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Landeshauptstadt: Neptuns Probleme

Heute sollen die Stadtverordneten über den Neubau für die Weisse Flotte abstimmen – nach sieben Jahren erbitterten Streits. Der Ausgang ist aber wieder völlig offen, ein Antrag der Bündnisgrünen, die Entscheidung zu vertagen, wurde abgelehnt.

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Am frühen Mittwochabend beschäftigten sich die Potsdamer Stadtverordneten mit dem Bauprojekt der Weissen Flotte im Lustgarten.  Ein Antrag der Bündnisgrünen zu Beginn der heutigen Sitzung der Stadtverordeneten, das Thema abschließend erst im März zu behandeln, wurde mit 18 zu 19 Stimmen abgelehnt. Die Grünen begründeten ihren Antrag damit, dass die aktuellen Widersprüche und Fragen zu Bau- und Urheberrecht keine Basis für eine Entscheidung sein würden.

Tatsächlich ist über kaum ein Bauvorhaben in Potsdam so lange so erbittert gestritten worden wie über den geplanten Neubau für die Weisse Flotte. Sieben Jahre nach den ersten Planungen sollen die Stadtverordneten am heutigen Mittwoch nach dem Willen der Stadtverwaltung und des Fahrgastschifffahrtsunternehmens die Debatte beenden. Die Vorlage der Stadt sieht eine Veränderung der Sanierungsziele für den Lustgarten vor, die es der Flotte ermöglicht, am Rande des Neptunbassins einen winkelförmigen Neubau zu errichten. Entworfen hat ihn der Architekt Karl-Heinz Winkens. Nach einem Beschluss des Hauptausschusses soll der Baukörper an der Wasserseite um 15 Meter gekürzt werden. Die Weisse Flotte soll ihr Baugrundstück außerdem kaufen oder wenigstens per Erbbaupacht langfristig übernehmen dürfen. Doch der Widerstand gegen das Projekt wird immer größer – auch weil viele Fragen offen sind. Hier die wichtigsten:

Das Urheberrecht am Lustgarten

2001 hatte das Architekturbüro Dietz- Joppien den Wettbewerb zur Gestaltung des Lustgartens gewonnen. Laut Paragraf 14 des Urhebergesetzes erlischt das Urheberrecht erst 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers. Für den Fall, dass die Stadtverordneten den Flottenneubau am Neptunbassin beschließen, haben Dietz-Joppien gegenüber den PNN eine Klage wegen Verletzung des Urheberrechts angekündigt. Sollte es dazu kommen, will die Stadt ihrerseits Klage einreichen, um feststellen zu lassen, ob das Urheberrecht überhaupt betroffen ist (siehe Interview unten). Da das Werk der Architekten durch eine Bebauung des Neptunbassins möglicherweise erheblich beeinträchtigt wird, hat eine Klage von Dietz-Joppien nach Ansicht von Tobias Lettl, Professor für Urheberrecht an der Universität Potsdam, durchaus Aussicht auf Erfolg. Das Gericht müsste die Interessen der Architekten gegen die des Grundstückseigentümers, also der Stadt, gegeneinander abwägen. Dass die Belange der öffentlichen Hand vor Gericht mitunter höher eingeschätzt werden, zeigt das Beispiel Stuttgart 21. Das Oberlandesgericht Stuttgart wies eine Klage der Architekten gegen die Veränderungen am Bahnhof ab. Die Interessen der Bahn wogen für das Gericht schwerer als das Urheberrecht. Der renommierte Baurechtspezialist Ulrich Battis glaubt allerdings an eine „relativ starke Position“ der Architekten. Battis ist in Potsdam ein Begriff, seit er der Potsdamer Bau- und Denkmalbehörde in einem Gutachten systematische Willkür bescheinigte.

