zum Hauptinhalt
Schnitzeljagd im Grünen.

© A. Klaer

Hype um Pokémon Go in Potsdam: Monsterjagd auf der Freundschaftsinsel

Das Smartphone-Spiel Pokémon Go hat auch in Potsdam Hunderte Anhänger. Mancher entdeckt bereits das kommerzielle Potenzial.

„Da ist gerade eins aufgetaucht!“ Björn Neun zeigt auf sein Smartphone: Auf dem Bildschirm ist der Eingang zur Wilhelmgalerie zu sehen, davor schwebt eine virtuelle bunte Muschel mit Augen – ein Pokémon. Neun wischt mit dem Finger auf dem Smartphone, um es zu fangen, doch es entwischt ihm wieder. Er zuckt mit den Schultern: „Das war zu stark.“

So wie der 28-Jährige machen es derzeit Hunderte Potsdamer: Der Hype um das Smartphone-Spiel „Pokémon Go“, bei dem man die bunten Pokémon einfängt und dann gegeneinander kämpfen lässt, hat längst die Landeshauptstadt erreicht. Obwohl die App in Deutschland erst am 13. Juli veröffentlicht wurde, sind die Monsterjäger seit zwei Wochen in großer Zahl an Orten wie der Freundschaftsinsel auf der Pirsch. Hier und an vielen anderen Plätzen befinden sich, für Nicht-Spieler unsichtbar, sogenannte Pokéstops und Arenen.

Auch die über 680 Mitglieder zählende Facebookgruppe „Pokémon Go Potsdam“ wächst stetig. „Wir hatten die Gruppe eigentlich nur für unsere Freunde gegründet“, sagt Sophia Neun. „Wir hätten nie gedacht, dass es so viele werden.“

Kaum jemand spielt alleine

Zusammen mit ihrem Ehemann Björn Neun steht sie vor der Wilhelmgalerie, denn auch hier befindet sich ein Pokéstop, an dem man Boni erhalten kann: Ein Blick aufs Smartphone zeigt eine Karte der Stadt, auf der blaue Würfel in der Luft schweben. „Da hinten bei der Volksbank wird gerade eine Arena von Team Rot angegriffen“, sagt Björn Neun und zeigt auf die wild umherfliegenden Pixel.

Regelmäßig zieht Neun mit Freunden durch Potsdam, um Pokémon zu fangen, Punkte zu sammeln und Level aufzusteigen. Kaum jemand spielt alleine: „Man muss zusammenarbeiten“, sagt Neun. „Durch das Spielen habe ich sogar eine alte Schulfreundin wieder getroffen, die ich seit 14 Jahren nicht mehr gesehen habe. Wenn man sich durch das Spiel draußen bewegt und neue Leute trifft, hat es sich schon gelohnt.“

Pokémon Go basiert auf dem ebenfalls GPS-gestützten Smartphone-Spiel „Ingress“: Auch hier bewegt man sich durch die Umgebung, nimmt Portale ein oder schützt sie. Einen weltweiten Hype hat Ingress jedoch nicht ausgelöst. Warum ist das bei Pokémon Go anders? Es spreche den Jäger- und Sammler-Trieb an, meint Neun. Denn Ziel des Spiels ist es, alle 150 Pokémon zu fangen. Ein anderer Grund dürfte noch wichtiger sein: „Viele Spieler sind genau wie wir Mitte Zwanzig und sind 1999 mit der Anime-Serie Pokémon aufgewachsen“, sagt Neun. „Man hat beim Spielen ein wunderbares Nostalgie-Gefühl und erlebt wieder ein bisschen Kindheit.“

Ein Pokéstop befindet sich vor der Bar Gelb

Jetzt geht es Richtung Freundschaftsinsel, denn auch dort befindet sich ein Pokéstop – und nicht nur das: „Ab 19 Uhr kann man dort ein sehr seltenes Pokémon finden“, verrät Neun. An dem Treffpunkt unweit des Haupteinganges haben sich bereits Dutzende Spieler versammelt. „Da ist Dratini!“, ruft plötzlich jemand, aufregt schauen alle auf ihre Smartphones. „Ich hab’s gefangen!“, freut sich Sophia Neun, denn das schlangenartige „Dratini“ war das seltene Pokémon, von dem zuvor die Rede war.

Bislang ist die Pokémon Go-App zwar kostenlos, aber manche haben bereits das kommerzielle Potential für sich entdeckt: Ein Pokéstop befindet sich vor der Bar Gelb in der Charlottenstraße, die mit Rabatten für Pokémon Go-Spieler wirbt.

Während sich die Barbetreiber über den Besuch von Spielern freuen, sieht es bei Friedhöfen oder Gedenkstätten anders aus. So befindet sich etwa ein gern frequentierter Pokéstop in der Nähe des Holocaust-Denkmals „Befreiung“ auf dem linksalternativen Freiland-Gelände. Für Aufsehen sorgten auch Berichte, dass man Pokémon in der Gedenkstätte Auschwitz fangen konnte. „Es ist aber möglich, diese Orte zu melden und aus dem Spiel nehmen zu lassen“, betont Björn Neun.

Besonders kritisiert werden die Unfälle

Bislang sei dies in Potsdam kein Problem, sagt Stadtsprecher Markus Klier: „Sollte sich dies ändern, werden sich die betroffenen Institutionen an die App-Entwickler wenden und darum bitten, die GPS-Koordinaten sensibler Orte aus dem Spiel zu nehmen. Dazu zählen unter anderem die Gedenkstätte Leistikowstraße und die Gedenkstätte Lindenstraße 54 sowie alle Friedhöfe der Stadt.“ Klier appelliert an die Spieler, solche Orte von ihrer Jagd auszuklammern.

Nicht alle sehen das so: Die Verwalter des Stahnsdorfer Südwestkirchhofes hoffen, dass die vielen Pokémon Go-Spieler, die seit Wochen über den Friedhof laufen, nebenbei auch den Ort und seine Geschichte entdecken (PNN berichteten).

Besonders kritisiert an Pokémon Go werden aber die Unfälle, die passieren, weil Spieler völlig in ihr Smartphone vertieft sind und sich dabei durch die Stadt und im Verkehr bewegen. Aber auch das scheint in Potsdam eher selten zu sein. Laut der Polizeidirektion West liegen bislang keine durch Pokémon Go verursachten Unfälle vor.

Björn Neun nervt es, dass ständig über Pokémon Go-Spieler gelästert wird: „Einen Unfall kann man ja auch haben, wenn man mit dem Handy am Steuer telefoniert – darüber regt sich keiner auf.“ Dennoch sollte man natürlich aufmerksam bleiben, so Neun. Außerdem müsse man gar nicht ununterbrochen auf sein Smartphone schauen, um neue Pokémon zu entdecken, denn es vibriert, wenn eines der Monster in der Nähe ist. „Wer die ganze Zeit nur raufstarrt, macht etwas falsch“, sagt Neun.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false