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Wieder weg. Ursprünglich stand die Lenin-Statue in der Hegelallee.

© C.-D. Steyer

Statue erneut verschwunden: Lenin privatisiert

Die Statue des Kommunistenführers sollte aus dem niedersächsischen Oldenburg bald nach Potsdam zurückkehren. Doch nun ist die Figur verschwunden.

Potsdams Wiedersehen mit Lenin fällt wohl aus. Anders, als geplant, wird die denkmalgeschützte Bronzestatue des russischen Revolutionsführers im Jahr 2019 wahrscheinlich nicht im Potsdam Museum zu sehen sein. Dort sollte sie als Dauerleihgabe ihres Besitzers, des Oldenburger Unternehmers Dirk Onnen, gezeigt werden. Doch daraus wird wohl nichts: Die Statue ist nämlich gestohlen worden.

Wie die Nordwest Zeitung am Mittwoch berichtete, ist die zwei Meter hohe und vermutlich 250 bis 500 Kilogramm schwere Lenin-Statue, von einem Privatgrundstück im niedersächsischen Rastede gestohlen worden. Der Diebstahl soll sich bereits zwischen 24. und 30. März zugetragen haben. Ermittlungsergebnisse gab es nach Angaben der örtlichen Polizeiinspektion am Mittwoch noch nicht. Der Abtransport der schweren Statue stelle die Beamten derzeit noch vor ein Rätsel. Möglicherweise handelt es sich um ein Kollektiv von Tätern.

Eine PNN-Anfrage beantwortet Onnen am Mittwoch nicht. Gegenüber der Nordwest Zeitung mutmaßte er, ein politisch motivierter Diebstahl sei nicht auszuschließen. Denkbar ist allerdings auch, dass für die Diebe weniger der symbolische Gehalt der Statue interessant war, sondern der metallische: Laut dem Portal schrottpreise.eu bekommt man für ein Kilogramm Bronze zwischen 2,70 und 4,40 Euro. Bei bis zu 500 Kilogramm Lenin kommt man auf eine vierstellige Summe.

Lenin-Statue hat in Potsdam eine lange Geschichte

Die Statue hat in Potsdam eine lange Vorgeschichte: 1961 wurde sie in der Hegelallee vor dem sogenannten Haus der Offiziere aufgestellt, einem Club für Offiziere der Sowjetarmee. Anlässlich des 70. Jahrestages der russischen Oktoberrevolution kam das Ensemble auf die Denkmalliste. Kurz nach der Jahrtausendwende dann kaufte Onnen das betreffende Grundstück in der Hegelallee 25, um es mit Wohnungen zu bebauen. Im Jahr 2004 ließ er die Statue abbauen, in einer Nacht-und-Nebel-Aktion, wie es damals von vielen empfunden wurde – und ohne Rücksprache mit der Denkmalpflege. Jugendliche hätten damals angefangen, an der Statue „herumzuschrauben“, begründete Onnen sein damaliges Handeln.

In Potsdam ahnte jahrelang niemand, wo sich der Hohlkörper befindet. 2013 hatte Onnen nach Angaben der Stadtverwaltung auf Nachfrage mitgeteilt, dass die Bronzefigur nach wie vor eingemottet in oder bei Oldenburg stehe. Im vergangenen Jahr lüftete Onnen dann gegenüber den PNN das Geheimnis: „Der Lenin steht bei meinem Vater im Garten.“ Sein Vater besitze einen „wunderbaren, zwei Hektar großen Garten“, auf dem bereits einige Skulpturen gestanden hätten. „Da habe ich ihm eine neue Heimat gegeben“, sagte der Projektentwickler.

„Kunstwerke und Kulturgüter mit politisch unliebsamen Inhalten werden immer weniger nach künstlerischem Wert beurteilt"

Doch auch in Abwesenheit sorgte die Statue des Gewaltherrschers in Potsdam für reichlich Gesprächsstoff. Mit der Begründung, der Terror in der Sowjetunion habe nicht erst mit Stalin, sondern bereits mit Lenin begonnen, hatte die Union seit 2006 immer wieder versucht, eine Wiederaufstellung der Bronzeplastik – zumindest am angestammten Ort – zu verhindern und sie von der Landesdenkmalliste zu streichen. Allerdings biss man damit beim Landesdenkmalamt auf Granit. Zuletzt lehnte die Behörde eine Aufhebung des Denkmalstatus 2013 ab.

Einen anderen Ansatz hatte im vergangenen Jahr die Fraktion Die Andere.  Sie verlangte in einem Antrag, dass die Statue unverzüglich wieder aufgestellt wird – in der Hegelallee oder an einem anderen öffentlichen Ort. In Potsdam habe sich offenbar parallel zum Aufbau von Fassadenkopien einer vordemokratischen Architekturepoche ein Klima der Bilderstürmerei und Respektlosigkeit gegenüber Kulturgütern aus der DDR-Zeit entwickelt, so die Begründung des Antrags. „Kunstwerke und Kulturgüter mit politisch unliebsamen Inhalten werden immer weniger nach ihrem künstlerischen Wert oder ihrer Bedeutung als Zeugnis der Zeitgeschichte beurteilt.“ Allerdings fand der Antrag keine Zustimmung bei anderen Fraktionen und wurde abgelehnt.

Lenin "privatisiert": Nicht ohne Ironie

Den jüngsten Anlauf der CDU gab es im vergangenen Jahr: Die Stadt solle beim Landesdenkmalamt die Aufhebung des Denkmalstatus verlangen, hieß es in dem Antrag, weil die sogenannten Eintragungsvoraussetzungen nicht mehr erfüllt seien. Die Stadtverwaltung teilte diese Auffassung. Mit dem Abriss des „Hauses der Offiziere“, des Sockels und der Zerstörung des Parks sei auch das Denkmal als solches zerstört worden. Doch in der Abstimmung einen Tag nach dem 100. Jahrestag der Oktoberrevolution konnte sich die CDU nicht durchsetzen. Nur die Fraktion Bürgerbündnis/FDP und die Potsdamer Demokraten unterstützten die Initiative.

Angesichts des Diebstahls ist nun äußerst ungewiss, ob die Statue überhaupt wieder nach Potsdam zurückkehren kann. Lenin hatte bekanntlich ein widersprüchliches Verhältnis zum Privateigentum. Natürlich lehne er Diebstahl in jeder Form ab, kommentierte Potsdams CDU-Kreischef Steeven Bretz. Allerdings sei es nicht ohne Ironie, dass die Statue nun auf sonderbare Weise den Besitzer gewechselt habe.

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