zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Leben im „Potsdamer Modell“

In der Haeckelstraße wohnen Flüchtlinge Tür an Tür mit Potsdamern. Konflikte gibt es bislang kaum

Von Katharina Wiechers

Potsdam-West - Das große Interesse an ihrer Person scheint Imana Zhandaev ein bisschen unangenehm zu sein. Journalisten, Sozialarbeiter, Vertreter der Stadt – alle wollen wissen, wie es sich so im Praxistest bewährt, das sogenannte Potsdamer Modell. „Wir fühlen uns hier sehr wohl“, sagt die 38-jährige Tschetschenin, lächelt und senkt ihren Blick. Sie, ihr Mann und ihre vier Kinder gehören zu den ersten Flüchtlingen, die bei ihrer Ankunft in Potsdam nicht im Asylbewerberheim am Schlaatz, sondern in einem neuartigen Wohnprojekt in Potsdam-West untergekommen sind. Verteilt auf mehrere Wohnungen leben dort in zwei Wohnblöcken in der Haeckelstraße insgesamt 61 Menschen Tür an Tür mit anderen Mietern – ein Pilotprojekt, das mittlerweile zum Vorbild für weitere wurde.

Organisiert hat den Termin Potsdams Sozialbeigeordnete Elona Müller-Preinesberger (parteilos). Sie will für das „Potsdamer Modell“ werben, das sie aus zwei Gründen ersonnen hat: Es soll die Integration verbessern, aber auch eine akute Notsituation beenden. Denn die Stadt muss immer mehr Flüchtlinge aufnehmen, zum zweiten Mal wurde allein in diesem Jahr die Zahl der Neuankömmlinge schon nach oben korrigiert: anfangs hieß es, 279 Asylbewerber kämen 2014 neu nach Potsdam. Dann stieg die Zahl auf 336, mittlerweile sind es 386.

Hintergrund ist das aus allen Nähten platzende Aufnahmelager für Asylbewerber in Eisenhüttenstadt, wo alle Flüchtlinge, die dem Land Brandenburg vom Bund zugewiesen werden, zunächst untergebracht werden. Die Verhältnisse dort sind beengt: 1000 Menschen leben derzeit in der ehemaligen Kaserne, Platz ist eigentlich nur für 800. Doch auch Potsdam stößt an seine Kapazitätsgrenzen: Bisher verfügt die Stadt über 180 Plätze im Asylbewerberheim am Schlaatz und 13 in einer Frauenunterkunft in der Hegelallee.

Abhilfe sollen nun Wohnprojekte wie in der Haeckelstraße leisten – also möblierte Wohnungen inmitten von Wohnhäusern statt Sammelunterkünfte wie in den meisten Brandenburger Kommunen. Ende vergangenen Jahres wurde dort die erste Wohnung von Flüchtlingen bezogen, mittlerweile sind alle 21 bewohnt. Hinzu kommt noch eine Gemeinschaftswohnung, in der zum Beispiel Deutschkurse abgehalten werden, und eine als Büro genutzte Wohnung. Dort sitzen Mitarbeiter des Internationalen Bundes, der als Träger für das Projekt fungiert und von der Stadt dafür bezahlt wird. Drei Sozialarbeiter kümmern sich um die 61 Flüchtlinge.

Probleme mit den deutschen Nachbarn gebe es eigentlich kaum, sagt eine der Sozialarbeiterinnen, Frederike Hoffmann. „Oder zumindest nicht mehr als in normalen Nachbarschaften“, schiebt sie hinterher. Die ein oder andere Beschwerde habe es schon gegeben, wegen Lärms oder nicht getrennte Mülls. Doch bislang habe man alle Probleme lösen können – wie durch den schalldämpfenden Teppich bei Frau Zhandaev (siehe Interview), durch gemeinsame Gespräche oder Aufklärung über das komplizierte deutsche Mülltrennsystem. In einem Fall habe sich aus einer „Lautstärkediskussion“ sogar ein richtig gutes nachbarschaftliches Verhältnis entwickelt, sagt Hoffmann. „Die bekochen sich jetzt gegenseitig.“

Auch Ehrenamtliche helfen den Flüchtlingen, geben Bastel- oder Deutschkurse. Viele kommen über das Stadtteilnetzwerk Potsdam-West, das gleich zu Beginn seine Hilfe bei der Integration angeboten hat. Es wurden auch viele Spenden gesammelt – zwischendurch wussten die Sozialarbeiter gar nicht, wohin damit. Mittlerweile gibt es einen E-Mail-Verteiler, sodass das Benötigte auch bei denen ankommt, die es brauchen, wie Carol Wiener vom Internationalen Bund erzählt.

Nicht nur aus Tschetschenien kommen die Flüchtlinge, die in der Haeckelstraße wohnen, auch aus Somalia, Kamerun, Syrien oder dem Irak. Langfristig sollen sie in eigenen Wohnungen untergebracht werden, ohne Betreuung. Doch das ist bei den Potsdamer Mietpreisen ebenfalls schwierig, wie Müller-Preinesberger sagt. Die Stadt kommt deshalb nicht umhin, mehr Unterbringungsmöglichkeiten zu schaffen. Geplant sind weitere Projekte nach dem „Potsdamer Modell“: Bereits begonnen hat eines im Staudenhof, ein weiteres in der Grotrianstraße am Stern ist im Entstehen. Dort scheinen die Vorbehalte der Anwohner jeweils größer zu sein als in Potsdam-West, auch deshalb hat die Sozialdezernentin wohl in die Haeckelstraße geladen. Sie will zeigen, dass ihr Modell funktioniert. Und dass es manchmal nur einen Teppich braucht, um den Konflikt mit den Neuankömmlingen zu lösen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false