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Landeshauptstadt: Mit Zuckerbrot und Peitsche

und ohne Urlaub: Wer eine Pferdepension betreibt, hat eine schöne Leidenschaft zu einem harten Beruf gemacht

und ohne Urlaub: Wer eine Pferdepension betreibt, hat eine schöne Leidenschaft zu einem harten Beruf gemacht Von Guido Berg Früher kam das Pferd zum Hufschmied. Heutzutage ist es umgekehrt. Gerade biegt Frank Hennig aus Falkensee mit seinem Lieferwagen um die Ecke, ein staatlich geprüfter Hufbeschlagsschmied, es hätte auch ein Paketzusteller sein können, so selbstverständlich, wie er angefahren kommt. Aber das ist schon alles, was sich in seinem Metier seit Erfindung des Automobils geändert hat. Hennig packt die „frische Schmiedekohle“ („die kriegt man nicht mehr so einfach“) aus und beginnt das Feuer auf einem Gestell zu schüren, das der Städter für einen stabilen Gartengrill gehalten hätte. „Guten Tag, wir sind hier, weil wir über die Probleme der Pferdepensionshöfe recherchieren“. Hennig feixt, „die haben nur ein Problem, der Schmied ist zu teuer“, und meint natürlich das Gegenteil. Hufbeschlag, vier Eisen glatt: 90Euro, vier Mal ausschneiden und berunden: 65 Euro. Ach nein, findet Inge Huschke, die in Satzkorn seit 1999 den Barock-Pferdehof-Huschke aus dem märkischen Boden stampft. Der Hufschmied ist nicht das Problem, der hat immer den gleichen Preis, da kann man kalkulieren. Aber der Tierarzt! Nur die Wurmkuren sind überschaubar, ansonsten Also, sie war mal mit einem ihrer eigenen Pferde für zwei Stunden in der Klinik – 1000 Euro. Da ist schnell mal ein Gehalt weg. Bei einer Operation können es auch 3000 Euro sein. Gerade nach der Euro-Umstellung müssten die Leute ihr Geld zusammen halten. Auch einige ihrer Boxen im Stall seien leer. 210 bis 260 Euro kostet auf dem Hof Inge Huschkes eine Pferde-Vollpension im Monat. Putzen und bewegen müssen die Besitzer ihre Tiere selbst. Wobei bewegen nicht reiten heißen muss. Vor dem Stall steht ein „Horse Gym 2000“, ein Laufband für Pferde. Die 16 Prozent Mehrwertsteuer, die laut Gerichtsurteil ab 1. Januar 2005 auch von Pferdepensionen zu zahlen sind – statt bisher sieben Prozent – die tun Inge Huschke nicht unbedingt weh: Sie habe schon bisher immer 16 Prozent an das Finanzamt überwiesen. Weil sie falsch beraten wurde. Beim Schmied kommt indes Glut auf. „Ach, eins hat sich noch geändert“, ergänzt Hennig, „wir müssen das Schmiedefeuer nicht mehr mit dem Blasebalg in Gang halten“. Das macht jetzt ein Elektromotor mit Gebläse. Er erzählt gern über sein Beruf. „Das gibt“s noch?“, würden die Leute oft fragen. 40 000 bis 50000 Pferde grasen allein in Brandenburg – „und solange es Pferde gibt, wird es auch Schmiede geben“. Hennig lacht: „Aber mach nicht so viel Reklame“, sagt er, „sonst wollen die Jungs alle Schmiede werden – von wegen, Konkurrenz belebt das Geschäft.“ „Black Diamant“ trippelt nun ein wenig auf der Stelle. Hennigs Mitarbeiter Hans Knöbl und Dirk Ludwig, zwei Kerle mit Pranken wie Schraubstöcke, wie man so sagt, wollen dem 14-jährigen Friesenhengst an die Hufeisen. „Der hat “ne Weile im Stall gestanden, da ist er unruhig“, mahnt Inge Huschke zur Vorsicht. „Wenn er zuckt, kriegt er eine in die Seite“, gibt Hennig zum Besten und meint es natürlich nicht so. „Hey, ich hab“ wieder Kuchen gebacken, seit nich“ so frech“, lacht die Pferdepensionswirtin, die ursprünglich aus Berlin-Spandau kommt. „Na ja“, meint sie, „Pferde hält man schon wirklich sprichwörtlich mit Zuckerbrot und Peitsche.“ Die alten Eisen sind ab. Jetzt wird der Huf abgeschabt und ausgeschält. Mit Hufeisen läuft sich das Pferd die Hufe nicht mehr von allein ab. „Black Diamant“ knickt die Läufe ein ohne zu zucken, völlig unbeeindruckt, selbst als die neuen Eisen bei 600 Grad Celsius aufgebrannt werden und es zu qualmen beginnt. „Der Huf ist wie ein Schuh ein guter Isolator, weder Kälte noch Wärme spürt das Pferd“, erzählt Hennig. Bonny, der Hofhund, frisst derweil die nach dem Hufbeschneiden herum liegenden Pferdehufnägel und Inge Huschke muss ihn ermahnen, „sonst kotzt er mir heute abend wieder ins Zimmer“. Hennig schlägt die Nägel ein, durch die die Eisen am Huf befestigt sind, Inge Huschke wird nach ihren Sorgen befragt. Da ist das alte Gutshaus direkt neben den Ställen. Und die Sache mit der Reithalle. Das Gutshaus – ein ursprünglich hübscher Bau mit Zinkblech-Verzierungen am Dach – verfällt vor sich hin. Dabei seien bis zur Wende noch Büros drin gewesen vom Volkseigenen Gut. Dann kam ein Wassereinbruch und seitdem verrottet der Bau. Der das damals gekauft hat, der wolle es wieder verkaufen, wie man hört. Aber 1,6 Millionen Euro geschätzter Sanierungsaufwand – das „ist für mich einfach eine Etage zu hoch“, sagt Inge Huschke. In diesem Jahr sind selbst die 180000 Euro Kosten für eine Reithalle zu viel. Dabei ist die Bauanfrage endlich durch und brauchen würde sie die Halle dringend. Gerade die Dressurreiter wollten auch im Winter trainieren und auf hart gefrorenem Boden geht das nicht. Aber die Ernte hat es einfach nicht eingebracht – die Familie Huschke betreibt in Seeburg eine große Landwirtschaft. „Wann haben Sie ihren letzten Urlaub gemacht?“ Inge Huschke bleibt stehen. Sie war gerade mit großen Schritten einem Lastwagen entgegen gegangen, der Holzhackschnitzel für den Stallboden bringt. „Keine Ahnung.“ Das ginge sowieso nur mal eine Woche im tiefsten Winter. Aber dann müsste die Schwester im Hof aushelfen - und dafür selbst eine Woche Urlaub nehmen. „Aber ich bin ja auch nicht so ein Urlaubsmensch“, muntert sie sich auf. Die Holzschnitzel liegen nun auf einem Haufen neben dem Stall. Der Fahrer wartet auf sein Geld. „Das Zeug muss heute noch mit “ner Schubkarre reingebracht werden“, sagt sie und seufzt: „Ob ich das hier noch mal anfangen würde – ich weiß es nicht. Wenn ich nicht so eine Pferdemacke hätte “

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