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Landeshauptstadt: Nicht auf Hühner hören Die Potsdamer Theaterschatulle ist eine Senioren-Spieltruppe, die Nachwuchs sucht

Keck leckt sie sich die weiße Pfote, räkelt sich genüsslich und streift sich eitel über ihren langen flauschigen Schwanz. Sabine Mohr braucht keine künstlichen kleinen Plüschohren oder Schnurrbarthaare – die Katze mimt sie auch so völlig glaubhaft.

Von Sarah Kugler

Keck leckt sie sich die weiße Pfote, räkelt sich genüsslich und streift sich eitel über ihren langen flauschigen Schwanz. Sabine Mohr braucht keine künstlichen kleinen Plüschohren oder Schnurrbarthaare – die Katze mimt sie auch so völlig glaubhaft. Und das, obwohl sie nur kurzfristig als Darstellerin eingesprungen ist.

Mohr ist die Leiterin der Potsdamer Theaterschatulle, eine Seniorentheatergruppe, die bereits seit acht Jahren besteht und jedes Jahr ein neues Stück inszeniert. Dieses Jahr widmete sich die Truppe, die derzeit aus sieben Darstellern besteht, einem relativ klassischen Thema: den Fabeln. „Sie sind ein schönes Mittel, auf verspielte Weise Gesellschaftskritik zu üben“, so Mohr, die ausgebildete Theaterpädagogin ist. „Außerdem können die Darsteller verschiedene Facetten ihres Könnens zeigen.“ Und so behandelt das diesjährige Stück „Spieglein, Spieglein. Wenn Tiere uns den Spiegel vorhalten“, das am Freitag Dernière im Schlaatzer Friedrich-Reinsch-Haus hatte, in fünf Fabelepisoden ganz unterschiedliche Themen. Von der klassischen Fuchs-Rabe-Eitelkeit, über das Wertschätzen seiner Mitmenschen bis hin zur falschen Meinungsmache: In der relativ modernen Fabel „Der propere Ganter“ von James Thurber verurteilt eine Schar Hühner einen Gänserich lediglich auf Grund von Gerüchten. „Das ist natürlich eine klare Kritik an der AfD und den haltlos geschürten Ängsten durchs pure Nachplappern“, erklärt Mohr, die auch als Lehrerin für Englisch und Französisch gearbeitet hat.

Immer wieder greift sie mit der Truppe kritische Themen auf, im Jahr 2012 etwa die Finanzkrise. Gegründet hat Mohr die Theaterschatulle 2009 aber eher, weil sie die Kreativität von Senioren stärker in den Fokus der Gesellschaft rücken wollte. „Ich war frisch nach Potsdam gezogen und war entsetzt, wie wenig es im Bewusstsein der Stadt verankert war, dass sich auch ältere Menschen aktiv einbringen können“, erzählt die 62-Jährige. „Dabei können wir alle so viel voneinander lernen.“ Deswegen wünsche sie sich auch mehr integratives Theater. Mohr selbst arbeitet in mehreren Theaterprojekten, gibt Unterricht und arbeitet auch mit Flüchtlingen zusammen. Das von ihr betreute Projekt „Brücken bauen“ ist Mitte November im Drewitzer Begegnungszentrum Oskar zu sehen und dreht sich um das Thema Entdecken.

Ähnlich wie auch das allererste Stück der Theaterschatulle „Lebens(t)räume“, in dem es darum ging herauszuarbeiten, was verlorene oder vergangene Wünsche und Träume gewesen sind. „Damals hatten wir eine 87-jährige Dame in der Gruppe, die das erst gar nicht verstanden hat“, erinnert sich Mohr. Letztendlich brachte sie aber drei Ideen ein und spielte in dem Stück ein Modell – und erlangte dadurch lokale Berühmtheit, wie die Theaterleiterin lachend ergänzt: „Die Leute haben ihr danach in der Straßenbahn zugewinkt, das war sehr schön.“

In diesem Jahr hat sich die Gruppe gerade neu zusammengesetzt, Mohr ist mit 62 Jahren die Jüngste, eine Alterseinschränkung gibt es nicht. „Wir hatten auch schon eine sozialpädagogische Studentin bei uns, alle Theaterinteressierten können sich bei uns melden“, sagt sie. Wer Interesse hat, könne entweder eine Mail an sabine.mohr@live.de schreiben oder sich im Begegnungszentrum Oskar melden, wie sie sagt. Im nächsten Jahr startet eine neue Saison, die Ideenfindung beginnt allerdings jetzt schon. Dabei ist die Truppe nicht nur auf der Suche nach Darstellern, sondern auch nach Helfern für Kulisse, Musik oder Öffentlichkeitsarbeit. Gerade für sie sei es nicht immer einfach, alle Aufgaben unter einen Hut zu bringen, sagt Mohr. Die Verantwortung dafür würde sie gerne teilen.

Letztendlich überwiege aber der Spaß, meint die 62-Jährige. Selbst dann, wenn – wie am Freitag – eine Darstellerin wegen eines Handgelenkbruchs ausfällt und die Chefin selbst einspringen muss.

Sarah Kugler

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