentanzen großer Unternehmen gedeckt. Rheinheimer schwebt – anknüpfend an den Prinzen von Monaco – anderes für die Villa Arnim vor. „Das Gästehaus der Landesregierung – das gehört da rein“, sagt er. Doch „ob die Menschen, die heute die Regierung bestimmen, einen Sinn dafür haben?“, fragt er im gleichen Atemzug. Aber so etwas fehle in Brandenburg. Als Vorbild gilt ihm Magdeburg. Mit dem Gesellschaftshaus, ebenfalls eine herrschaftliche Villa, von Schinkel erbaut und inmitten der Stadt, verfügt die Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts über eine derartige erste Adresse. „Das ist eine Frage der gesellschaftlichen Ästhetik“, sagt Rheinheimer.

Platz wäre in der Villa Arnim sicherlich genug. Der Dachboden, immerhin weitere 180 Quadratmeter Fläche, ließe sich in Absprache mit dem Denkmalschutz zu einem Atrium mit Blick über die Stadt ausbauen, sagt Clemens. Der interessierte Käufer könne zusätzlich auch das angrenzende Kutscherhaus erwerben. Kostenpunkt: weitere knapp 700 000 Euro.

Dass die Villa Arnim in den nächsten Jahren keinen Käufer findet, darüber macht sich Immobilienmakler Clemens bislang keine Sorgen. Solche besonderen Objekte bräuchten Zeit, meint er. „Man muss den einen speziellen Kunden finden.“ Die Landesregierung wird es angesichts der Kosten wohl nicht sein.

Grit Weirauch

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