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Karin Tondorf und Mahran Mourad im Deli.

© Andreas Klaer

Maultaschen und Merguez: Neues Potsdamer Restaurant bringt Freiheit auf den Teller

Wie Mahran Mourad aus Syrien und die Wissenschaftlerin Karin Tondorf in der Landeshauptstadt ein weltoffenes Café gründeten - und was die beiden verbindet.

Wie er da steht, schwarzes Hemd, schwarze Schürze, hinter sich der Eingang ins Haus und ins Restaurant, macht Mahran Mourad, 2015 als Flüchtling in Deutschland gelandet, den Eindruck, an einem besonderen Punkt angekommen zu sein. Er lächelt, stellt sich als Mahran vor und begleitet den Gast hinein, wo hinterm Tresen mit der leuchtend-bunten Auswahl frischer Speisen Karin Tondorf steht.

Beide haben vor wenigen Wochen das Deli Potsdam in der Lindenstraße eröffnet. Im Restaurant treffen die kulinarischen Traditionen aus dem Mittelmeerraum und dem Orient mit denen aus Europa aufeinander, und die Menschen sollen sich hier genauso unkompliziert mischen, wünschen sich die beiden Gastronomen.

Karin Tondorf und Mahran Mourad haben das direkt selber gemacht. Karin Tondorf ist Soziologin und berät als Expertin für Entgelt- und Gleichstellungspolitik unter anderem Behörden und Ministerien. Außerdem ist sie seit 30 Jahren Fotografin – unter dem Künstlernamen K.T. Blumberg, zeitweise unterhielt sie eine eigene Galerie. Als sie 2015 in Neuseddin in einem Café für Flüchtlinge mitarbeitet, lernt sie Mahran kennen.

Er ist Kurde, 40 Jahre alt, stammt aus Syrien, und ist allein unterwegs. Mahran hat Erfahrung in der Gastronomie. „Ich bin nach der 7. Klasse aus meinem Dorf nach Damaskus gegangen, um dort in einem Restaurant zu arbeiten“, erzählt er. „Ich hatte großes Heimweh – das erste Mal in dieser großen Stadt – aber ich musste Geld verdienen.“ Also lernt er kochen und was sonst so zu tun in der Gastronomie.

Die Fotokunst verbindet sie

Nach seiner Flucht sucht er sich hier sobald es geht Jobs, in Potsdam, später in einem orientalischen Restaurant in Berlin. Der Kontakt zu Karin Tondorf bleibt, auch die Fotokunst verbindet sie. Mit Tondorfs Unterstützung kann Mahran in einer Potsdamer Galerie ausstellen. Nebenher entsteht langsam die Idee, zusammen etwas Unternehmerisches zu wagen, und so übernehmen sie 2020 die Cafeteria im Oberstufenzentrum in Waldstadt, bekochen Schüler und Lehrer. Dann endlich trauen sie sich, ein eigenes Café mitten in Potsdam zu eröffnen.

Im Deli wird Frühstück und Mittagessen serviert.

© Andreas Klaer

Der Name Deli Potsdam soll an die Tradition der Einwanderer in Amerika erinnern, die in New York ihre Restaurants gerne Deli - von Delikatessen - nannten, sagt Tondorf. So ein weltoffener Ort wollen sie sein mit einer Küche ohne Dogma: Hier gibt es zwar vor allem Gemüsiges, aber auch Gerichte mit Fleisch und eine feine Weinauswahl. Kaffee mit Milch oder Milchersatz – sie haben keinen missionarischen Eifer, von etwas zu überzeugen. Außer von dem, was sie täglich frisch auf die Karte setzen. Die Zutaten holen sie von einem Großmarkt in Berlin oder sie kaufen in den türkischen Läden in Potsdam ein. Gewürze sind ganz wichtig, gutes Olivenöl, Fladenbrot, Teig für Börek.

