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Landeshauptstadt: Pleite – na und?

„Insolvenz-Lady“ Anne Koark sprach über ihre Erfahrungen

Auf den Visitenkarten steht unter ihrem Namen „Pleitier“. Mit Bankangestellten trank sie öfter Kaffee als mit ihren Freundinnen und die Flasche Wasser heute Abend, ist die nicht kostenlos? Anne Koark ist da angekommen, wo kein Unternehmer hin will. Anne Koark ist pleite.

Der Marketing Club Potsdam und die Industrie- und Handelskammer luden am Donnerstagabend ins Hotel Griebnitzsee zu einem Vortrag mit Anne Koark ein, die ihr Buch „Insolvent und trotzdem erfolgreich“ vorstellte. Ein vielversprechender Titel, wäre da nicht zu Beginn der vielversprechende Eintrittspreis gewesen, 25 Euro für Nicht-Mitglieder. „Sollte es Bedürftige geben, finden wir eine Lösung“, versprach Marketing Club- Vorsitzender Götz Friedrich. Vornehmlich richte sich der Vortrag an Unternehmer, nicht an Insolvente.

Zum Glück hatte Anne Koark ihren Beitrag gut gesalzen mit einer Prise Humor und die 40 Zuhörer folgten ihr gern dabei. Der Weg begann mit ihrer erfolgreichen und mehrfach prämierten Frauenfirma „Trust in Business“, welche ausländischen Firmen bei der Ansiedelung in Deutschland half. Abwärts ging es nach den Anschlägen am 11. September 2001. „Die Auslandsinvestitionen gingen auf ein Achtel zurück“, erinnerte sich Koark. Ein Mietvertrag über monatlich 12 000 Euro machte „Trust in Business“ den Garaus. Unumgänglich der Weg zum Insolvenzverwalter.

In nur einem Monat schrieb die Münchnerin ihr Tagebuch der Insolvenz. Ein Bestseller. Sie gründete den Verein „BIG - bleib im Geschäft“, um insolventen Unternehmern zu helfen. „Wer hinfällt, hat viel gelernt“, so Koark. Rund 65 000 Insolvenzen verzeichnet Deutschland jährlich. Die „Insolvenz-Lady“ wird sie genannt und böse ist sie darüber nicht. Böse seien ihr auch nicht ihre Gläubiger. „Sie laden mich zu ihren Weihnachtsfeiern ein und lese ich in München, feuern sie mich aus dem Publikum an.“ Die Potsdamer johlten.

Was so sahnig klingt, darf über die Realität nicht hinweg täuschen. Koark verlor Wohnung, Auto, Handy, Rentenversicherung. Als allein erziehende Mutter von zwei Kindern erhielt sie nicht einmal Kindergeld, denn alle Konten waren gesperrt. Noch heute lebt Koark vom Existenzminimum. Verdient sie mehr, wird dies gepfändet. Der Geschäftsführer der Havelbusgesellschaft, Joachim de Boor, sagte: „Vor vier Jahren wurde ich als Manager arbeitslos, schrieb 90 erfolglose Bewerbungen, wurde depressiv. Gib nicht auf, war mein Motto und ich hatte Erfolg.“ Stehe heute eine Entlassung bei seinen 520 Mitarbeitern an, tue sich de Boor sehr schwer damit. Denn er weiß, „wie sich das anfühlt“.

Können Unternehmer der Insolvenz vorbeugen? Anne Koarks Rat: Kosten flexibel halten, mehrere Banken, als Gründer nur mit Mentoring beginnen, die Hälfte des Umsatzes muss zur Kostendeckung genügen und keine langfristigen Mietverträge. Koark plädiert für eine zweite Chance für Insolvente. 2004 erhielt sie den Lady Business Preis. Unternehmerin ist die 42-Jährige nach wie vor. Sie arbeitet schließlich in der größten Wachstumsbranche: der Insolvenzbranche. Yvonne Zitzmann

Yvonne Zitzmann

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