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Allein in Potsdam. Nazir Ahmad Mobini erreichte vor rund drei Monaten Potsdam. Jetzt will der 21-Jährige schnell Deutsch lernen – und braucht dafür einen Computer.

© Andreas Klaer

PNN-Aktion: Potsdam schenkt: Mehr als die ganze Welt

Nazir arbeitete als Dolmetscher für ausländische Truppen in Afghanistan. Dann trieben ihn die Taliban zur Flucht nach Potsdam. Jetzt hat er nur zwei Wünsche: Seine Familie wiedersehen – und einen Laptop zum Deutsch lernen.

Von Katharina Wiechers

Geben bringt Segen: Zur Weihnachtszeit den Nächsten helfen – das wollen wir, die Potsdamer Neuesten Nachrichten, gemeinsam mit Ihnen, unseren Lesern. Mehr als 2000 Flüchtlinge sind in den vergangenen zwei Jahren in Potsdam aufgenommen worden. Fast alle haben ihre Heimat verlassen, um Gewalt und Krieg zu entkommen. Mit dem Nötigsten sind sie versorgt. Doch vieles andere zum Leben und Ankommen fehlt. Wir haben Menschen in der Flüchtlingsunterkunft Am Brauhausberg gefragt, was ihnen eine Freude machen würde – und bitten Sie, liebe Leser, um Ihre Mithilfe, einen Weihnachtswunsch zu erfüllen.

Am meisten fehlt Nazir Ahmad Mobini seine Familie. „Ein Abend zusammen mit der Familie bedeutet mehr als die ganze Welt“, findet er. „Ich vermisse sie. Ich brauche sie.“ Und doch hat er sie verlassen, schuld sind die Taliban. Sie hatten mitbekommen, dass Nazir in seiner afghanischen Heimatstadt Herat als Dolmetscher für ausländische Truppen arbeitete – sein gutes Englisch hatte ihm zu diesem Job verholfen. Doch den Taliban missfiel das, so wie ihnen alles missfällt, was mit der westlichen Welt zu tun hat. Sie bedrohten Nazir: Entweder, er würde aufhören, für die Ausländer zu arbeiten, oder sie würden ihn töten. „Da wusste ich, dass ich fliehen muss. Denn ohne Job kannst du in Afghanistan nicht überleben.“

In Doberlug-Kirchhain wohl gefühlt

So machte sich Nazir auf den beschwerlichen und gefährlichen Weg nach Europa – zu Fuß über hohe Berge, in einem kleinen Boot übers Meer. In Deutschland angekommen, wurde er zunächst in die Erstaufnahmeeinrichtung nach Eisenhüttenstadt geschickt, dann sollte er nach Frankfurt (Oder) und schließlich nach Doberlug-Kirchhain umziehen. In Doberlug-Kirchhain habe er sich besonders wohl gefühlt, erzählt Nazir. „Eine kleine Unterkunft mit sehr netten Menschen.“ Wie schon an den anderen Stationen seiner Flucht half er anderen als Übersetzer. „Viele haben mich gebeten, sie bei einer Versetzung nach Potsdam zu unterstützen“, erzählt der 21-Jährige. Warum dort alle hinwollten, habe er nicht verstanden – bis er selbst nach Potsdam geschickt wurde, vor rund drei Monaten. „Jetzt verstehe ich es. Die Stadt ist wunderschön.“ 

Auch einen Verein hat Nazir schon gefunden, wo er seine Sportart praktizieren kann: Powerlifting, zu Deutsch Kraftdreikampf. Der Athletik-Club Potsdam, der seine Trainingsräume beim Bad am Brauhausberg hat, hat ihn aufgenommen, die Gebühr kann er sich gerade so leisten.

Freiwilliges Engagement der Potsdamer beeindruckt Nazir

Besonders beeindruckt ist Nazir von dem freiwilligen Engagement der Potsdamer. Jeden Tag besucht er den Deutschkurs, den der Verein Flüchtlingshilfe Babelsberg hier am Brauhausberg anbietet. „Die kommen hierher, ohne dass sie einen Cent dafür bekommen“, erzählt er begeistert. „Ich habe so viel von diesen Menschen gelernt.“

Auch einen professionellen Deutschkurs hat er jetzt angefangen, doch er darf nur den kurzen, zweimonatigen besuchen. Der Grund: Als Afghane bekommt er nicht in jedem Fall Asyl gewährt in Deutschland, noch wartet er auf den Bescheid aus dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Solange sein Status unklar ist, darf er sich nicht für einen Integrationskurs anmelden, der sechs Monate intensiven Deutsch-Unterricht beinhaltet. Dass ihm das – anders als etwa den syrischen Flüchtlingen – nicht gewährt wird, frustriert den wissbegierigen jungen Mann. „Bald geht mein Kurs zu Ende und ich habe Angst, dass ich vieles wieder vergesse“, sagt Nazir.

Zwar lernt er auch für sich Deutsch, meistens mit seinem Smartphone, weil er dafür das Internet braucht. Manchmal sitze er bis 2 Uhr morgens über den Übungen, wie er erzählt. Doch noch besser würde das mit einem Laptop funktionieren, glaubt er. „Ein neuer Laptop ist sehr teuer, ich weiß. Natürlich würde ich mich auch über einen gebrauchten freuen.“

Nachtrag der Redaktion: Liebe Leser, wir sind beeindruckt von Ihrer Großzügigkeit. Über 50 Menschen haben sich in den vergangenen Wochen in der Redaktion gemeldet und wollten einen der Wünsche erfüllen. Alle Geschenke konnten mittlerweile eingesammelt und an die Vorgestellten übergeben werden - und noch vieles darüber hinaus. Wer weiterhin etwas für Flüchtlinge spenden möchte, kann sich jederzeit an die zentrale Spendensammelstelle der Stadt in der Drewitzer Slatan-Dudow-Straße wenden oder sein Angebot beim Spendenportal helpto.de einstellen. Helfende Hände werden auch bei vielen Potsdamer Initiativen gebraucht, etwa beim Verein "Hand in Hand" oder der Flüchtlingshilfe Babelsberg.

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