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Die Espoir gehört zu den ältesten Booten, die in diesen Gewässern unterwegs sind.

© Ottmar Winter PNN

Das letzte Exemplar seiner Art?: Potsdamer Oldtimer wieder im Heimathafen

1920 wurde die „Espoir“ in der Bootswerft Marchot in Potsdam gebaut – nun kehrte der Segel-Kajüt-Kreuzer für eine Reparatur zu seinem Ursprung zurück.

Wieder im Heimathafen: Langsam fährt die „Espoir“ in die westliche Bucht von Hermannswerder ein, wo sich die Bootswerft Marchot befindet. Vom Wannsee bis zur Glienicker Brücke war sie mit geblähten Segeln unterwegs, für den Rest der Strecke wurde sicherheitshalber der Motor angestellt.

Der flache und elegante Segel-Kajüt-Kreuzer gehört zu den ältesten Booten, die in diesen Gewässern unterwegs sind: 1920 war er in der Werft Marchot vom Stapel gelaufen, die sich damals noch an der Alten Fahrt nahe der Nuthemündung befand. Der Familienbetrieb wird mittlerweile in der fünften Generation geführt.

Horst Marchot geht das Herz auf, als er das alte Fabrikat aus seinem Hause an der Anlegestelle liegen sieht. „Diese Boote wurden von meinem Großvater nach dem Ersten Weltkrieg gebaut“, sagt der 92-Jährige, der die Werft selbst mehrere Jahrzehnte geleitet hatte. 1907 hatte Franz Marchot den Grundstein für den Betrieb gelegt, der zunächst vor allem Liegeplätze anbot. Nach dem Ersten Weltkrieg gewann der Wassersport an Popularität und Marchot begann, Sportboote zu bauen.

In dieser Zeit ist auch die Espoir entstanden: Es handelt sich dabei um einen sogenannten „Wendel-Kreuzer“, der vom Potsdamer Konstrukteur F. Wendel entworfen wurde – der Vorname ist nicht dokumentiert. „Für die Segler unterhalb Potsdams war es bisher nicht möglich, mit kleinen Kielbooten auch nur bescheidene Tagesfahrten […] ohne zwei- oder viermaliges Mastlegemanöver zu unternehmen“, heißt es in einer alten Werbeanzeige für den Wendel-Kreuzer. Da es damals noch viel niedrigere Brücken gab, mussten Segler regelmäßig den kompletten Mast umlegen; Wendel konstruierte daher einen Mast mit Gaffel, sodass der obere Teil des Mastes quasi „abgeknickt“ werden konnte.

Horst Marchot leitete die Werft mehrere Jahrzehnte.

© Ottmar Winter PNN

Bootstyp war ein echter Verkaufshit

„Heute ist das natürlich nicht mehr nötig“, sagt Heino Engelbart. Er ist einer von sechs Besitzern der Espoir, die das Segelboot abwechselnd mit ihren Familien nutzen. Seit 30 Jahren ist er schon mit dem Wendel-Kreuzer auf dem Wannsee unterwegs. Hier befindet sich auch der Sommerliegeplatz der Espoir, der „Motor Yacht Club von Deutschland e.V.“ – gegründet im selben Jahr wie die Werft Marchot.

Die Espoir trägt die Nummer 24; Engelbart schätzt, dass von dem Modell mindestens 50 bis 60 Stück gefertigt wurden. Gebaut wurden sie in der Werft Marchot, die mit dem von Wendel entworfenen Bootstyp einen echten Verkaufshit gelandet hatte.

Alle Planken wurden damals per Hand mit dem Fuchsschwanz gesägt.

Horst Marchot über den Bootsbau in den 1930er Jahren

„Ich habe den alten Wendel noch gekannt“, sagt Horst Marchot. „Er hat damals versucht, mir das Bootskonstruieren beizubringen.“ Die Arbeitsbedingungen für die Bootsbauer waren vor hundert Jahren noch ganz andere: „Alle Planken wurden per Hand mit dem Fuchsschwanz gesägt, es gab noch keine Maschinen“, erinnert sich Marchot. Erst Ende der 1930er Jahre kamen die ersten Bandsägen sowie Schienen, um Boote ins Trockene zu ziehen; davor wurden sie einfach über den Sand gezogen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg bauten die Marchots vor allem Fischerkähne, die dringend gebraucht wurden. Nach und nach kamen aber auch wieder Sportboote hinzu. 1969 übernahm Horst Marchot die Werft Miltzlaff auf Hermannswerder und gab den alten Standort an der Nuthe auf.

Mit viel Erfolg baute der Betrieb in den Folgejahren Jollenkreuzer, die meisten wurden über den „Deutschen Innen- und Außenhandel“ nach Westen verkauft, sagt Marchot. Die Werft selbst war privat organisiert und keinem Kombinat oder Ähnlichem untergeordnet. „Wir waren zu klein dafür, wie hatten nie mehr als vier Angestellte.“

Engelbart schätzt, dass von dem Modell 50 bis 60 Stück gefertigt wurden

© Ottmar Winter PNN

Die Espoir nahm zu DDR-Zeiten einige verschlungene Wege: „In den 50er Jahren wurde sie in Kladow in einem Garten gefunden, wo sie auf dem Trockenen stand“, sagt Besitzer Engelbart. „Niemand wusste, wem sie gehörte.“ So wanderte die Espoir nach und nach von Hand zu Hand, der Rumpf des maroden Boots wurde in den 70er Jahren mit Kunststoff laminiert. Im Laufe der Jahrzehnte ist das Material jedoch brüchig geworden: „Es dringt immer mehr Wasser in den Rumpf ein“, sagt Engelbart. Deshalb soll die Espoir nun dort repariert werden, wo sie einst gebaut wurde.   

Hier weiß Engelbart das Segelboot in guten Händen, das einen besonderen emotionalen Wert für ihn besitzt: „Es ist quasi wie ein Ferienhaus auf dem Wasser.“ Zudem hat der Wendel-Kreuzer Seltenheitswert; Engelbart vermutet sogar, dass es das letzte Exemplar seiner Art ist: „Ich habe in den letzten Jahren weder auf dem Wannsee noch auf der Havel ein zweites gesehen.“

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