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Landeshauptstadt: Öfter unter Verdacht

2016 wurden weniger Kinder vom Jugendamt aus ihren Familien geholt, dafür stiegen Verdachtsfälle

Bis zum 22. November wurden insgesamt 51 Mal Kinder wegen akuter Kindeswohlgefährdung in Obhut genommen, also aus ihren Familien geholt. Das teilte das Jugendamt Potsdam mit. Die Zahlen seien eine Verbesserung gegenüber 2016, wo es 63 Inobhutnahmen gegeben hatte. „Nicht mit eingerechnet sind dabei unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, bei denen automatisch eine Inobhutnahme geschieht“, so Jugendamtsleiter Reinhold Tölke bei einem Pressegespräch am Dienstag. Inobhutnahmen können von einem Tag bis zu fünf Monaten dauern, allerdings werde immer versucht, diese Dauer so gering wie möglich zu halten, betonte Tölke.

Umgekehrt stieg allerdings die Zahl der Verdachtsmeldungen, die Nachbarn, Polizei oder Schulen an das Jugendamt schicken können, wenn sie eine Gefährdung des Kindeswohls vermuten: Waren es 2016 noch 293 Verdachtsmeldungen, sind es in diesem Jahr bislang 327. Tölke wertete diesen Anstieg jedoch als positives Zeichen: „Das ist ein Hinweis, dass mehr Menschen hinschauen und unsere Netzwerke funktionieren.“ Dass sich von 327 Verdachtsmeldungen nur 51 bestätigt haben, sei ein guter Wert für Potsdam, so Tölke: „Das entspricht rund 15 Prozent, damit liegen wir unter dem Bundesdurchschnitt, der eher zwischen 20 bis 30 Prozent liegt.“

Laut Kinderschutzkoordinatorin Nadine Kronemann gingen die meisten Verdachtsmeldungen durch die Polizei ein, gefolgt von Nachbarn und Bekannten. Häufigster Hintergrund sei dabei der Verdacht auf Vernachlässigung: „Das ist auch das, was man am einfachsten sehen kann, etwa wenn Kinder fünf Tage lang immer mit derselben Kleidung in die Schule kommen und Ähnliches“. Körperliche Misshandlungen seien schwerer zu erkennen, am schwersten sei es bei sexueller Gewalt.

Dass Potsdam so gut dastehe, hänge auch mit dem gut ausgebauten Präventionssystem und dem Kinderschutzkonzept der Landeshauptstadt zusammen, das 2014 verabschiedet worden war, so Tölke. Unter anderem gibt es seit 2014 mit dem Angebot der Familienhebammen vier auf die Begleitung junger Familien spezialisierte Hebammen in Potsdam. Allerdings seien diese fast immer ausgebucht. Bis zu zehn Familienhebammen seien laut Kronemann angemessener für Potsdam.

Die Netzwerke seien dagegen gut aufgestellt, man habe mit immer mehr Institutionen Kooperationsvereinbarungen geschlossen: Der Arbeitskreis Kinderschutz, dem Polizei, Staatsanwaltschaft, Jugendhilfe und das Gesundheitsamt angehören, trifft sich vier Mal im Jahr. Außerdem verfügen alle Einrichtungen in der Stadt, die mit Kindern und Familien arbeiten, über eine Liste mit 30 Ansprechpartnern aus der Jugend- und Sozialhilfe, die bei Bedarf kontaktiert werden können.

Im kommenden Jahr soll Potsdams Kinderschutzkonzept evaluiert und fortgeschrieben werden. Kronemann kündigte an, dass vor allem der migrationssensible Kinderschutz stärker ausgebaut werden müsse. 2018 werde auch geprüft, ob die derzeit 110 Mitarbeiter im Jugendamt ausreichend für die Arbeit in Potsdam seien, so Tölke: „Die Einwohnerzahl steigt, die Zahl der Fälle auch, das Personal im Jugendamt ist im Vergleich dazu aber geringer gewachsen.“ Erik Wenk

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