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Homepage: Paradoxe Ziele im Krieg

Militärforscher studieren Kriege im Wandel

Eigentlich habe die Bundeswehr in Afghanistan keine richtige Strategie gehabt. So lautet die Schlussfolgerung des Militärwissenschaftlers Wolfgang Knöbl zum Einsatz der Bundeswehr im fernen Land. Am Zentrum für Militärgeschichte in Potsdam (ZMSBw) diskutierte man auf der 58. Internationalen Tagung für Militärgeschichte über die „Produktion von Paradoxien“, so der Titel des Vortrages von Knöbl. Mit dem Ende des Kalten Krieges hatten sich die zuvor eindeutigen Konfrontationslinien zwischen Ost und West schleichend aufgelöst, konstatieren die Militärhistoriker. Stellvertreterkriege seien geführt worden: in Afghanistan, im Irak. Der Kommandeur am ZMSBw, Hans-Hubertus Mack, bringt es auf den Punkt: „Der Krieg ist auch nicht mehr das, was er mal war.“ Gegenwärtige Konflikte seien sehr vielfältig. Die Bundeswehr sei augenblicklich in mindestens 15 Auslandseinsätzen unterwegs, so der Institutssprecher Harald Potempa.

Dennoch habe noch keine klare Definition der Rollen von Bundeswehr und Nato nach der Zeit des Kalten Krieges stattgefunden, stellte auch der brandenburgische Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) auf der Tagung fest. Soeben habe er Soldaten und Soldatinnen aus Beelitz in ihre fernen Einsatzgebiete in Mali, Afghanistan und Somalia verabschiedet. Die Einsätze in diesen Ländern seien überaus schwierig, nicht zuletzt deshalb, weil das Ziel des Einsatzes eben nicht der militärische Sieg, sondern die Beendigung der militärischen Gewaltanwendung sei.

Dementsprechend liegt ein Schwerpunkt der soldatischen Ausbildung gegenwärtig bei der Vermittlung von interkulturellen Kenntnissen und der Schulung in Mediationstechniken. Woidke wies auf die militärische Bedeutung Potsdams hin. Diese ergebe sich auch daraus, dass sich das Einsatzführungskommando für Auslandseinsätze der Bundeswehr in Geltow bei Potsdam befinde. Zudem verfüge Potsdam über den einzigen Lehrstuhl für Militärgeschichte in Deutschland.

Mit seinem Vortrag „Die Bundeswehr zwischen Friedenskurs und der Logik des Kampfes“ thematisierte auch Sönke Neitzel, Inhaber des Potsdamer Lehrstuhls, das Dilemma der Bundeswehr, die ihre Rolle in internationalen Konflikten noch nicht so recht gefunden habe. „Deutschland war immer sehr zurückhaltend hinsichtlich seiner Rolle in internationalen Konflikten. Angesichts der deutschen Geschichte ist das kein Wunder. Erst nach dem Ende des Kalten Krieges hat es eine schleichende Entwicklung hin zu robusten Einsätzen gegeben“, stellt der Potsdamer Major Hans-Peter Kriemann fest.

Dass dennoch die notwendige Klarheit zum Zweck des Einsatzes fehlt, beschrieb Knöbl am Beispiel von Afghanistan. Einerseits sei nicht so recht klar, warum denn das internationale Militär überhaupt in Afghanistan einmarschiert sei. Der Auslöser seien die Terrorattacken des 11. September 2001 gewesen. Doch die Drahtzieher hätten in Saudi-Arabien und Pakistan gesessen, nicht in Afghanistan. „Afghanistan war einfach das schwächste Glied in der Kette“, so Knöbl. Andererseits seien die USA schon seit den 1980er-Jahren in Afghanistan präsent gewesen, ebenso wie auch die Sowjetunion, Saudi-Arabien und Pakistan. Nach den Vorstellungen der USA sollte ein westlich geprägter Industriestaat entstehen, eine demokratische Regierung sollte installiert werden. Doch die afghanische Bevölkerung wollte die westliche Kultur nicht übergestülpt bekommen.

Die Fehler aus den 1980er-Jahren hätten die USA dann bei ihrem erneuten Einmarsch konsequent noch einmal gemacht. Niemand habe aus der Geschichte die Lehren gezogen. „Und so werden alle Fehler in Afghanistan wiederholt“, sagte Knöbl. Richard Rabensaat

Richard Rabensaat

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