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Eine Vorläuferin. Kathrine Switzer absolvierte als erste Frau einen Marathon mit Startnummer. Ohne diese lief zuvor schon Bobbi Gibb mit.

©  dpa/Chema Moya

Brandenburg läuft: Weibliche Lauffreuden: Laufen für die Gleichberechtigung

Zu schwach für einen Marathon? Im Boston der 1960er-Jahre setzten Frauen ein Signal – sportlich und gesellschaftlich. Vom Engagement der zwei Lauf-Pionierinnen profitierte unter anderem Potsdams Marathon-Ikone Uta Pippig. Sie "verehrt" beide - eine aber mehr.

Von Tobias Gutsche

Startnummer 261. Sie ist beim Boston-Marathon legendär, wird eigentlich nicht mehr vergeben. Als am Montag vor zwei Wochen die diesjährige Auflage in der US-Ostküstenmetropole stattfand, heftete die Ziffer allerdings wieder im Läuferfeld an einem Oberteil. An dem von Kathrine Virgina Switzer. Wie vor genau 50 Jahren. Damals, 1967, war die in Deutschland geborene Tochter eines amerikanischen Armee-Majors als erste Frau überhaupt einen Marathon mit offizieller Startnummer gerannt.

Erboster Renndirektor wollte Switzer stoppen

Das sorgte für Aufsehen. Vor allem wegen eines Zwischenfalls auf der Strecke. Renndirektor Jock Semple hatte erbost versucht, Switzer zu stoppen, ihr die Startnummer zu entreißen. Doch er war es selbst, der letztlich aus dem Weg geräumt wurde – von Switzers Begleitern, ihrem damaligen Freund und ihrem Trainer. Fotos der Aktion erhielten ikonischen Wert für den Kampf um Gleichberechtigung von Frauen.

Denen war es einst nicht erlaubt, lange Wettkampfdistanzen zu laufen. Sportfunktionäre waren der Meinung, Damen seien körperlich dazu nicht imstande, sodass nur maximal 2,4 Kilometer für sie gestattet wurden. Kathrine Virgina Switzer sah das nicht ein. Sie absolvierte bereits im Training zusammen mit Männern hohe Umfänge und überzeugte schließlich ihren Coach zur Teilnahme am Boston-Marathon. 42,195 Kilometer. Ihren Vornamen, der auf das weibliche Geschlecht hingedeutet hätte, schrieb Switzer bei der Anmeldung nicht aus, sondern kürzte ihn ab. Auch mit ihrem Outfit am Wettkampftag „tarnte“ sie sich. Wegen der Kälte trug Switzer dicke Sachen und eine Wollmütze. Und doch flog sie auf. Ohne sich jedoch aufhalten zu lassen. Nach 4:20 Stunden überquerte die damals 20-Jährige die Ziellinie.

Gibb schlich sich aus dem Gebüsch ins Feld

Allerdings war sie damit nicht die schnellste Frau im Feld. Wie sich rasch herausstellte, kam Roberta Louise, Bobbi genannt, Gibb – ohne Startnummer – fast eine Stunde eher an. Und nicht nur das: Auch schon im Vorjahr hatte Gibb den Bostoner Marathon zurückgelegt. Weil ihr damals die offizielle Zulassung verweigert worden war, schlich sie sich heimlich nach dem Start aus dem Gebüsch hinaus in die männliche Läuferschar.

So hat die Geschichte des Frauenlaufens zwei bedeutsame Wegbereiterinnen, die von ihrem Auftreten her sehr unterschiedlich sind. Bobbi Gibb, die später nachträglich für ihre Boston-Siege 1966, 1967 und auch 1968 geehrt wurde, drängte überhaupt nicht in die Öffentlichkeit, lief eher nur für sich. Kathrine Virgina Switzer versteht sich hingegen seither als Missionarin und agiert entsprechend medienwirksam. Zum Beispiel beim 121. Boston-Marathon vor wenigen Tagen, bei dem sie im Alter von nunmehr 70 Jahren mit Nummer 261 auf dem bordeauxroten Shirt die volle Distanz bewältigte. Nur rund 16 Minuten langsamer im Vergleich zu ihrem ersten Mal.

Frauen-Marathon seit 1984 auch olympisch

Eine, die von Gibbs und Switzers Engagement profitierte, ist Uta Pippig. Die ehemalige Potsdamerin lebt und arbeitet heute in den USA und zählte während ihrer aktiven Zeit zu den besten Marathonläuferinnen der Welt. Allein in Boston triumphierte sie dreimal, ebenso oft beim Berlin-Marathon. „Ich verehre beide“, sagte Pippig unlängst im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Aber sie erklärte dabei auch: „Für mich ist Bobbi nun mal die Frau, die mehr im Stillen das vollzogen hat und im Stillen die erste Frau war. Sie ist für mich die wahre Pionierin.“

Einer – eben besonders von Switzer getragenen – Bewegung, die dazu führte, dass Frauen seit 1972 ganz offiziell bei Marathons an den Start gehen können, seit 1984 auch im olympischen Wettstreit. Sportlich eine wichtige Entwicklung. Vor allem aber hat diese Bewegung einen hohen gesellschaftlichen Wert. Sie macht deutlich: Frauen sind stark und zu allem imstande.

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