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Aus dem GERICHTSSAAL: Ortstermin direkt vor dem Gericht Große Aufregung um eine winzig kleine Schramme

Die Aufregung scheint zunächst verständlich. Am 18.

Die Aufregung scheint zunächst verständlich. Am 18. Mai 2007 stößt Helmut H.* (54) beim Einparken mit seinem VW Polo in der Lennéstraße gegen einen BMW. Ein Student beobachtet die Kollision vom Balkon seines Freundes, des BMW-Besitzers. Dem Polo-Fahrer gelingt es schließlich, sein Auto ordentlich abzustellen. Er verlässt den Tatort. Der Student informiert seinen Kumpel. Dann alarmieren sie die Polizei. Die schätzt den Schaden am BMW auf 850 Euro.

Jetzt sitzt Helmut H. wegen Unfallflucht auf der Anklagebank. Wortreich beteuert der Mann, von dem Crash wirklich nichts mitbekommen zu haben. „Ich habe einen Bekannten im St. Josefs-Krankenhaus besucht. Als ich zurück kam, war die Polizei da. Ich wusste gar nicht, was los war“, erzählt er, wischt sich den Schweiß von der Stirn. Sein Verteidiger legt ihm beruhigend die Hand auf die Schulter.

Der Student Christian C.* (22) schildert die Situation so: „Ich war auf dem Balkon, um zu rauchen. Dabei habe ich das Einparkmanöver des Herrn beobachtet. Das sah sehr lustig aus. Er fuhr rückwärts in einem viel zu stumpfen Winkel in die Lücke. Beim Rausfahren stieß er gegen den BMW meines Kumpels. Dessen Auto ist dabei ganz kurz nach vorne gehüpft.“

„Das klingt nach einer etwas heftigeren Berührung. Und die müsste der Angeklagte eigentlich wahrgenommen haben“, schlussfolgert der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft. Die Amtsrichterin blättert in der Akte, schaut dann konzentriert auf die von der Polizei gefertigten Fotos beider Autos. „Der BMW ist an der Stoßstange beschädigt. Der Polo hat an der Seite eine Schramme. Das passt für mich nicht mit dem Unfallhergang zusammen“, schlussfolgert sie. Sofort mischt sich der Angeklagte ein. „Der Kratzer war schon vorher an meinem Wagen. Der ist schließlich nicht mehr ganz neu.“

Die Polizeibeamtin Monika K. (34) fuhr damals zum Unfallort. Sie nahm eine Anzeige auf, machte auch die Fotos. „Für mich stimmen die Schäden überein“, erklärt sie im Zeugenstand. Der Angeklagte habe allerdings bereits damals vehement bestritten, gegen ein am Straßenrand stehendes Auto gefahren zu sein.

„Haben Sie den Polo noch?“, fragt die Vorsitzende. „Klar, ich bin doch damit hergekommen“, pariert Helmut H. Da auch der demolierte BMW in der Nähe des Gerichtsgebäudes parkt und noch nicht repariert ist, regt die Vorsitzende einen Ortstermin an. Schaulustige bleiben stehen, harren der Dinge, die da kommen sollen. Der BMW-Besitzer demonstriert den entstandenen Schaden – eine kaum sichtbare Schramme unterhalb der Stoßstange. Der Verteidiger schüttelt den Kopf. Er ist der Ansicht, sein Mandant könne den Anstoß unmöglich bemerkt haben. Noch immer erregt manövriert dieser seinen Kleinwagen in die vermeintliche Anstoßposition. Kompatibel sind die Schäden auf den ersten Blick nicht. „Wir können ein Gutachten erstellen lassen. Das kostet aber viel Geld“, gibt die Richterin zu bedenken. Dann regt sie an, das Verfahren wegen geringer Schuld gegen eine Geldbuße von 200 Euro einzustellen. Helmut H. ist einverstanden. (*Namen geändert.) Hoga

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