Das Baurecht am Neptunbassin

Auch diese Frage ist strittig. Die Stadt definiert den Lustgarten als Außenbereich und will das Projekt nach Paragraf 35, Absatz 2, des Baugesetzbuchs dort als „sonstiges Vorhaben im Einzelfall“ genehmigen, um damit den Flächennutzungsplan auszuhebeln, in dem der Lustgarten als öffentliche Grünfläche festgesetzt ist. Das ist rechtlich möglich, wenn durch das Projekt öffentliche Belange nicht beeinträchtigt werden und die Erschließung gesichert ist. Der Kommunalrechtsprofessor Thorsten Ingo Schmidt von der Uni Potsdam hat allerdings Zweifel. Wenn durch das Neubauprojekt Sichtachsen beeinträchtigt werden, würde dies den Wert des Lustgartens als Erholungs- und Grünfläche schmälern, so Schmidt. Auch sei es fraglich, ob etwa die Verwaltung der Flotte, die ebenfalls in dem Neubau untergebracht werden soll, die Funktion des Lustgartens als Erholungsgebiet unterstützt. Allenfalls für das Restaurant greife diese Argumentation, auf die die Stadt ebenfalls ihre Aussage stützt, dass das Projekt genehmigungsfähig ist. Der Baurechtler Battis bezweifelt, dass ein Park in der Innenstadt Außenbereich ist: „Das ist eine schwierige Rechtsfrage, warum das Außenbereich sein soll.“

Die Haltung der Stadtverordneten

Nachdem der Hauptausschuss in der vergangenen Woche die Neubaupläne abgenickt hat, schien die Zustimmung des Kommunalparlaments nur noch Formsache zu sein. Angesichts der Probleme ist der Ausgang in der heutigen Sitzung der Stadtverordneten nun aber wieder völlig offen. Die CDU, bislang starker Verfechter des Neubaus am Neptunbassin, will eine Entscheidung mindestens zwei Monate aufschieben, bis alle rechtlichen Fragen geklärt sind. Wolfhard Kirsch (Bürgerbündnis) hält das Bauprojekt für nicht entscheidungsreif. Er werde die Rücküberweisung in den Bauausschuss beantragen, erklärte er am Dienstag den PNN. Kirsch nannte den Vorschlag der Lustgarten-Architekten Dietz-Joppien, den Flotten-Neubau südlich des Neptunbeckens zu errichten, „eine vernünftige Verhandlungsgrundlage“. Damit fühlen auch die Bündnisgrünen wieder Rückenwind, die den Bau ohnehin lieber am Bahndamm gesehen hätten. Fraktionschefin Saskia Hüneke fordert die Klärung aller offenen Fragen und will zudem einen Antrag stellen, wonach der Dietz-Joppien-Vorschlag verwirklicht wird. Die Linke hingegen bleibt bei ihrer Haltung und will dem Entwurf von Winkens ihre Zustimmung geben. Sonst bestehe die Gefahr, dass die jetzige Neubau-Chance verspielt werde, sagte Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg. Ankommen wird es auf die Haltung der SPD. Obwohl die Verwaltung Monate für eine rechtliche Bewertung Zeit hatte, habe man die Stellungnahme – und auch nur auf Nachfrage – erst am gestrigen Dienstag erhalten, kritisierte SPD-Fraktionschef Mike Schubert. Bis heute Mittag werde seine Fraktion die Stellungnahme der Stadt prüfen. Dann werde man entscheiden, wie abgestimmt werden soll, so Schubert.

Der Bauherr

Die Chefs der Weissen Flotte können derweil nur hoffen, dass ihre Neubaupläne nicht wieder zerplatzen. Er appelliere an die Stadtverordneten, sich an die Standortgarantie für den Lustgarten zu halten, sagte Flottenchef Jan Lehmann. Er warf Dietz-Joppien vor, ihren Entwurf nicht mit der Flotte abgestimmt zu haben. Die Klagedrohung sei nur ein Versuch, die Stadtverordneten zu verunsichern.

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