zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Potsdam geht auf Distanz zu Hindenburg Helmut-Just-Straße: Umbenennung abgelehnt

Das Gras, das über die Ereignisse des 20. Jahrhunderts gewachsen ist, ist noch von sehr spärlicher Natur.

Das Gras, das über die Ereignisse des 20. Jahrhunderts gewachsen ist, ist noch von sehr spärlicher Natur. Das bewiesen zwei äußerst emotional geführte erinnerungspolitische Debatten am Mittwochabend im Stadtparlament. Im Ergebnis wurde die von den Bündnisgrünen beantragte Umbenennung der Helmut-Just-Straße in Groß Glienicke abgelehnt. Auch die von der Fraktion Die Andere begehrte Streichung von Reichspräsident Paul von Hindenburg (1847 bis 1934) von der Potsdamer Ehrenbürgerliste geschieht nicht – weil es eine solche Liste nicht gibt. Stattdessen distanzierte sich die Stadtverordnetenversammlung mit großer Mehrheit von Hindenburg.

Zu Helmut Just erklärte Groß Glienickes Ortsvorsteher Franz Blaser (SPD), dass der noch „vor Mauerbau und Schießbefehl“ von Unbekannten während seines Streifendienstes als Mitglied der kasernierten Volkspolizei hinterrücks Erschossene „keine Täterbiografie“ habe. Daher, und auch weil die Anwohner es so wollten, sollte die Straße nicht unbenannt werden. Das rief Peter Schultheiß (Potsdamer Demokraten) auf den Plan, der erklärte, es sei nicht üblich, Straßen nach Mordopfern zu benennen. Sonst könne man ja auch „in Ludwigsfelde eine Straße nach der Frau des Bürgermeisters benennen.“ Zudem: Man kenne das Mordmotiv nicht. „War es privater oder beruflicher Natur? War es ein Lust- oder Raubmord?“ Der ehemalige Döberitzer Weg könne auch gut anders heißen. „Es gibt sogar Frauen im Namenspool“, erklärte Schultheiß – und zog sich damit die Empörung der Vizestadtpräsidentin Birgit Müller (Linke) zu, die diese Bemerkung „äußerst diskriminierend“ fand. Kurz danach betrat Andreas Menzel (Grüne) das Rednerpult: Just sei per Genickschuss getötet worden – „eine KGB-Methode, Herr Scharfenberg, Sie wissen das!“ Vielleicht habe Just nicht „im Grenzerboxverein“ mitmachen, sondern über die Grenze abhauen wollen. „Der ist regelrecht hingerichtet worden.“ Die Just-Ehrung zur DDR-Zeiten sei „Ausdruck der ideologischen Propaganda der SED“ gewesen, so Menzel. Der angesprochene Linksfraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg blieb gelassen und sagte, mit Straßenumbenennungen sollte sensibel umgegangen werden. Auch Jan Wendt (Die Andere) sprach sich gegen die Umbenennung aus. An Just könne man deutlich machen, „wie junge Menschen instrumentalisiert werden“. Saskia Hüneke (Bündnisgrüne) fand, dass die Debatte dem Thema nicht gerecht wird. Auch bei der Diskussion um Hindenburg rang sie um Sachlichkeit: „Es gibt keine formelle Liste“, von der Hindenburg gestrichen werden könne. Die Liste sei der Zettel, auf dem jeder schreiben könne, „wann wer zum Ehrenbürger auf dessen Lebenszeit ernannt wurde“. Ein distanzierender Kommentar zu allen ehemaligen Ehrenbürgern wäre „in 50 Jahren gutes, stadtpolitisches Dokument“. Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) erklärte: „Hindenburg einfach rausstreichen, wäre Geschichtsklitterung im Sinne, der war nie drin.“ Daher sei eine Distanzierung „der ehrliche Umgang mit der Geschichte“. Sandro Szilleweit (Die Andere) versuchte dann zwar noch, eine bloße Distanzierung von dem „Steigbügelhalter Hitlers“ als inkonsequent hinzustellen, fand damit bei der Mehrheit aber kein Gehör. Guido Berg

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false