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IHK-Präsidentin Beate Fernengel.

© IHK Potsdam

Position: Wirtschaftspolitik in Potsdam: Ohne Wirtschaft nur ein Leidbild?

Die Wirtschaft sollte Schwerpunkt und nicht Anhängsel in Potsdam sein, meint Beate Fernengel, Präsidentin der Industrie- und Handelskammer Potsdam. Ein Gastbeitrag.

Nicht genug ist es, große Vorzüge zu haben. Man muss damit zu wirtschaften wissen!“ Der französische Schriftsteller und Diplomat François VI. Duc de La Rochefoucauld wusste das schon. Müssen wir das den Potsdamern hin und wieder deutlich sagen? Ich meine, ja.

Brandenburgs Landeshauptstadt hat im vergangenen Jahrzehnt eine dynamische Entwicklung erlebt und ist weiter im Wachstum begriffen. Sie ist auf einem guten Weg, sich zu einem gefragten Wirtschafts-, Forschungs-, Arbeits- und Lebensstandort zu entwickeln. Dabei ist es die hohe Kunst, die weichen und harten Standortfaktoren so in Einklang zu bringen, dass sie Potsdams Aufstieg in den kommenden Jahren weiter befördern. Doch hat Potsdam dafür einen Plan, wie sich die Wirtschaft in den kommenden zehn bis zwanzig Jahren entwickeln sollte? Mir ist er nicht bekannt.

Wirtschaft nicht ausreichend im Leitbildentwurf für Potsdam verankert

Die Aussagen im aktuellen Leitbildentwurf der Landeshauptstadt sind aus unserer Sicht enttäuschend. Die Wirtschaft als eine wichtige Säule städtischer Entwicklung findet sich nicht so, wie es sein sollte, als Schwerpunkt, sondern als Anhängsel wieder. Die Bedeutung der Unternehmen als Wertschöpfer, Arbeitgeber und Steuerzahler wird offenbar verkannt. Darum erfüllen mich die Randnotizen zur wirtschaftlichen Bedeutung und Entwicklung mit Sorge, wenn das neue Leitbild doch das zukünftige Agieren, Finanzieren und Realisieren der Potsdamer Politik und Verwaltung bestimmen soll. Auch wenn wir jetzt eine konjunkturelle Phase erleben, in der es so scheint, als ob sich wirtschaftlicher Erfolg nahezu im Selbstlauf einstellt, so ist das ein Trugschluss. Potsdamer Unternehmen arbeiten hart, was dann auch der Stadt zugutekommt. Hier brauchen wir mehr Schulterschluss: Die lokale Politik und die Verwaltung haben den Einfluss auf den wirtschaftlichen Werdegang der Stadt. Sie stellen die Weichen, ob sich die Standortfaktoren positiv entwickeln – oder eben nicht. Immer wieder erleben wir unnötiges Gezerre wie bei den Parkplätzen, dem Parkeintritt oder der leidigen Bettensteuer, die schnell wieder abgeschafft werden sollte. Handel und Tourismus, zwei eng verzahnte Branchen, können davon ein Lied singen. Das Potenzial wird so bei weitem nicht ausgeschöpft, es fehlt an weitsichtigen und innovativen Lösungen. Wo ist sie denn, die neue Mitte? Ergänzend zur Potsdamer Fußgängerzone in der Brandenburger Straße braucht es endlich einladende und übersichtliche Verbindungen und Übergänge zum Park Sanssouci, zum Holländischen Viertel, über den Alten Markt hin zum Hauptbahnhof.

Es braucht einen Masterplan für die Wirtschaft

Die Potsdamer könnten es wissen: Auffällig sind Parallelen zum Sport, wo oft große Talente nicht den Durchbruch schaffen und ins Hintertreffen geraten, weil sie das harte Training scheuen. Auch Potsdam befindet sich im Wettbewerb mit anderen Regionen und darf nicht zurückfallen. So muss sich die Stadt einen Masterplan Wirtschaft erarbeiten, um den Kurs von Politik und Verwaltung für die kommenden Jahre abzustecken. Dabei gibt es aus unserer Sicht weitere Handlungsfelder zum Antrieb der wirtschaftlichen Entwicklung. Schließlich sind die Einnahmen der Stadt in Hinblick auf Solidarpakt, Bundesergänzungszuweisungen, Länderfinanzausgleich und Zuweisungen des Landes Brandenburg an die Kommunen ab 2019 von deutlichen Kürzungen bedroht.

Ein fehlendes Gewerbeflächenmanagement – dazu werden wir uns heute beim Workshop in der Schinkelhalle klar positionieren – nimmt der Stadt Potsdam die Chance, überregional als Standort für unternehmerische Ansiedlungen und expandierende Bestandsunternehmen in Frage zu kommen. Das reduziert den Handlungsspielraum bei der Entwicklung der Gewerbesteuererträge. Nur zum Vergleich: Bei allen deutschen Landeshauptstädten belegen wir in der Bruttowertschöpfung im produzierenden Gewerbe den letzten Platz, im Gegensatz zur Höhe des Gewerbesteuerhebesatzes. Da befindet sich Potsdam im oberen Mittelfeld der deutschen Landeshauptstädte. Dass Potsdam nie eine Industriestadt war und auch keine sein wird, ist unbestritten. Gerade deshalb gilt es, die kleinen und mittleren Unternehmen zu stärken oder zur Ansiedlung zu bewegen und zu halten.

Mangelhafte digitale Daseinsvorsorge

Wie wird das gehen? Mit eigenen Gewerbeflächen kann die Stadt direkt die Wirtschaft gestalten. Durch Investitionen in die wirtschaftsnahe Infrastruktur wie Verkehr und Breitband werden Wachstumsimpulse gesetzt. Denn ohne, dass die Leute zügig von A nach B kommen, wird es nicht gehen. Ein gemeinsames Verkehrskonzept mit den Umlandgemeinden muss das berücksichtigen. Auch auf der Datenautobahn stecken noch immer Unternehmen im Stau. Zwar hat die Landeshauptstadt inzwischen eines der leistungsfähigsten Breitbandnetze im Land. Aus Golm, Fahrland, Eiche oder Nedlitz erreichen uns jedoch weiter Beschwerden zu mangelhafter digitaler Daseinsvorsorge.

Gerade jetzt – mit der Leitbilddiskussion und absehbarer personeller Neubesetzungen – ist die Chance da, Stadtplanung und Wirtschaftsförderung näher zusammenzurücken. Eine nachhaltige gewerbliche Entwicklung insbesondere in der Innenstadt muss dauerhaft stattfinden. Die Vorzüge des Standortes helfen uns dabei. Nun müssen wir sie – wie eingangs erwähnt – wirtschaftlich nutzen. Jetzt haben wir die Chance zum Handeln. Damit das Leitbild kein Leidbild wird.

Die Autorin ist Präsidentin der Industrie- und Handelskammer (IHK) Potsdam.

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Beate Fernengel

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