Wer sich nicht auskennt, darf Fragen stellen. „Wir kommen übers Essen schnell mit den Gästen ins Gespräch“, sagt Karin Tondorf. Mahran erzählt, was es in seiner Kindheit für ihn zum Frühstück gab: Selbstgemachter Käse, Joghurt und Brot, das man in Olivenöl und dann in Zatar, eine arabische Gewürzmischung, stippt. Das kann man auch hier zum Frühstück bekommen. Oder gleich mal probieren, einfach so, schon ist ein kleines Tellerchen befüllt.

Maultaschen und Merguez, Dal und Taboulé

Auf der Karte finden sich Tagesgerichte querbeet durch die Kulturen, Maultaschen und Merguez, Kokos-Linsen-Dal, Meeresfrüchtesalat, und immer wieder gebackenes Auberginen-Tomatengemüse. Das muss man getrennt kochen und erst zuletzt mischen, sonst wird es matschig, sagt Mahran. Gilt auch für Taboulé, den libanesischen Petersiliensalat mit Tomaten und Bulgur. Den Tomatensaft erst ablaufen lassen, ist sein Tipp.

Die Küche trägt Einflüsse aus Orient, dem Mittelmeerraum und Europa.

© Andreas Klaer

Die Küche ist vor allem Handarbeit, viel schnippeln und rühren, für Hummus und alle möglichen Pasten und Salate. Wer sich nicht entscheiden kann, bekommt für 13.50 Euro einen bunten Teller, der so herrlich leuchtet, dass es auch optisch eine Wucht ist. Ein Ornament, ein Kunstwerk. Rote Bete und Orange von Karotten, schneeweißes Joghurt mit Auberginen. Samtiger Hummus.

Die Gäste kommen vom ersten Tag. Es sind Geschäftsleute aus der Nachbarschaft, Freunde, Touristen, manchmal auch Lehrer aus dem Oberstufenzentrum, die ihre früheren Köche vermissen. Man bekommt Frühstück oder Mittagessen zum Sattessen, manche nehmen ein Abendbrot von hier mit nach Hause. Sie bieten im Deli auch Catering an, das laufe sehr gut, sagt Karin Tondorf.

Das Deli in der Lindenstraße hatte vom ersten Tag an Gäste.

© Andreas Klaer

Willkommen ist auch, wer nur auf einen Tee oder Espresso reinschneit. Willst du Zucker, fragt Mahran, und sagt dann, schelmisch: „Rühr doch einfach den Kaffee mit deinem Finger um.“ Das ist ein Scherz, der in Syrien gerne mit Frauen gemacht wird. Weil die so süß sind, braucht‘s keinen Zucker, da reicht ein Finger im Kaffee. Wenn Mahran das so unbeschwert erzählt, schwappt ein Stück Heimat in das Potsdamer Café.

Es gibt mir Kraft für mein Leben, wenn ich sehe, wie unsere Gäste zufrieden sind.

Mahran Mourad

Er freut sich, wenn er Menschen zum Lachen bringen kann. „Es gibt mir Kraft für mein Leben, wenn ich sehe, wie unsere Gäste zufrieden sind“, sagt er. Einmal ist er spontan zum arabischen Laden gerannt, um für eine Kundin eine Tüte Zatar zu besorgen. Dafür hatte sie gerade geschwärmt. Und plötzlich stand er da, die Tüte in der Hand. „Wir sind ein unkomplizierter Ort. Wir sind doch frei, weißt du?“

Zu dritt sind sie mittlerweile ein eingespieltes Team. Ihre Mitarbeiterin Kerstin Gaugelhofer macht die Frühstücksschicht, Mahran kocht, Karin Tondorf ist vorne im Lokal. Um 19 Uhr ist Feierabend. Mahran steht auf dem Bürgersteig, Menschen sind unterwegs, Blätter trudeln von den Linden. Eine gute Straße, findet er. Karin Tondorf hat ihm aber auch das frühere Gefängnis, heute Gedenkstätte Lindenstraße, gezeigt, zwei Mal war er drin, hat sich alles angesehen. Ein Gefängnis wie es sie gibt in der Welt, sagt Mahran, auch in Syrien. Aber er ist jetzt hier.

Lindenstraße 59. Täglich von 9 bis 19 Uhr geöffnet, außer Sonntag. https://deli-potsdam.de/

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