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Der Angeklagte muss sich vor dem Potsdamer Landgericht verantworten.

© Ralf Hirschberger/dpa

Giftmord-Prozess in Potsdam: Lebenslang in Haft?

Beweisführung im Ausschlussverfahren: Im Prozess um einen Giftmord an einem Kleinkind fordern Staatsanwalt und Nebenklage das maximale Strafmaß.

Im Prozess um ein mit Tabletten vergiftetes Kleinkind haben sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Nebenklage eine lebenslange Haftstrafe für den Angeklagten gefordert. Beide gehen von Mord aus niederen Beweggründen und von einer besonderen Schwere der Schuld aus. Das ging aus den Plädoyers am zehnten Verhandlungstag vor der großen Strafkammer des Potsdamer Landgerichts am gestrigen Donnerstag hervor.

Ricardo H., selbst morphinabhängig, wird vorgeworfen, den eineinhalbjährigen Sohn seiner damaligen Freundin in der gemeinsamen Wohnung am Schlaatz im März 2014 vorsätzlich getötet zu haben. Der Angeklagte sagte in dem Prozess nicht aus, weshalb sich dieser auf Indizien und Zeugenaussagen stützt.

Staatsanwalt Peter Petersen argumentierte in seinem Plädoyer per Ausschlussprinzip. Am Tattag seien nur der Angeklagte und die Mutter des Kindes in der Wohnung gewesen. Zunächst war der Staatsanwalt von einer gemeinschaftlichen Tat ausgegangen, hat die Mittäterschaft der Mutter aber vor Prozessbeginn ausgeschlossen. Das begründete er damit, dass diese von allen Zeugen als verantwortungsvolle Mutter beschrieben worden sei und nach dem Tod ihres Sohnes stark getrauert habe. Auch habe sie „nicht den Ansatz eines Motivs“.

Haarprobe wies monatelange Medikamentengabe nach

Also bleibe nur Ricardo H. als möglicher Täter. Petersen geht davon aus, dass dieser überfordert war von dem kränklichen und oft quengeligen Kleinkind. Deshalb habe er den Jungen über mehrere Monate mit Beruhigungsmitteln ruhiggestellt, wie eine Haarprobe bewies. Sein Verhältnis zu dem Kind sei wohlwollend gewesen, aber wenn es nicht spurte, habe er zu radikalen Mitteln gegriffen.

Am Tag der Tat habe Ricardo H. dem Jungen mittags, als er mit dem Kind allein war, sieben bis 15 Beruhigungstabletten in den Brei gerührt. Abends dann zudem mindestens vier Morphiumpillen. Aufgrund dieser hohen Dosis gehe er von Vorsatz aus, so Petersen. „Das Kind sollte sterben.“ Ricardo H. müsse die Tat geplant haben, um sie vor der Mutter geheim zu halten. Heimtückisch habe er diese bewusst getäuscht. Das passe in das „verheerende“ Bild der Persönlichkeit des Angeklagten. Ricardo H. sei ein Egomane, ein Lügner, Betrüger und Manipulator. Indiz dafür sind auch 18 Einträge im Vorstrafenregister, die der Richter verlas, darunter zahlreiche Betrugsfälle.

Das Hauptmotiv, so beurteilt es Petersen, sei gewesen, die kriselnde Beziehung zur Mutter des Jungen zu retten. Ricardo H. sei massiv eifersüchtig auf den leiblichen Kindsvater gewesen, was oft zu Streit führte. Also habe er den Jungen, den er als Problem wahrnahm, beseitigt. „Das ist abgrundtief böse“, so Petersen.

Prozess wird am Montag fortgesetzt

Auch die Anwältin der Mutter, die als Nebenklägerin auftritt, Betül Gülsen, sieht im Neid auf den Kindsvater das Motiv. Ricardo H. habe dem Jungen gegenüber eine übertrieben väterliche Rolle eingenommen, um nachzuholen, was er bei seinem älteren Sohn aus früherer Beziehung versäumt hätte. Der Kindsvater habe seine Vorstellung der idealen Familie gestört. Kurz vor der Tat gab es ein Kitagespräch, zu dem die Mutter mit dem Kindsvater ging. Dass Ricardo H. sie begleitet, wollte sie nicht. Das war aus Sicht Gülsens der Auslöser für den Mord: Es habe ihm deutlich gemacht, dass der leibliche Vater stets präsent bleiben würde.

Der Prozess wird am Montag mit dem Plädoyer der Verteidigung fortgesetzt, am kommenden Mittwoch wird das Urteil erwartet. 

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